Zum Nachdenken mal was ganz andres: Berlin im Vergleich zu Usbekistan.......

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    • Zum Nachdenken mal was ganz andres: Berlin im Vergleich zu Usbekistan.......

      Quelle: Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol. 2010 Oct 10. [Epub ahead of print]
      Use of psychiatric inpatient capacities and diagnostic practice in Tashkent/Uzbekistan as compared to Berlin/Germany.
      Mundt AP, Fakhriddinov S, Fayzirahmanova M, Aichberger MC, Ivens S, Schouler-Ocak M, Grohmann R, Magzumova S, Heinz A, Sartorius N, Ströhle A.


      Obenstehende Untersuchung hatte eine ganz einfache Fragestellung zugrundegelegt:
      Welche psychiatrischen werden in welchen verschiedenen Kulturkreisen wie häufig diagnostiziert?


      Dazu verglich man psychiatrische Spitäler/Einrichtungen in Berlin mit solchen in Tashkent (Usbekistan).
      Es stellte sich heraus:

      In Taschkent werden wesentlich häufiger diagnostiziert als in Berlin:
      - Schizophrenien (59.3 vs. 21.0% der Diagnosen)
      - "organische psychiatrische Erkrankungen (20.5 vs. 8.3%) (zB nach Schlaganfall, etc....)
      - Intelligenzminderung (6.9 vs. 0.2%)

      In Berlin werden wesentlich häufiger diagnostiziert als in Taschkent:

      Depression (24.1 vs. 0.9%)
      Substanzmißbrauch (Drogen) (17.4 vs. 6.4%)
      Anpassungsstörungen (6.0 vs. 0.4%)
      BIPOLARE ERKRANKUNGEN (5.3 vs. 0.4%)
      sowie Persönlichkeitsstörungen, Angsterkrankungen und schizoaffektive Psychosen.

      persönliches Kommentar:

      Was ist eigentlich interessant an diesen Ergebnissen?
      Was kann man daraus schließen?
      Es ist unwahrscheinlich, daß die verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen in diesen zwei Regionen der Welt tatsächlich in derartig ausgeprägt
      unterschiedlicher Frequenz auftreten - speziell bei sehr stark vererbbaren Erkrankungen (darunter eben auch bipolare Erkrakungen). Wohl zeigen sich hier Unterschiede bei verschiedenen Ethnien (zb evtl. ein kleines bisschen weniger häufig bei AsiatInnen als bei weißen EuropäerInnen), die sind aber eher im "Kommabereich" nach der Prozentziffer.
      Vielmehr dürften hier auch gesellschaftliche Gewohnheiten und Tabus eine große Rolle spielen und die Diagnosestellung stark beeinflussen.
      Das heißt, zb was "bipolar" betrifft, scheint diese Diagnose in Europa schon etwas "akzeptabler" (oder bekannter) zu sein, als in Usbekistan.
      Insgesamt zeigt sich aber auch, daß Diagnosen in vielen Fällen sehr variabel sind und oft "Arbeitshypothesen" darstellen.

      Normalerweise kommt an dieser Stelle in jeder Publikation das Mantra: "More Research is needed" - es braucht noch mehr Forschung dazu, oder, übersetzt:
      So genau wissen wir das noch nicht.



      The present study shows a comparison of diagnoses used for the treatment of urban psychiatric inpatients in Tashkent/Uzbekistan and Berlin/Germany. Differential diagnostic practices related to different traditions in psychopathology between the two settings are analysed to explain part of the difference in relative frequencies of the diagnoses.

      METHODS: We conducted a cross-sectional survey of diagnoses used for the treatment of 845 inpatients including 17 out of 18 wards of the Tashkent psychiatric hospital and of all 2,260 psychiatric and psychotherapeutic inpatients in Berlin in October 2008. Relative frequencies of diagnostic categories were calculated for each setting and compared between the two settings using the Chi-square test. A descriptive analysis of differential diagnostic practice is used to explain differences in relative frequencies.

      RESULTS: Patients diagnosed with schizophrenia (59.3 vs. 21.0%), with organic mental disorders (20.5 vs. 8.3%), with mental retardation (6.9 vs. 0.2%) and with neurasthenia (1.4 vs. 0.0%) had larger relative frequencies of the psychiatric inpatient population in Tashkent than in Berlin. Patients diagnosed with unipolar depression (24.1 vs. 0.9%), substance use disorder (17.4 vs. 6.4%), adjustment disorder (6.0 vs. 0.4%), schizoaffective disorder (4.9 vs. 0.0%), mania and bipolar disorder (5.3 vs. 0.4%), personality disorder (3.2 vs. 2.0%) and anxiety disorder (3.1 vs. 0.1%) had larger relative frequencies in Berlin than in Tashkent. The diagnostic concept of schizophrenia in Tashkent includes patients with affective psychoses, schizoaffective psychoses and delusional disorders. In Tashkent, mental disorders are more readily associated with organic brain disease such as head trauma or vascular disease than in Berlin.

      CONCLUSIONS: In Tashkent, most of the psychiatric inpatient capacities are used for the treatment of schizophrenia and organic mental disorders, whereas in Berlin patients with affective disorders, schizophrenia and substance use disorders are most commonly treated as inpatients. The differences can in part be explained by differential diagnostic traditions between the Russian/post-Soviet nosology and the use of the ICD.
    • @psmmg

      Könnte auch sein dass Bipo in Usbekistan nicht so bekannt ist wie im Westen und deshalb häufig als Schizophrenie diagnostiziert wird...

      Was ich nicht verstehe ist wieso in Usbekistan mehr psychiatrische Störungen nach Schlaganfällen,Hirnverletzungen etc.. diagnostiziert werden als bei uns, normalerweise ist der medizinisch-diagnostische Standard ja bei uns höher?
      Oder liegt das wohl daran dass diese Patienten bei uns erst gar nicht in die Psychiatrie sondern nach Abklärung schon in die Neurologie kommen?


      lg newbie :banana:
    • Nun, erstens geht es ja hier um RELATIVE zahlen (so und so viel prozent aller diagnosen), nicht um absolute (so und so viele diagnosen pro zb 100.000 Einwohner).
      Eine (aber nur eine) mögliche Erklärung, warum dort mehr "organische" Diagnosen gestellt werden ist schlicht und einfach: vielleicht ist das dort "gesellschaftlich" eher akzeptabel, als andere Diagnosen? Einen "organischen" Befund (also zB ein nicht zu hunderprozent astreines EEG oder kleinste Läsionen (Verletzungen) im Gehirn hat wohl fast jeder ab einem gewissen Alter - ob man diese dann als auslösende Ursache sieht oder nicht lässt eventuell manchmal etwas Spielraum.....
    • Eine mir bekannte Krankenschwester

      erzählte mir vor ein paar Tagen, dass sie bei ihrer Ausbildung vor ca. 30 Jahren in einer Psychiatrie gelernt habe, dass die manisch-depressive Krankheit und Schizophrenie dasselbe seien....
      Es scheint mir also, dass da innerhalb der psychiatrischen Zunft auch heute noch eine gewisse Verwirrung herrscht über diagnostische Termini.... ?(

      lg
      Eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin
    • hi kirrumsl...

      Sie wahr später im "normalen Krankenhausbetrieb" beschäftigt...und eine Zusatzausbildung zur "Hygienekrankenschwester" gemacht...also was, um die jährlich 40 ooo Toten durch Krankenhauskeime zu reduzieren...

      lg
      Eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin