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Wegen der besonderen Bedeutung des Artikels stelle ich ihn hier fast zur Gänze ein...
"
Eine Expertengruppe hat versucht, die zukünftige Rolle von "Neuro-Enhancement" zu verorten
Es wohnt eine feine Ironie in der Aufforderung, anhand der
psychoaktiven Substanzen die Fragen des gelingenden Lebens wieder neu
zu diskutieren. Die Diskussion um die sogenannten "kognitiven Enhancer"
und das "Neuro-Enhancement" erinnert ein wenig an die 60er Jahre, als
mit den Psychedelika wie LSD und Psilocybin plötzlich Wirkstoffe zur
Verfügung standen, die tief in die Psyche eingreifen, und mittels
derer, so hofften manche, ein neues Zeitalter, wenn doch nicht
eingeläutet, so doch zumindest unterfüttert werden konnte. Heute sind
die Ziele bescheidener, es geht um die Steigerung der geistigen
Leistungsfähigkeit und die positive Modifikation der Stimmung.
Gleichwohl lässt sich aus der frühen Vergangenheit lernen, welche
Mechanismen greifen, wenn es um die pharmakologischen Beeinflussung des
menschlichen Geistes geht.
Den Verfassern des [Blockierte Grafik: http://www.heise.de/tp/r4/icons/inline/extlink.gif]Memorandums
ist zu gratulieren, nicht nur, weil zum ersten Mal im
deutschsprachigen, vielleicht sogar im internationalen Kontext, die
pharmakologischen und soziologischen Entwicklungen rund um das
Neuro-Enhancement (NE) zusammenfassend eingeordnet und zugleich die
zentralen Fragen gestellt wurden. Wichtig war auch festzustellen, dass
trotz aller Medienberichte keine belastbaren Daten zur Verbreitung von
Enhancement existieren. Was die individuellen und sozialen
Rahmenbedingungen und spezifisch pharmakologischen Effekte der
vermeintlichen neuen Substanzen angeht, sind einige Ergänzungen zu
leisten, um die Diskussion weiterhin fruchtbar zu halten.
Zentral für die Beurteilung von psychoaktiven
Wirkstoffen, seien es legale Medikamente oder illegale Drogen, ist
zweierlei: Zum einen der Grundsatz "Keine Wirkung ohne Nebenwirkung".
Noch fehlen Langzeitstudien zu den Enhancern, es fehlen auch praktische
Erfahrungen mit Hardcore-Usern, die meinen, erst mit hohen Dosierungen
gut funktionieren zu können. Es wäre eine positive Überraschung, wenn
hier tatsächlich neue Wirkstoffe existieren würden, die, dem Koffein
ähnlich, bei vernünftiger Dosierung wenig Nachteile mit sich bringen.
Methylphenidat (Ritalin) beispielsweise ist sicher nicht so ein
Wirkstoff, der Kleinwuchs der Konsumenten ist bewiesen. Zum anderen
sind psychoaktive Substanzen immer auch ein Produkt, eine simple Ware,
die den Gesetzen des Marktes gehorcht. Die ökonomischen Dimension des
NE wird an Bedeutung gewinnen, wenn sich die Medikamente zukünftig
tatsächlich auf dem Markt durchsetzen.
Dass nun ausgerechnet Ritalin und Modafinil und die anderen primär
leistungssteigernden Medikamente dazu beitragen sollen, einen kreativen
Umgang mit sich selbst und seinen Mitmenschen zu fördern, wie das die
Autoren wünschen, verwundert. Wer die Mittel schon einmal probiert hat,
wird bestätigen, dass einem da nicht das Herz aufgeht, sondern man eher
die Pobacken zusammen kneift, um es mal lapidar zu formulieren.
Funktion und Wille stehen im Vordergrund, genau deshalb wurde
beispielsweise Modafinil bei den britischen Truppen in Afghanistan und
Irak eingesetzt. Methylphenidat ist ein enger Verwandter von Amphetamin
("Speed") und steht ebenfalls nicht in dem Ruf, emotional wertvolle
Prozesse anzuschieben.
Eliminierung unerwünschter Persönlichkeitseigenschaften
Von was reden wir also, wenn wir von kognitiven Enhancern sprechen?
