Diskussion: Unterbringung

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    • Diskussion: Unterbringung

      Die sogenannte Unterbringung - also die Behandlung eines psychisch kranken Menschen wider dessen Willen- wird in verschiedenen EU-Staaten völlig unterschiedliche gehandhabt.


      Im Vergleich von Österreich zu Deutschland fällt eine oft zurückhaltende Handhabung der österreichischen Rechtsprechung im Vergleich zur deutschen auf. So gilt zB überhaupt nicht

      -die psych. Erlkrankung als solche (zählt nicht)
      - eine finanzielle Gefährdung zB im Rahmen einer Manie, wie ZB wenn Schulden gemacht werden (ist dem Gericht völlig egal)


      und der "Unterbringungszeitraum ist im allgemeinen WESENTLICH
      kürzer. Das heißt im Klartext, eine Behandlung auf der "geschlossenen" Station, die länger als 2 (max. 3) Wochen dauert, ist der absolute Ausnahmefall.

      Das Verhältnis offene/geschlossene Betten auf psychiatrischen Anstalten
      ist auch in Österreich im Vergleich zu Deutschland wesentlich höher.

      Um auch noch Südtirol (Italien) als Vergleich heranzuziehen:
      dort gibt es noch weniger
      "geschlossene" Betten.
      Allerdiings; umso mehr "Zwangsbehandllungen mit Depotpräparaten
      und Verfügungsgewalt zB durch den Bürgermeiister eines Ortes, der über Zwangseinweisungen entscheidet....

      In Ö besteht oft das Problem, einen manischen Patienten, der sich bis ans
      Lebensende verschuldet, nicht "zwangsbehandeln" zu dürfen, auch wenn man weiß, dass die Folgen für das Leben katastrophal sein werden.
      In D. werden - im Vergleich - Patienten sehr schnell sehr lange in geschlossenen Abteilungen behandelt.

      In den Vereingiten Staaten wiederum ist die größte psychiatrische Anstalt
      das Los Angeles Stadt-Gefängnis. Unbestrittenenermaßen....


      Lösungsvorschläge?
      Und zwar niicht schnellgeschossene, sondern ernstüberdachte?


      PS: Aus verschiedenen Gründen erscheint mir persönlich derzeit der öst. Mittelweg als sehr gangbar. Korrekturen/Diskusssionsbeiträge jederzeit willkommen!!!
    • das Problem ist doch vielmehr folgendes

      durch mehrmalige enge Interaktionen mit heftig psychisch Kranken bereits in der Jugend ( 1. Fall mit 17) ohne nennenswerte Abschirmung
      (gemeinsame WG) sowie später in einem hochsicherheitsgefängnis
      ( Bruchsal) hatte ich erste psychische Auflösungstendenzen, die mir aber weder damals klar waren noch sind sie direkt damals in Erscheinung getreten.
      vielemehr habe ich direkt nach der Haftentlassung einen Job als Elektroniker für eine "fremdfirma" bei Daimler-Benz in sindelfingen angetreten und- nachdem ich physische Probleme ( Dauerdurchfall, etc)
      durch die ständige Wechselschicht bekam und der Arbeitgeber nicht bereit war, mir einen Normalschichtjob dort zu geben, habe ich mich kündigen lassen und hatte recht rasch einen neuen Job bei einer mittelständischen Firma für spezielle Elektromaschinen, wo ich sogar nach der Kündigung des Maschinenbauingenieurs sukkzessive dessen
      Job ausfüllte, da ich sowohl aus dem Werkzeugbau kam als auch eine mit
      IHK abgeschlossene Elektroniklehre vorweisen konnte, wogegen der Herr Ingenieur vor mir zwar Maschinenbauingenieur (FH) war, aber seine
      Elektronikkenntnisse mehr die eines Hobbybastlers waren.
      Blöderweise war ich damals aber auf harten Drogen, d.h. ich fuhr mit einem Kumpel so 2 mal monatlich nach den Nederlanden...
      Zwar konnte ich beruflich noch immer gut mithalten und habe zur Freude meines damaligen Arbeitgebers meinen Vorgänger weit übertroffen und neue Anforderungen neuer Kunden, die einen ausserordentlich hohen Schwierigkeitsgrad hatten, z.B. "elektronische Rutschkupplung", einstellbar von 30 - 180 Newtonmeter in 30er-Schritten, dazu von hinten beleuchtete LCD- Anzeige mit Darstellung
      + (rechts) oder - Linkslauf...diese Maschine wird heute noch häufig verkauft, 17 Jahre nach meinem Ausscheiden aus der Firma, also kann meine Arbeit damals nicht ganz schlecht gewesen sein, denke ich...

      Eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin
    • was ich eigentlich sagen wollte bezüglich Unterbringung: Es mögrn nur ein paar wenige sein auf jeder Station, die die gängige Intelligenz ein klein wenig überschreiten.
      das Pflegepersonal ( und die nichtpromovierthabenden Psychiater aus Kasachstan) werden aber nach Kostengesichtspunkten ausgesucht.
      Das MUSS knirschen, zwangsläufig....
      Es gibt weit mehr hochintelligente Patienten hier in Hirsau auf einer Station als Psychiater in der gesamten Klinik !
      Und jetzt machen die mit dem Bauernpersonal von Pflegern und Schwestern noch eine forensische Abteilung für 400 zusätzliche Patienten auf, mitten in einem Touristengebiet ( Noirdschwarzwald)...
      blos, weil Hern Öttinger die Knastplätze ausgehen, WER spinnt denn da nun wohl ?
      Unsere Patientenidee damals Anfang 2005 war, anstatt der forensischen
      Abteilung für die Hälfte von dem Geld eine "Mutter mit Kind" -. Station
      respektive einen ebensolchen Neubau zu planen, aber ausser den "Verrückten" und sämtlichen Gastronomen/Hoteliers der Gegend
      (ohne Namensnennung) gab es kaum nennenswerte Unterstützung.

      schaun wir einfach mal, was passiert, wenn ein paar ultraperverse dann ausbrechen aus der forensischen in Hirsau und wie gut das dann dem
      "fremdenverkehr" tut...
      Die spinnen einfach, die Stuttgarter...

      Eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin
    • ausserdem muss ich wiedersprechen, wenn

      du sagst, dass die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer
      psychiatrischen Klinik in D länger möglich sei - das ist quatsch:
      In D gilt: wenn Du nicht sooo saublöd bist, dass Du den Psychiatern oder ihren Hilfsknechten gleich bei der Einlieferung den berüchtigtigen
      "FW- Zettel" signierst,
      hat innerhalb von 72 Stunden ein Richter anzutanzen, vor dem der Arzt/Psychiater dann erklären muss, WARUM er dich für eine Gefahr für die Allgemeinheit hällt ( Maniker) oder für eine Gefahr für Dich selbst (Depression).
      In beiden Fällen halte ich es für extrem wichtig, bei dieser richterlichen Anhörung unbedingt einen Anwalt des Vertrauens
      hinzuzuziehen - wenn man z.B. Hartz4-Empfänger ist, kostet das über eine "Prozesskostenhilfe" sowieso nichts, das wissen aber alle sozial eingestellte Rechtsanwälte sowieso...
      Ich hatte z.B 1992 in meiner 1. Manie einen Rechtsanwalt dabei und konnte nach einer Woche "Beobachtung" die Klinik wieder verlassen.
      Beim letzten Mal Anfang 2005 dachte ich in meinem manischen Überlegenheitsgefühl, das könne ich ja auch locker ohne Anwalt schaffen und fiel prompt auf die Schnauze: der Richter war ein Vertretungsrichter und hat sich vom nichtpromovierten kasachischen Psychiater "die Tasche vollquatschen lassen" und mir sozusagen die "Höchststrafe" verpasst ACHTUNG: WICHTIG! In Deutschland sind 3 Monate "geschlossene" das Maximum, was Du kriegen kannst gegen deinen Willen ! Danach müsste der Richter wieder marschieren, aber sowas ist extrem selten...
      Die Herren wissenschaftlich geschulten Psychiater müssen doch der Gesellschaft auch zeigen, dass sie zu was nütze sind ....
      da musst du schon SEHR;SEHR BÖSE sein, dass sie den Richter 2 mal holen...
      Hihi...if the postman rings twice...
      ich kriege grade ganz kranke phantasien darüber, if I think
      "if the judge rings twice..."
      ich gehe mal lieber pennen jetzt, wünsche euch allen Nur Gutes...

