heise.de/tp/blogs/8/152815
"
Seit Jahren ist in Österreich das angeblich viel zu niedrige
Pensionsalter im Visier der Politik. Hauptverdächtige neben
"Frühpensionisten" bzw. Frührentnern: die Invaliditätspensionisten. Nun
soll es ernst werden mit "Rehabilitation vor Pension".
Über den Sommer wurde rasch eine Novelle zur Invaliditätspension zur
Begutachtung ausgeschickt. Befristete Invaliditätspensionen für Menschen
unter 50 Jahre sollen prinzipiell abgeschafft werden. Da nur 15% sofort
eine unbefristete Pension bekamen, fallen die meisten unter die neue
Regelung.
Wer eine medizinische Rehabilitation bei der
Pensionsversicherungsanstalt (PVA) macht, soll als "Rehabilitationsgeld"
das erhöhte Krankengeld erhalten, das beim letzten Job zugestanden
wäre. Dumm nur, dass viele aus der Arbeitslosigkeit kommen und der
letzte Job oft viele Jahre zurück liegt (die Inflation wird nicht
berücksichtigt) und mitunter die Firma nicht mehr existiert.
Wer beim Arbeitsmarktservice (AMS) eine Umschulung oder
Wiedereingliederungsmaßnahme macht, erhält zum Arbeitslosengeld, das
55-60 Prozent des Jahresnetto des letzten Jobs ausmacht, immerhin 25
Prozent dazu.
Praktisch für den Staat: Beide Bezüge werden nur 12 mal ausbezahlt
und nicht 14 mal im Jahr wie die Pension. Für viele ein Verlust. Auch
gibt es im Gegensatz zur Pension keine Ausgleichszulage mehr, die die
Bezüge auf 815 Euro (2012) erhöht. Wer weniger Geld bekommt, darf zwar
Mindestsicherung beantragen, müsste aber vorher fast sein gesamtes
Vermögen "verwerten".
Ziel der groß angekündigten Rehabilitation ist nicht die volle
Arbeitsfähigkeit, sondern nur jene für einen Halbtagsjob. Die nach wie
vor teilinvaliden Menschen werden möglichst rasch auf den Arbeitsmarkt
gedrängt, wo sie sich für nicht existenzsichernde Teilzeitjobs verkaufen
sollen. Das Sozialministerium glaubt, nur mehr 10% würden arbeitslos
und alle anderen fänden nach Rehab oder Umschulung eine Arbeit.
"Sozialökonomische Betriebe" sollen verstärkt eingesetzt werden. Diese
sind schon froh, wenn 30% wieder einen Job finden.
Eine Mitwirkungspflicht, auch bei Auswahl und
Planung der Rehab, wird eingeführt. Wer die Zwangsrehab - freie Arztwahl
gibt es nicht - verweigert, dem wird der Bezug für mindestens 6 Wochen
gestrichen. Aufgrund ungeklärter Schnittstellen zwischen PVA,
Krankenkasse und AMS ist die Belehrung über und die Verhängung von
Sanktionen wie viele andere Details auch unklar.
Casemanagement gibt es gleich bei drei Stellen: Krankenkasse, AMS und
die gemeinsame Beratungsstelle fit2work. Fit2work bietet freiwillige
Beratung für Arbeitnehmer an. Daten durften bislang nur mit Zustimmung
gespeichert werden. Diese Zustimmungserklärung wird gekippt, weil diese
die Klienten nur "irritieren" würde. Daten inklusive ärztlicher
Gutachten sollen nun ungefragt an AMS, Krankenkasse, Hauptverband der
Sozialversicherung und ans Bundessozialamt übermittelt werden. Mit der
Vertraulichkeit ist es aus. Krankenkassen erfahren nun, wer das
"freiwillige Angebot" angenommen hat und wer nicht.
Die Qualität ärztlicher Gutachten soll durch ein Kompetenzzentrum bei
der PVA und eine Akademie zur Ausbildung der Gutachter verbessert
werden. Man bleibt aber weiter bei einem technokratisch-medizinischen
Gesundheitsbegriff, bei dem psychisch Kranke, die zuletzt 55 % der neuen
Invaliditätspensionisten ausmachten, kaum noch Chancen haben. Mit
Hundstorfers Mindestsicherung wurde das AMS auch für soziale Randgruppen
zuständig. Jetzt auch für (Teil)Invalide. Das AMS wird so entsprechend
dem neoliberalen Aktivierungs- und Arbeitszwangsregime zur zentralen
Armenpolizei."