Doch in erster Linie von Substanzen, die Menschen stromlinienförmig im
Arbeitsalltag agieren lassen. Und geht es nicht um Arbeit, so geht es
um die Eliminierung unerwünschter Persönlichkeitseigenschaften; eine
seltsames Phänomen unserer Zeit, die droht, aus jeder kleinen Macke ein
behandlungswürdiges Syndrom zu machen. Hier spielen Psychologen,
Wissenschaftler, Ärzte und Pharma-Unternehmen eine Rolle, sie alle
tragen dazu bei, dass der Katalog der psychischen Krankheiten immer
länger wird. Christopher Lane hat in seinem Buch "Shyness: How Normal
Behavior Became a Sickness" gut beschrieben, welche Kräfte bei der
Transformierung der Schüchternheit in die behandlungswürdige
Sozialphobie am Werk waren.
Noch etwas muss bedacht werden. Der Begriff der
"Kognition" wird im Zusammenhang mit NE so unscharf verwendet, dass
viel gemeint sein kann, praktisch aber nur wenig erreicht wird.
Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit mögen mit diesen Mitteln
zeitweise verbessert werden, die Hoffnung aber, dass damit das
Kurzzeit- oder gar Langzeitgedächtnis gefördert werden können, haben
sich nicht bestätigt.
Vereinfacht gesagt war die Annahme: Weil bestimmte
Medikamente Demenzkranken helfen, müssen sie auch bei Gesunden wirken.
Aber es ist eben ein Unterschied, ob man ein chemisch aus der Balance
geratenes Gehirn wieder zu Normalform zurückleiten will oder aber ein
korrekt funktionierendes Gehirn optimieren möchte. Der Körper scheint
evolutionär bedingt eine recht effektive Balance zu halten, deren
Modifikation von uns als Verbesserung, vom Körper selbst aber als
Störung interpretiert werden kann. Es kann darüber spekuliert werden,
ob die von den Autoren erwähnten Methoden wie Meditation aufgrund ihrer
langer Tradition nicht viel behutsamer und auf lange Sicht effektiver
wirken. Der Körper und sein Gehirn, so lässt sich weiter vermuten, kann
sich an die neuen Prozesse besser gewöhnen und nimmt sie nicht als
Gleichgewichtsstörung wahr, die er auszugleichen sucht.
Antriebsdrogen für die Leistungsgesellschaft
Wie soll nun die Gesellschaft mit NE und seinen pharmakologischen
Substraten umgehen? Die Autoren des Beitrags sehen zunächst den
Einzelnen am Zug. Er soll sich fragen, weshalb er einen Neuro-Enhancer
im Einzelfall einnimmt. Auf die individuelle Redlichkeit zu setzen ist
zwar im liberalen Gemeinschaftsgefüge richtig, aber natürlich ist der
Einzelne in seinen Entscheidungen stark beeinflusst: Nämlich durch die
Rahmenbedingungen der Gesellschaft, in der er lebt. Grenzziehungen der
individuellen Redlichkeit zu überlassen, ist eine Methode, sie
funktioniert nur bedingt in einer Gesellschaft, die im "Schneller,
Höher, Weiter" ihr Seelenheil sieht.
Es ist kein Zufall, dass die im Beitrag diskutierten Substanzen wie
Modafinil und Ritalin eben keine kreativen oder gar spirituellen
Enhancer sind, sondern pure Antriebsdrogen. Ihr transformierendes
Potential ist gering, Kritiker vermuten daher nicht zu unrecht, dass
sie auch deshalb noch nicht in die Schusslinie der drogenpolitischen
Wächter geraten sind. Aber das Geschrei wird groß sein, wenn die erste
bayerische Klassenreise statt auf Wodka-Red Bull auf Modafinil gesetzt
hat. Und dann, so viel lässt sich vorhersagen, greifen nicht die
wissenschaftliche Diskurse, sondern die klassischen Mechanismen von
Schuldzuweisung, Sündenbocksuche und Verteufelung. Spätestens dann wird
auch das Stichwort der "Einstiegsdroge" fallen.
