Eigenverantwortung

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    • Eigenverantwortung

      Psycho hatte in einem Beitrag vor ein paar Tagen die Frage gestellt ob es an der Persönlichkeit liegt ob jemand mit MD besteht oder nicht. Ich möchte dem eher zustimmen.

      Es ist doch wirklich interessant, da schaffen es manche Patienten innerhalb weniger Jahre wieder zurück ins Leben zu finden, nehmen ihren Beruf wieder auf, beenden ihr Studium oder holen ihr Abitur nach und andere quälen sich Jahrzehnte und kommen auf keinen grünen Zweig.

      Woran liegt das? Liegt es daran, dass einige die Medikamente und die Krankheit einfach besser annehmen können und einen aktiven, offensiven Umgang mit ihren Problemen wählen und andere sich zurück ziehen, auf die Hilfe der anderen Hoffen, die Verantwortung für ihre eigenen Schwierigkeiten und Probleme an die Gesellschaft übergeben?

      Kann es nicht sein, dass einen Typus von Mensch gibt, der durch die Gene, seine Persönlichkeit wesentlich besser für die Anforderungen unseres Arbeitsmarkts/Gesellschaft gerüstet ist?

      Wo fängt die Verantwortung des bipolar Erkrankten für seine Erkrankung an und wo darf man dem Arzt/Therapeuten vertrauen? Wenn mir der Arzt sagt, dass ich meine Medikamente jeden Tag zu nehmen habe, dieses aber nicht tue weil ich viel zu viel Angst vor möglichen Nebenwirkungen habe oder mich die zahlreichen pharmakritischen Informationen im Internet dazu gebracht haben meine Medikamente abzusetzen und ich einen Rückfall erleide, wer ist dann dafür verantwortlich?

      In der Depression bin ich dann voller Reue, fühle mich schuldig, dumm, blöd. Dann krieche ich wieder bei meinem Arzt an und verspreche mich in Zukunft an seine Weisungen zu halten bis ich einiges Tage im Internet lese, dass man bipolare Störungen ja auch ganz natürlich heilen kann, ich muss mich nur gesund ernähren, diese OMEGA-3 Fettsäuren zu mir nehmen und vor allem dieses Gift der Pharmaindustrie aus meinen Adern bekommen was ja dafür verantwortlich ist, dass ich diesen Rückfall hatte.

      Eigentlich bin ich doch gar nicht krank sondern nur ein bisschen anders, emotionaler, evtl. etwas verrückt, abgedreht und die anderen Menschen sollten doch bitte akzeptieren, dass ich etwas anders bin und nicht so belastbar bin.

      In der Zwischenzeit habe ich schon meinen Job verloren oder musste die Ausbildung abbrechen. Verdammt!!! Hätte ich damals doch bloß auf meinen Arzt gehört und die Medikamente wie verordnet eingenommen, vielleicht würde es mir dann besser gehen. Jetzt bekomme ich EU-Rente und muss schauen wie ich nächsten Monat über die Runden komme.

      Zum Arzt gehe ich nun wieder, möchte aber so wenig wie möglich von dieser Chemie zu mir nehmen, diese ganze Chemie kann doch einfach nicht gut sein, das Beweisen doch diese ganzen Beiträge im Internet. Gewichtszunahme, Diabetes, Konzentrationsstörungen aber ohne diese Chemie scheint es irgendwie auch nicht zu gehen. Bei jedem anderen/neuen Medikament spüre ich sofort die Nebenwirkungen, ich komme morgens schlechter aus dem Bett, die Waage zeigt schon wieder mehr an und plötzlich habe ich einen Ausschlag. Panik, lieber wieder reduzieren.

      Am nächsten Morgen bin ich hypomanisch... Die Welt ist toll, warum habe ich das nicht früher schon gemerkt? Eigentlich meinen es doch alle nur gut mir, jetzt weiß ich das und jetzt wird alles besser. Ich werde mich wieder für einen Job bewerben und diese Medikamente scheine ich auch nicht zu brauchen.


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      Der Betroffene ist oft nicht in der Lage die Gesamtsituation richtig einzuschätzen. Wir alle leben häufig im Affekt, in der Emotion, wir sind regelrecht in ihr drin und können uns gar nicht vorstellen, dass es auch anders sein könnte.


      Verstand und Vernunft ist etwas was meistens nur im Rückblick funktioniert. Wir können analysieren warum es zu einem Rückfall kam, sind dann aber oft nicht in der Lage die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen, der Wille dafür ist einfach zu schwach und die Angst groß. Viele Menschen können nur schwer etwas aufgeben wenn sie sich daran gewöhnt haben, mag dieses etwas auch noch so destruktiv sein denn die Gewohnheit gibt einem Sicherheit in dieser großen, komplexen und unverständlichen Welt.

