Wie sieht es in der Firma aus?

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    • Wie sieht es in der Firma aus?

      Wen man MD ist, leidet man bekanntlich unter Depressionen. Ausnahmen (unipolar-manisch) sind eine andere Geschichte. Ich selbst habe Depressionen und weiß ganz genau, was das bedeutet. Manchmal muss ich einen echten Held spielen, um überhaupt morgen aufzustehen, weil mein erster Gedanke ist: "warum lebe ich immer noch?" Wenn meine Depression da ist, vergesse ich leicht, wie man lebt. Denn meine Gedanken kreiseln sich um berühmte Themen, die wir alle kennen. Den ganzen Tag kann ich z.B. nur an Tod und Suizid denken, Näheres erzähle ich nicht, da ist nichts Neues. Dazu kommen noch Selbsthass, Minderwertigkeitskomplexe und so weiter.

      Die Hypomanien finde ich noch schlechter, weil ich mich kaum konzentrieren kann und manchmal nicht ganz adäquat bin. Ich warte auf meine liebe Depression, weil ich mich so wohler fühle.

      Aber wie soll ich das bitte meinem Chef erklären? Dem ist ja absolut egal, ob ich MD- oder Bronchitiskrank bin. Von mir wird eine Leistung erwartet und diese Leistung muss ich bringen. Wie - interessiert keinen.

      Ich nehme an Sitzungen und Meetings teil. Ich bekomme riesige Aufgaben, muss gigantische Excel-Tabellen mit Kosten- und Leistungsrechnung bewältigen (arbeite im Controlling), Berichte schreiben, Kostenentwicklung mit Abteilungsleitern besprechen und und und. Auf meinen Empfehlungen basieren sich viele wichtige Unternehmensentscheidungen, das ist eine Verantwortung und ein Druck, den ich keinem wünschen möchte.

      Und ich muss nicht nur gegen KLR kämpfen, sondern gleichzeitig gegen die üblichen Depressions- und Suizidgedanken. Mich outen kommt nicht in Frage, der Chef schmeißt mich glatt raus. Genauso gehe ich nicht mehr zum Arzt, obwohl ich seit ca. 7-8 Jahren bipolar bin.

      Ich lebe mit meiner Mutter zusammen, sie ist auch krank: Astma, Diabetes, Arthrose und so weiter. Wenn sie von meiner Krankheit erfährt, wird es sie umbringen. Dass ich krank bin, weiß also keiner.

      Wie gehen die Anderen mit der Krankheit um? Es es bei allen so, dass sie gehen und arbeiten müssen, obwohl sie nicht ganz sicher sind, in welcher Welt sie sich gerade befinden?
    • RE: Wie sieht es in der Firma aus?

      Hallo mdev,
      zuerst mal willkommen in diesem Forum. Wenn Du weder mit Deinem Chef noch mit Deiner Mutter über MD reden kannst/möchtest, war es eine gute Entscheidung, wenigstens eine anonyme Austauschmöglichkeit in Anspruch zu nehmen. =)

      So, wie ich Dich einschätze, hast Du Dich dazu durchringen müssen, und Dein Leidensdruck ist bedenklich hoch. Irre ich mich? Warst Du bei einem Arzt? Nimmst Du Medikamente? Hast Du SELBST ein Drehbuch geschrieben oder es schreiben lassen? Und das alles, ohne Deine Mutter ins Vertrauen zu ziehen...Das alles macht mich ziemlich nachdenklich.
      Du scheinst sehr introvertiert zu sein. Aber vielleicht habe ich mir auch vorschnell ein Bild gemacht, was mir leider gelegentlich passiert. ?(

      Nach meiner Diagnose habe ich noch vier volle Jahre in einem Streßjob gearbeitet. Mein Vorgesetzter wußte von der Krankheit. Da der Laden lief, interessierte es ihn nicht sonderlich, dass es für mich inzwischen eigentlich zu belastend war.
      Meine Schwangerschaft war mir ein willkommener Grund, komplett aus dem Beruf auszusteigen. Das ist nun schon bald fünf Jahre her, und ich warte ab, was als nächstes geschieht.
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      [/list] Gruß Zausel
    • Hallo Zausel,

      und beste Grüße an die Nachbarin (ich wohne in Garmisch)!

      Leider muss ich durchkämpfen und habe keine andere Wahl. In der Tat bin ich äußerst introvertiert und will keinen Arzt in die Angelegenheit involvieren. Aus mehreren Gründen. Erstens bin ich privat versichert und bekomme alle Arztrechnungen nach Hause. Wenn meine Mutti eine Rechnung vom Psychiater sieht, wird sie unangenehme Fragen stellen. Zweitens: ich habe schlicht und einfach Angst vor dem Arzt. Er wird bestimmt in meiner Seele graben, in den Ecken, die ich selbst sehr ungerne anfasse. Auch wenn es mir unglaublich schlecht geht, denke ich an den Arzt gar nicht.

      Aber dass Du auch in einer ähnlichen Haus warst, ist für mich sehr wichtig: ich bin also doch nicht allein! Im Prinzip ist es überall so, dass die Arbeitnehmer sich lieber nicht krankschreiben lassen. Ob Grippe oder MDP. Das Problem ist allerdings, dass eine Grippe früher oder später vergeht, unsere Krankheit aber nicht. :(

      P.S. Das Drehbuch habe ich natürlich selbst geschrieben. Kreative Prozesse sind meine Privatsphäre, in die ich niemanden rein lasse.
    • Psychologen und Psychiater

      Hallo mdev!
      Zunächst möchte ich noch eine Kleinigkeit richtig stellen:
      Ich war nicht in einem ähnlichen Haus. :)
      Sondern in einer kleinen Einrichtung, wo fast 50% des Personals gefehlt hat, wenn ich gefehlt habe. Deshalb bin ich auch quasi mit dem Kopf unterm Arm zum Arbeiten gegangen, statt mich krank schreiben zu lassen.
      Auch jetzt muß ich funtionieren, funktionieren, funktionieren.
      Nun gibt es statt Geld eben Liebe dafür.

      Diejenigen, die das Seelenleben bearbeiten sind die Psychologen, nicht die Psychiater.
      Einem Psychiater mußt Du nicht groß und breit erklären, WARUM Du evtl. Depressionen hast. Er braucht vielmehr Angaben über Antriebsstörungen, Konzentrationsfähigkeit, Schlafstörungen usw.
      Es handelt sich hier um zwei völlig verschiedene Berufe. Ob Du von Deiner Todessehnsucht sprichst, ergibt sich dann.
      Eine Mutter, die die Post entgegennimmt... Tja,-> laß Dir die Rechnung doch woanders hin schicken. Wenn Du gar niemand weißt, evtl. an ein gemietetes Postfach. Mein Psychiater und Neurologe ist übrigens auch für Patienten mit ganz anderen Krankheitsbildern zuständig, wie z.B.
      Rückenschmerzen.

      Ich wünsche Dir, dass Du bald einen guten Arzt besuchst.
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      [/list] Gruß Zausel