Martin Mair
"
Seit Jahren ist in Österreich das angeblich viel zu niedrige
Pensionsalter im Visier der Politik. Hauptverdächtige neben
"Frühpensionisten" bzw. Frührentnern: die Invaliditätspensionisten. Nun
soll es ernst werden mit "Rehabilitation vor Pension".
Über den Sommer wurde rasch eine Novelle zur Invaliditätspension zur
Begutachtung ausgeschickt. Befristete Invaliditätspensionen für Menschen
unter 50 Jahre sollen prinzipiell abgeschafft werden. Da nur 15% sofort
eine unbefristete Pension bekamen, fallen die meisten unter die neue
Regelung.
Wer eine medizinische Rehabilitation bei der
Pensionsversicherungsanstalt (PVA) macht, soll als "Rehabilitationsgeld"
das erhöhte Krankengeld erhalten, das beim letzten Job zugestanden
wäre. Dumm nur, dass viele aus der Arbeitslosigkeit kommen und der
letzte Job oft viele Jahre zurück liegt (die Inflation wird nicht
berücksichtigt) und mitunter die Firma nicht mehr existiert.
Wer beim Arbeitsmarktservice (AMS) eine Umschulung oder
Wiedereingliederungsmaßnahme macht, erhält zum Arbeitslosengeld, das
55-60 Prozent des Jahresnetto des letzten Jobs ausmacht, immerhin 25
Prozent dazu.
Praktisch für den Staat: Beide Bezüge werden nur 12 mal ausbezahlt
und nicht 14 mal im Jahr wie die Pension. Für viele ein Verlust. Auch
gibt es im Gegensatz zur Pension keine Ausgleichszulage mehr, die die
Bezüge auf 815 Euro (2012) erhöht. Wer weniger Geld bekommt, darf zwar
Mindestsicherung beantragen, müsste aber vorher fast sein gesamtes
Vermögen "verwerten".
Ziel der groß angekündigten Rehabilitation ist nicht die volle
Arbeitsfähigkeit, sondern nur jene für einen Halbtagsjob. Die nach wie
vor teilinvaliden Menschen werden möglichst rasch auf den Arbeitsmarkt
gedrängt, wo sie sich für nicht existenzsichernde Teilzeitjobs verkaufen
sollen. Das Sozialministerium glaubt, nur mehr 10% würden arbeitslos
und alle anderen fänden nach Rehab oder Umschulung eine Arbeit.
"Sozialökonomische Betriebe" sollen verstärkt eingesetzt werden. Diese
sind schon froh, wenn 30% wieder einen Job finden.
Eine Mitwirkungspflicht, auch bei Auswahl und
Planung der Rehab, wird eingeführt. Wer die Zwangsrehab - freie Arztwahl
gibt es nicht - verweigert, dem wird der Bezug für mindestens 6 Wochen
gestrichen. Aufgrund ungeklärter Schnittstellen zwischen PVA,
Krankenkasse und AMS ist die Belehrung über und die Verhängung von
Sanktionen wie viele andere Details auch unklar.
Casemanagement gibt es gleich bei drei Stellen: Krankenkasse, AMS und
die gemeinsame Beratungsstelle fit2work. Fit2work bietet freiwillige
Beratung für Arbeitnehmer an. Daten durften bislang nur mit Zustimmung
gespeichert werden. Diese Zustimmungserklärung wird gekippt, weil diese
die Klienten nur "irritieren" würde. Daten inklusive ärztlicher
Gutachten sollen nun ungefragt an AMS, Krankenkasse, Hauptverband der
Sozialversicherung und ans Bundessozialamt übermittelt werden. Mit der
Vertraulichkeit ist es aus. Krankenkassen erfahren nun, wer das
"freiwillige Angebot" angenommen hat und wer nicht.
Die Qualität ärztlicher Gutachten soll durch ein Kompetenzzentrum bei
der PVA und eine Akademie zur Ausbildung der Gutachter verbessert
werden. Man bleibt aber weiter bei einem technokratisch-medizinischen
Gesundheitsbegriff, bei dem psychisch Kranke, die zuletzt 55 % der neuen
Invaliditätspensionisten ausmachten, kaum noch Chancen haben. Mit
Hundstorfers Mindestsicherung wurde das AMS auch für soziale Randgruppen
zuständig. Jetzt auch für (Teil)Invalide. Das AMS wird so entsprechend
dem neoliberalen Aktivierungs- und Arbeitszwangsregime zur zentralen
Armenpolizei."
Martin Mair
"So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."
Felix Kriwin
Felix Kriwin