      :-'P

      eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin
    • nun, wir erleben häufig längere UB-zeiten in D als sie bei uns meist sind.
      und haben beispielsweise für ein ganzes (kleines) bundeland 10 männl.,12 weibl. UB-Betten.

      gleich nebenan in einer kleinen bayrischen kreisstadt sind es
      anscheinend doppelt soviele (absolut).

      vielleicht täuscht ja der eindruck, aber
      es wäre durchaus interessant, die national sehr unterschiedlichen
      gegebenheiten zu vergleichen.
    • Eine österreichische Klinik war sogar so großzügig, dass sie mir explizit zum Unterzeichnen des Mietvertrags einer für mich viel zu teuren Wohnung (ich war ja voll klingklang) Ausgang gewährte. Alle Verantwortlichen wussten das.

      Ich war auch immer den ganzen Nachmittag unterwegs, teilweise mit dem Auto, war Schwimmen, Einkaufen u.ä.

      Ich hab in meinen Manien schon allerhand angestellt, und ich weiß, wie fast unmöglich es für meinen Mann war, mir zu helfen und mich aus dem Verkehr zu ziehen.
      Wenn ich nicht ich selbst bin und Dinge tue, die mich dann in tiefste Depressionen drücken, wäre es mir bei weitem lieber, die Gesetze wären zu meinem Schutz viel weniger liberal.

      Da könnt ihr mich jetzt alle in der Luft zerreißen.

      blattl
    • hallo blattl
      Wie genau stellst du dir das vor???
      sollte man dich dann gestzlich...

      festbinden..???
      einsperren???
      in Tiefschlaf versetzen???

      Das wünscht du dir nur in der Depression, aber wenn du manisch bist,
      du würdest wahrscheinlich zum Henker werden wenn man dir alles verbieten würde.

      Aber du kannst dich selber schützen, in dem du einen Sachwalter beantragst, dann bist du gesetzlich geschützt.
      Der Kummer, der nicht spricht, nagt am Herzen, bis es bricht.
    • Zur Unterbringung: Hier Forensik in D...

      ein - wie ich finde - sehr aufschlussreicher Artikel aus der "Zeit":
      "
      Strafjustiz
      In der Lebensversickerungsanstalt
      Von Sabine Rückert | © DIE ZEIT, 11.12.2008 Nr. 51

      Schlagworte: Justiz Strafvollzug Straftäter Psychiatrie
      Seit Jahren wächst die Zahl eingesperrter psychisch kranker Straftäter. Aus Angst vor Rückfällen und damit verbundenen Skandalen trauen sich viele Ärzte in der forensischen Psychiatrie nicht mehr, gute Prognosen zu stellen – auch wenn die Patienten mittlerweile ungefährlich sind. So dämmern Unzählige zu Unrecht hinter Gittern.

      Es ist Freitag, der 11. Mai 2007, vor dem Anhörungsraum in der Maßregelvollzugsanstalt Nette-Gut in Weißenthurm bei Koblenz herrscht Gedränge. Heute tagt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in der durch Mauern, doppelte Zäune und Natodraht gesicherten Anstalt. Den ganzen Tag über wird in nichtöffentlicher Sitzung über die Fortdauer der Unterbringung von Patienten entschieden. Die warten vor dem Saal mit ihren Müttern, Betreuern, Anwälten, bis sie dran sind. In der Menge sind die Insassen leicht auszumachen, viele von ihnen sind aufgeschwemmt, und ihr Blick ist leer. Einer harrt regungslos auf einem Stuhl aus, nur sein Fuß im löcherigen Turnschuh ohne Schnürsenkel zuckt unentwegt. Der Mann steckt in Schlotterhose und Schmuddelhemd. Sein Haupt ist von wirrem Haar umflattert, und seine Fingernägel sind lang wie die eines Gitarrenspielers.

      Wer in Deutschland eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begeht, kann vom Gericht zum Zwecke der Besserung und Sicherung in so einer forensisch-psychiatrischen Anstalt untergebracht werden, wenn von ihm weiter Gefahr ausgeht. So steht es im Paragrafen 63 der Strafprozessordnung. Diese Maßregel – sie wird von deutschen Gerichten derzeit über rund 800 Personen im Jahr verhängt – ist keine Strafe, sondern dient der Heilung des psychisch Kranken und dem Schutz der Allgemeinheit. Der Aufenthalt in der forensisch-psychiatrischen Klinik ist – im Gegensatz zur Freiheitsstrafe – zeitlich nicht begrenzt, die Dauer der Unterbringung hängt von der Gefährlichkeit des Patienten ab. Hat die Therapie Erfolg, wird der Beschluss entweder aufgehoben oder unter Auflagen ausgesetzt. Die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung wird vom Gericht jedes Jahr überprüft. Dazu bedient es sich fast immer eines psychiatrischen Sachverständigen, der in einem Prognosegutachten die Gefahr einschätzt, die vom Untergebrachten noch ausgeht. Erst wenn die zuständige Strafvollstreckungskammer sich sicher ist, dass der Insasse kein Sicherheitsrisiko mehr darstellt, wird er entlassen.