Die Frage ist also, wie man die Fehler und
Verbotsreflexe der herkömmlichen Drogenpolitik verhindert. Noch umwebt
die Neuro-Enhancer ein klinisch reiner Schein, ein Phänomen, das sich
nach dem Abgleiten in den Schwarzmarkt mit seinen hinlänglichen
bekannten Begleitphänomenen sofort verändern würde. Es wären nicht die
ersten Substanzen, die den Weg vom Medikament über den Geheimtipp bis
hin in die Schmuddelecke genommen hätten. Es sind eben primär die
Konsummuster, die jede Substanz, jedes Medikament, ja, jedes Objekt zum
Suchtmittel werden lassen können. Max Goldt wollte nicht nur
herumalbern, als er eine Fiktion von einer alljährlichen Injektion von
reinem Heroin in einer gepflegten Schweizer Bergklinik entwarf, in der
ihm nach mehrtägigem Aufenthalt die Krankenschwestern zum Abschied
winken.
Neuroenhancer Kokain?
Sicher steht es im Rechtsstaat jedem grundsätzlich frei, "über sein
persönliches Wohlergehen, seinen Körper und seine Psyche selbst zu
bestimmen", wie die Autoren schreiben. Nur hat diese Freiheit halt ihre
Schranken, nämlich dort, wo die Freiheiten und Rechte Anderer betroffen
sind. Es ist diese rechtliche Konstruktion, die spezifische
psychoaktive Substanzen auf der Verbotsliste landen lässt, weil ihr
potentieller Nutzen im Vergleich zu ihrem potentiellen
gesamtgesellschaftlichen Schaden als gering beurteilt wird.
Um es mal provokativ zu drehen: Der von manchen Intellektuellen als
Neuro-Enhancer genutzte Wirkstoff Kokain steht deshalb im
Betäubungsmittelgesetz, weil eine Ausbreitung seines Konsums als sozial
zersetzend gilt. Was damit gesagt werden soll? Dass sich an der
Reglementierung und vernünftigen Einbettung des Konsums psychoaktiver
Substanzen die akzeptierende wie konservative Drogenpolitik seit
Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. So entstehen zwar viele Probleme erst
durch die Kriminalisierung der Konsumenten, auf der anderen Seite hören
die Verelendungsprozesse von Heroin-Konsumenten durch die freie
Zugänglichkeit zur Reinsubstanz nicht auf.......usw."
lg
Eule4
Wegen der besonderen Bedeutung des Artikels stelle ich ihn hier fast zur Gänze ein...
"
Eine Expertengruppe hat versucht, die zukünftige Rolle von "Neuro-Enhancement" zu verorten
Es wohnt eine feine Ironie in der Aufforderung, anhand der
psychoaktiven Substanzen die Fragen des gelingenden Lebens wieder neu
zu diskutieren. Die Diskussion um die sogenannten "kognitiven Enhancer"
und das "Neuro-Enhancement" erinnert ein wenig an die 60er Jahre, als
mit den Psychedelika wie LSD und Psilocybin plötzlich Wirkstoffe zur
Verfügung standen, die tief in die Psyche eingreifen, und mittels
derer, so hofften manche, ein neues Zeitalter, wenn doch nicht
eingeläutet, so doch zumindest unterfüttert werden konnte. Heute sind
die Ziele bescheidener, es geht um die Steigerung der geistigen
Leistungsfähigkeit und die positive Modifikation der Stimmung.
Gleichwohl lässt sich aus der frühen Vergangenheit lernen, welche
Mechanismen greifen, wenn es um die pharmakologischen Beeinflussung des
menschlichen Geistes geht.
Den Verfassern des [Blockierte Grafik: http://www.heise.de/tp/r4/icons/inline/extlink.gif]Memorandums
ist zu gratulieren, nicht nur, weil zum ersten Mal im
deutschsprachigen, vielleicht sogar im internationalen Kontext, die
pharmakologischen und soziologischen Entwicklungen rund um das
Neuro-Enhancement (NE) zusammenfassend eingeordnet und zugleich die
zentralen Fragen gestellt wurden. Wichtig war auch festzustellen, dass
trotz aller Medienberichte keine belastbaren Daten zur Verbreitung von
Enhancement existieren. Was die individuellen und sozialen
Rahmenbedingungen und spezifisch pharmakologischen Effekte der
vermeintlichen neuen Substanzen angeht, sind einige Ergänzungen zu
leisten, um die Diskussion weiterhin fruchtbar zu halten.