      Man sollte eine Entscheidung treffen: ich nehme das verfügbare, vertrauenswürdige Wissen, habe Hoffnung, gehe ein Risiko bzw. mehrere Risiken ein und ignoriere meine Ängste. Haben wir den Mut zur Veränderung? Will ich der erste Mensch oder der letzte Mensch sein? Will ich führen, entscheiden, helfen oder möchte ich mich von anderen bestimmen lassen, es mir bequem machen und darauf hoffen, dass irgendwelche anderen sich schon um meine Bedürfnisse kümmern und wissen was gut für mich ist?

      Unsere Gesellschaft in Europa funktioniert nur, wenn genug Menschen bereit sind Mittel abzugeben um die schwachen und kranken zu unterstützen. Kann man selbstverschuldet einen Rückfall erleiden?

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      So lange die Krankenkasse meine Aufenhalte im Krankenhaus bezahlt und ich Geld vom Arbeitsamt bekomme kann ich ja mein Spiel weiterspielen. Den Bedürftigen zu spielen scheint ja zu funktionieren. Ich finde einfach diese ganze Chemie nicht gut, ich glaube das tut mir nicht gut und außerdem verdienen sich diese Unternehmen und ihre Handlanger eine goldene Nase aber was bekommen wir davon ab? Wer mit etwas Geld verdienen möchte kann es gar nicht gut meinen, dahinter stecken doch bloß kapitalistische Interessen und Sadismus, Geltungsdrang und Ausbeutung der armen Kranken. Ich hab ja gemerkt, dass ich mit Medikamenten keine Manien mehr habe aber mir fehlt dann die Energie, die Kreativität, das Gefühl zu leben. So will ich nicht sein...

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      Im Grunde wissen viele Betroffene was sie tun müssen um stabil zu sein aber sie tun es einfach nicht. Es fehlt an der Bereitschaft sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen... der Preis ist dem Betroffenen zu hoch... evtl. ist auch der Intellekt nicht ausreichend um zu verstehen. Eben nicht jeder Arzt kann gleich gut behandeln und nur weil etwas bei anderen super wirkt muss es das bei mir nicht auch tun. Man sollte auf das beste Hoffen aber am besten noch die schlimmsten Konsequenzen einkalkulieren. Notfalls muss ich eben einen Weg von 100 km zum Arzt in kauf nehmen, 10 verschiedene Ärzte, 30 verschiedene Medikamente, 5 verschiedene Psychotherapieformen ausprobieren und nur weil ich Medikamente nehme bedeutet das nicht, dass ich nicht doch wieder einen Rückfall bekommen kann. Der Preis der Stabilität ist ewige Wachsamkeit.

      Man muss sich die Frage stellen: bin ich wirklich bereit alle möglichen Opfer zu bringen um Stabil zu werden? Das verlangt auch Egoismus, eine Eigenschaft die verpönt ist da mann sich selber ja nicht so wichtig nehmen soll aber wenn ich immer nur nach den anderen schaue, wo bleibe ich dann?

      Um Stabil zu werden und zu bleiben muss man Rechte einfordern die einem nach dem Gesetz zustehen. Manche Rechte werden einem nicht sofort gewährt aber ich muss hartnäckig bleiben, Ausdauer und Disziplin zeigen, ja, teilweise muss man regelrecht Rücksichtslos vorgehen.

      Für mich ist es eine Wahrheit, dass die Gesellschaft nach darwinistischen Prinzipien funktioniert. Sicher gibt es zahlreiche Abstufungen und die Hilfsbereitschaft anderer Menschen ermöglicht oft erst wieder aus dem Loch zu kommen aber diese Hilfsbereitschaft muss man dann für sich und seine Interessen nutzen, auch um später anderen Menschen helfen zu können.


      Vogel friss oder stirb.


      Ethik, Philosophie, bipolare Störungen, manisch depressiv, Nietzsche, Krankheit
    • Na ehrlich
      ich frag mich echt warum ich trotz längerer stabilität vor ein paar jahren nicht auch zur herrenrasse mutiert bin.


      muss an meiner starken persönlichkeit liegen - gott sei dank.
      µ
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      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Ki-Zu ()

    • Selbst schuld

      Kizerl, da muss ich dir recht geben...

      Ich glaube auch dass die Sache deutlich differenzierter zu betrachten ist.
      Die Unterscheidung in Winner und Looser, wobei die Looser selber schuld sind, spiegelt doch das gesellschaftliche Klima.

      Schuld an der Arbeitslosigkeit ist der Arbeitslose, schuld an der Armut ist der Arme und schuld an der Krankheit ist der Kranke...

      So wird das Rad zurückgedreht oder vielleicht eher nach vorn, weil der Vorstellung ja eine perfide Modernität anhaftet: Jeder ist seines Glückes Schmied, es kommt darauf an was DU aus deinem Leben machst, egal ob Du in Zehlendorf oder in Neukölln geboren bist...

      Gruß Jim