      In Weißenthurm, wo 300 bis 400 psychisch gestörte Straftäter untergebracht sind, fürchten viele, die hier vor der Tür warten müssen, die bevorstehende Entscheidung. Jens S., ein großer und massiger Patient, bricht sogar in Tränen aus und klammert sich an seine Mutter. »Warum weinen Sie?«, fragt sein Verteidiger. »Weil ich Angst hab, dass ich hier net meh’ rauskomm«, lallt der Patient und wischt sich die Augen. Seine Sprache klingt verwaschen, als wäre er betrunken. Das liegt an den Medikamenten, die ihn dämpfen sollen, ihn aber nicht so stark zu beruhigen vermögen, dass er seine bedrückende Lage nicht erkennen könnte. Seit 13 Jahren lebt der geistig zurückgebliebene S. schon in der Psychiatrie, weil er unter anderem als Exhibitionist auffällig wurde, ohne Führerschein fuhr und Autos, Sperrmüll und Altpapiercontainer anzündete. Trotz der langen Behandlung ist seine Prognose nicht besser geworden.

      Nach sechs Jahren in der Anstalt wirkt Jens S. auf den Gutachter hospitalisiert

      Die eigentlich streng vertrauliche Anhörung zum Patienten Jens S. findet an einem großen Tisch statt, um den zahllose Personen versammelt sind. Die kennen einander offenbar nicht, denn niemandem fällt auf, dass eine Reporterin der ZEIT dazwischen sitzt. Welchen Ernst die Koblenzer Strafvollstreckungskammer ihrer eigenen Gerichtsverhandlung beimisst, ist auch daran zu erkennen, dass der Vorsitzende aufsteht und sich an den belegten Brötchen gütlich tut, während ein externer Sachverständiger seine Einschätzung der Gefährlichkeit von Jens S. vorträgt. Der geladene Gutachter Steffen Lau ist selbst Chef einer forensisch-psychiatrischen Klinik in Sachsen. In seiner schriftlichen Expertise hat er bereits kritisiert, dass die Klinik Nette-Gut dem Patienten S. keinerlei Perspektive eröffne. Dessen seelischer Zustand habe sich während der Unterbringung beständig verschlechtert. Inzwischen habe S. resigniert und Zuflucht in einer Oppositionshaltung gesucht.

      Tatsächlich ist Jens S.’ Lage verfahren: In der Vorgängerklinik hatte man ihm hin und wieder einmal Ausgang gewährt. Dabei war es vorgekommen, dass S. vom Heimweh überwältigt ausriss und zu seiner Mutter fuhr. Obwohl die ihn sofort in die Klinik zurückbrachte und nichts passiert war, kam S. nach seiner Umquartierung nach Nette-Gut nicht mehr hinaus. Im Mai 2007, zum Zeitpunkt der Anhörung, herrscht im Leben des Patienten also seit sechs Jahren Stillstand. Die Verweigerungshaltung des Untergebrachten haben die Klinikärzte mit derart vernichtenden Gutachten beantwortet, dass der hinzugezogene Sachverständige Lau sich fragt, ob man dem Patienten in dieser Anstalt noch mit der nötigen professionellen Distanz begegnet.

      Vor den Strafvollstreckungsrichtern plädiert Lau an jenem Maitag dafür, den Patienten langsam auf seine Entlassung in ein Heim für geistig Behinderte vorzubereiten. Im geschützten Rahmen einer solchen Einrichtung sei seine Delinquenz beherrschbar. Der Übergang werde nicht leicht, denn S. sei durch das lange Eingesperrtsein inzwischen hospitalisiert. Trotzdem müsse er hier raus, sagt der Sachverständige, in Nette-Gut fehle ihm »das Prinzip Hoffnung«.