Zentral für die Beurteilung von psychoaktiven
Wirkstoffen, seien es legale Medikamente oder illegale Drogen, ist
zweierlei: Zum einen der Grundsatz "Keine Wirkung ohne Nebenwirkung".
Noch fehlen Langzeitstudien zu den Enhancern, es fehlen auch praktische
Erfahrungen mit Hardcore-Usern, die meinen, erst mit hohen Dosierungen
gut funktionieren zu können. Es wäre eine positive Überraschung, wenn
hier tatsächlich neue Wirkstoffe existieren würden, die, dem Koffein
ähnlich, bei vernünftiger Dosierung wenig Nachteile mit sich bringen.
Methylphenidat (Ritalin) beispielsweise ist sicher nicht so ein
Wirkstoff, der Kleinwuchs der Konsumenten ist bewiesen. Zum anderen
sind psychoaktive Substanzen immer auch ein Produkt, eine simple Ware,
die den Gesetzen des Marktes gehorcht. Die ökonomischen Dimension des
NE wird an Bedeutung gewinnen, wenn sich die Medikamente zukünftig
tatsächlich auf dem Markt durchsetzen.
Dass nun ausgerechnet Ritalin und Modafinil und die anderen primär
leistungssteigernden Medikamente dazu beitragen sollen, einen kreativen
Umgang mit sich selbst und seinen Mitmenschen zu fördern, wie das die
Autoren wünschen, verwundert. Wer die Mittel schon einmal probiert hat,
wird bestätigen, dass einem da nicht das Herz aufgeht, sondern man eher
die Pobacken zusammen kneift, um es mal lapidar zu formulieren.
Funktion und Wille stehen im Vordergrund, genau deshalb wurde
beispielsweise Modafinil bei den britischen Truppen in Afghanistan und
Irak eingesetzt. Methylphenidat ist ein enger Verwandter von Amphetamin
("Speed") und steht ebenfalls nicht in dem Ruf, emotional wertvolle
Prozesse anzuschieben.
Eliminierung unerwünschter Persönlichkeitseigenschaften
Von was reden wir also, wenn wir von kognitiven Enhancern sprechen?
Doch in erster Linie von Substanzen, die Menschen stromlinienförmig im
Arbeitsalltag agieren lassen. Und geht es nicht um Arbeit, so geht es
um die Eliminierung unerwünschter Persönlichkeitseigenschaften; eine
seltsames Phänomen unserer Zeit, die droht, aus jeder kleinen Macke ein
behandlungswürdiges Syndrom zu machen. Hier spielen Psychologen,
Wissenschaftler, Ärzte und Pharma-Unternehmen eine Rolle, sie alle
tragen dazu bei, dass der Katalog der psychischen Krankheiten immer
länger wird. Christopher Lane hat in seinem Buch "Shyness: How Normal
Behavior Became a Sickness" gut beschrieben, welche Kräfte bei der
Transformierung der Schüchternheit in die behandlungswürdige
Sozialphobie am Werk waren.
Noch etwas muss bedacht werden. Der Begriff der
"Kognition" wird im Zusammenhang mit NE so unscharf verwendet, dass
viel gemeint sein kann, praktisch aber nur wenig erreicht wird.
Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit mögen mit diesen Mitteln
zeitweise verbessert werden, die Hoffnung aber, dass damit das
Kurzzeit- oder gar Langzeitgedächtnis gefördert werden können, haben
sich nicht bestätigt.
Vereinfacht gesagt war die Annahme: Weil bestimmte
Medikamente Demenzkranken helfen, müssen sie auch bei Gesunden wirken.
Aber es ist eben ein Unterschied, ob man ein chemisch aus der Balance
geratenes Gehirn wieder zu Normalform zurückleiten will oder aber ein
korrekt funktionierendes Gehirn optimieren möchte. Der Körper scheint
evolutionär bedingt eine recht effektive Balance zu halten, deren
Modifikation von uns als Verbesserung, vom Körper selbst aber als
Störung interpretiert werden kann. Es kann darüber spekuliert werden,
ob die von den Autoren erwähnten Methoden wie Meditation aufgrund ihrer
langer Tradition nicht viel behutsamer und auf lange Sicht effektiver
wirken. Der Körper und sein Gehirn, so lässt sich weiter vermuten, kann
sich an die neuen Prozesse besser gewöhnen und nimmt sie nicht als
Gleichgewichtsstörung wahr, die er auszugleichen sucht.