      Die Klinik hält dagegen: S. sei wegen zu vieler verschiedener Delikte da, ein solch buntes Erscheinungsbild sei schwer in den Griff zu kriegen. Außerdem weigere sich der Patient zu kooperieren. Jetzt wird der Verteidiger des Insassen, Christof Schallert, laut. »Unkooperativ ist die Klinik!«, ruft er in den Raum. Er als Anwalt werde über Probleme mit Herrn S. nicht informiert, das Personal wechsle dauernd, wodurch alle Therapiefortschritte seines Mandanten, die es anfangs durchaus gegeben habe, zerstört worden seien. Inzwischen habe er den Eindruck, Jens S. werde vernachlässigt. Um den Streit zu beenden, regt die Strafvollstreckungskammer an, die Klinik möge Herrn S. vorsichtig auf eine mögliche Entlassung vorbereiten. »Wir können ihm ja ein paar Lockerungen geben, sozusagen als Bonbönchen«, sagt der Klinikdirektor milde. Nun wendet sich der Strafvollstreckungskammervorsitzende an den Mann, um den es geht. »Verstehen Sie, was wir hier reden?«, fragt er. Jens S. blickt fragend zu seinem Verteidiger: »Was soll ich sagen?«

      Die 70 forensisch-psychiatrischen Kliniken sind chronisch überfüllt

      Ein Jahr später ist S.’ Lage trostloser als zuvor. Seine soziale
      Kompetenz ist weiter gesunken und damit auch seine Hoffnung auf Entlassung. Nichts weist darauf hin, dass die Vorschläge des Sachverständigen Lau die Klinik Nette-Gut irgendwie beeindruckt hätten. In der alljährlichen Stellungnahme steht für 2008, S. simuliere seine Intelligenzminderung teilweise, er lüge, er sei von »der Sinnhaftigkeit« seines Klinikaufenthaltes »nicht überzeugt«. Kürzlich habe er sogar eine Drohung ausgestoßen: »Sei still, sonst rappelt es hier!« Worauf »intensiver Zimmeraufenthalt« – sprich Stubenarrest – folgte. Nach Ansicht der Ärzte leidet der Patient nun auch noch an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Seine Prognose ist schlechter denn je.

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      weiterlesen?
      Hier:

      zeit.de/2008/51/DOS-Schlangengrube?page=2

      LG
      Eule4
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      Felix Kriwin

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    • ein grotesker Fall

      aus Teil 3:
      "
      K. säße wohl heute noch in Nette-Gut, wäre nicht eines Tages Hilfe von unerwarteter Seite gekommen. Die Mainzer Staatsanwältin Dagmar Gütebier findet es nämlich irgendwann nicht mehr in Ordnung, dass einer, der Kindern in die Hose gegriffen hat, länger eingesperrt wird als viele Mörder. Damit hält sie sich an die Vorgaben das Bundesverfassungsgerichts, das – um Endlosunterbringungen wegen relativ geringfügiger Delikte zu verhindern – entschieden hat, auch im Maßregelvollzug müsse die Dauer der Unterbringung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Klinik aber will von einer Entlassung des Patienten nichts wissen – nicht einmal ein betreutes Behindertenheim scheint ihr sicher genug, um die Welt vor dem gefährlichen Rollstuhlfahrer K. zu schützen. Verbissen torpediert die Anstalt alle Bemühungen der Staatsanwaltschaft, ein neues Zuhause für K. zu finden. K.s Zustand sei »infaust«, schreibt die Klinik wütend an die Strafvollstreckungskammer, er sei »nicht vermittelbar«.

      Heute lebt K. im Heim, er könnte jederzeit gehen – doch er tut es nicht

      Als Staatsanwältin Gütebier nicht nachgibt, kommt es zum Machtkampf zwischen Staatsanwaltschaft und Maßregelvollzug. Plötzlich werden neue Vorwürfe gegen K. laut: Zwei Mitpatienten zeigen ihn – in tadelloser Orthografie – wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung an. Zugleich wird K. in eine höher gesicherte Abteilung zurückverlegt und in den »Kriseninterventionsraum«, sprich: die Isolationszelle, gesteckt. Ohne Vorwarnung legt man der Staatsanwältin und K.s Verteidiger die Anzeigen beim Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer auf den Tisch – weder sie noch der Beschuldigte oder dessen Rechtsbeistand haben so Gelegenheit, sich angemessen mit den Vorwürfen zu beschäftigen.

      Als die Strafvollstreckungskammer K.s Unterbringung auch aufgrund der bestrittenen Vorwürfe erneut verlängert, legt Frau Gütebier sofortige Beschwerde ein – und hat Erfolg. Das Oberlandesgericht Koblenz hebt den Unterbringungsbeschluss auf und ordnet die Begutachtung des Patienten durch einen externen Sachverständigen an. Wieder fällt die Wahl auf Steffen Lau.
      Der kommt zum Ergebnis, dass es sich bei K. um eine klassische Fehleinweisung handelt, die Voraussetzungen für den Maßregelvollzug hätten bei ihm niemals vorgelegen, die Unterbringung sei zu beenden.
      "

      .....

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      Felix Kriwin

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    • "
      Den rheinland-pfälzischen Steuerzahler kostete die 14-jährige Unterbringung des Patienten K. ungefähr 1.130.000 Euro, und es gibt Bundesländer, die noch deutlich mehr bezahlen müssen. Ein einziger Tag, den ein Mensch in der forensischen Psychiatrie einsitzt, bringt der Klinik zwischen 220 und 400 Euro – für diesen Preis sind in Luxushotels Suiten zu haben.



      Der Klinikdirektor von Nette-Gut, Wolfram Schumacher-Wandersleb, ist auf Anfrage bereit, mit der ZEIT zu sprechen. Er ist ein netter Mann, der seine Anstalt nicht ohne Stolz vorzeigt. Deren Areal wurde durch eine staatliche 18-Millionen-Euro-Investition soeben verdoppelt. Der Direktor führt durch den modernen Neubau, zum Sportplatz und in den Garten – alles von Zäunen, Kameras und Bewegungsmeldern umgeben – und erzählt, dass es unter seiner Leitung in den letzten 13 Jahren nur eine einzige Entweichung gegeben habe. Kein Vergleich zu früher, wo zwanzig, dreißig Patienten pro Jahr über den Zaun entkamen – aber das interessierte die Öffentlichkeit damals noch nicht so. Selbstbewusst durchschreitet Schumacher-Wandersleb sein hermetisches Reich, die Patienten nach links und rechts grüßend. Nichts an diesem Direktor erinnert an den feindseligen Ton, in dem die – von ihm mitunterschriebenen – Klinikgutachten zu den Patienten Jens S. und Hans-Jürgen K. verfasst sind. Kommt man allerdings auf die beiden Fälle zu sprechen, wird Schumacher-Wandersleb wortkarg: Zu diesem Thema mag er sich nicht äußern, obwohl die ZEIT Schweigepflichtsentbindungen beider Männer vorlegt.
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      Felix Kriwin

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    • Die Klinik verhielt sich genauso kindisch wie der Patient

      Als Hans-Ludwig Kröber Herrn H. im August 2007 erneut auf seine Gefährlichkeit hin untersuchen soll, ist der Gutachter erstaunt, den Patienten, dessen Entlassung er schon vor fast vier Jahren angemahnt hatte, immer noch in der Anstalt vorzufinden. H.s persönlichkeitsbedingte »Bereitschaft, keinem Streit auszuweichen und seine Meinung unverblümt zu formulieren«, schreibt Kröber, mache ihn zu einem unbequemen Insassen, nicht aber zu einem Kranken. Jemand wie H. sei für Dauerkonflikte mit einer von starren Regeln nur so strotzenden Anstalt wie Uchtspringe geradezu prädestiniert, zumal die Gegenseite exakt die gleichen Reaktionsmuster zeige wie der Proband. Der Umgang der Klinik mit H. verursacht beim Sachverständigen ein »Frösteln vor den Machtmöglichkeiten einer totalen Institution«. So sehe also das Klima aus, in dem von Patienten »Vertrauen und Kooperationsbereitschaft« verlangt werde. Da das Rauchen auf Toiletten keinen Indikator für die Gemeingefährlichkeit des Untergebrachten darstelle, sei H. zu entlassen, schreibt Kröber sarkastisch: »Dass er Mitmenschen künftig durch Passivrauchen gefährden wird, kann eine Fortdauer der Unterbringung gleichwohl nicht begründen.« Im Dezember 2007 kommt Manfred H. frei.
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      LG
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      Felix Kriwin