Antriebsdrogen für die Leistungsgesellschaft
Wie soll nun die Gesellschaft mit NE und seinen pharmakologischen
Substraten umgehen? Die Autoren des Beitrags sehen zunächst den
Einzelnen am Zug. Er soll sich fragen, weshalb er einen Neuro-Enhancer
im Einzelfall einnimmt. Auf die individuelle Redlichkeit zu setzen ist
zwar im liberalen Gemeinschaftsgefüge richtig, aber natürlich ist der
Einzelne in seinen Entscheidungen stark beeinflusst: Nämlich durch die
Rahmenbedingungen der Gesellschaft, in der er lebt. Grenzziehungen der
individuellen Redlichkeit zu überlassen, ist eine Methode, sie
funktioniert nur bedingt in einer Gesellschaft, die im "Schneller,
Höher, Weiter" ihr Seelenheil sieht.
Es ist kein Zufall, dass die im Beitrag diskutierten Substanzen wie
Modafinil und Ritalin eben keine kreativen oder gar spirituellen
Enhancer sind, sondern pure Antriebsdrogen. Ihr transformierendes
Potential ist gering, Kritiker vermuten daher nicht zu unrecht, dass
sie auch deshalb noch nicht in die Schusslinie der drogenpolitischen
Wächter geraten sind. Aber das Geschrei wird groß sein, wenn die erste
bayerische Klassenreise statt auf Wodka-Red Bull auf Modafinil gesetzt
hat. Und dann, so viel lässt sich vorhersagen, greifen nicht die
wissenschaftliche Diskurse, sondern die klassischen Mechanismen von
Schuldzuweisung, Sündenbocksuche und Verteufelung. Spätestens dann wird
auch das Stichwort der "Einstiegsdroge" fallen.
Die Frage ist also, wie man die Fehler und
Verbotsreflexe der herkömmlichen Drogenpolitik verhindert. Noch umwebt
die Neuro-Enhancer ein klinisch reiner Schein, ein Phänomen, das sich
nach dem Abgleiten in den Schwarzmarkt mit seinen hinlänglichen
bekannten Begleitphänomenen sofort verändern würde. Es wären nicht die
ersten Substanzen, die den Weg vom Medikament über den Geheimtipp bis
hin in die Schmuddelecke genommen hätten. Es sind eben primär die
Konsummuster, die jede Substanz, jedes Medikament, ja, jedes Objekt zum
Suchtmittel werden lassen können. Max Goldt wollte nicht nur
herumalbern, als er eine Fiktion von einer alljährlichen Injektion von
reinem Heroin in einer gepflegten Schweizer Bergklinik entwarf, in der
ihm nach mehrtägigem Aufenthalt die Krankenschwestern zum Abschied
winken.
Neuroenhancer Kokain?
Sicher steht es im Rechtsstaat jedem grundsätzlich frei, "über sein
persönliches Wohlergehen, seinen Körper und seine Psyche selbst zu
bestimmen", wie die Autoren schreiben. Nur hat diese Freiheit halt ihre
Schranken, nämlich dort, wo die Freiheiten und Rechte Anderer betroffen
sind. Es ist diese rechtliche Konstruktion, die spezifische
psychoaktive Substanzen auf der Verbotsliste landen lässt, weil ihr
potentieller Nutzen im Vergleich zu ihrem potentiellen
gesamtgesellschaftlichen Schaden als gering beurteilt wird.
Um es mal provokativ zu drehen: Der von manchen Intellektuellen als
Neuro-Enhancer genutzte Wirkstoff Kokain steht deshalb im
Betäubungsmittelgesetz, weil eine Ausbreitung seines Konsums als sozial
zersetzend gilt. Was damit gesagt werden soll? Dass sich an der
Reglementierung und vernünftigen Einbettung des Konsums psychoaktiver
Substanzen die akzeptierende wie konservative Drogenpolitik seit
Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. So entstehen zwar viele Probleme erst
durch die Kriminalisierung der Konsumenten, auf der anderen Seite hören
die Verelendungsprozesse von Heroin-Konsumenten durch die freie
Zugänglichkeit zur Reinsubstanz nicht auf.......usw."
lg
Eule4
"So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."
Felix Kriwin
Felix Kriwin
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