Hi Jannis,
die Fragwürdigkeit psychiatrischer Diagnostik ist in diesem Forum ja nicht zufälligerweise ein Evergreen. Von den objektiven Schwierigkeiten differentialdiagnostischer Unterscheidungen einmal ganz abgesehen unterliegen die psychiatrischen Diagnosen zu einem nicht unwesentlichen Anteil modischen Trends, was durch empirischen Studien insbesondere in den USA gut bestätigt ist. Diesseits reproduzierbarer und quantifizierbarer Forschungsresultate musste man in den vergangenen 15 bis 20 Jahren den Eindruck gewinnen, dass zunächst die bipolare Depression Hochkonjunktur hatte, worauf das Borderline Syndrom folgte, während in den letzten Jahren 'Burn Out' auf dem Vormarsch ist (wenngleich sie auch als klar abgrenzbare, eindeutig identifizierbare Krankheit von vielen Psychiatern in Abrede gestellt wird).
Deine harsche Kritik an der Psychiatrie kulminiert im letzten Absatz:
Ja, alles andere wäre ja nach der vorausgegangenen Philippika nichts anderes als eine Heuchelei; und das kann man dir nun wirklich nicht vorwerfen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich dir an dieser Stelle noch widersprochen und deine Kritik als über das Ziel hinausschießend und moralisierend relativiert. Leider muss ich dir inzwischen auch in der Radikalität deines Urteils zustimmen, wenngleich ich es auch in eine andere sprachliche Verfassung bringen würde, was ja aber trivial ist. Es gehört doch zu den größten Vorzügen der Spezies Mensch, dass ihre Individualisierung sich im Wesentlichen auch und gerade sprachlich artikuliert.
Allerdings muss um der Wahrheit willen hinzugefügt werden, dass es nicht allein, vielleicht nicht einmal in erster Linie das medizinische Personal der Pychiatrie ist, welches für den (möglicherweise) verheerenden Missbrauch von Medikamenten wie den Neuroleptika zweiter Generation (an erster Stelle Seroquel, aber auch Zeldox oder Zyprexa) oder Benzodiazepinen (die ich trotz ihres Suchtpotentials für weit weniger problematisch als die Neuroleptika halte) verantwortlich ist. Die Pharmaindustrie konzentriert, wie längst bekannt und erwiesen ist, seit geraumer Zeit ihre Marketingkampagnen nicht mehr auf die Ärzte, sondern auf die Patienten und deren Angehörige, zu welchem Zwecke auch Selbsthilfegruppen und Foren systematisch unterwandert werden. Für die Patientenvertreter der von der Pharmaindustrie geschmierten DGBS etwa ist das nichts als eine vulgäre Konspirationstheorie. Wider alle Wahrheit insistieren sie auf der absoluten Unabhängigkeit ihrer Pressure Group von jeglichem kommerziellen Interesse. Wer sich selbst dumm macht, dem ist einfach nicht zu helfen, weshalb es auch nicht den geringsten Sinn hat, sie in immer neuen Anläufen überzeugen zu wollen. Kurz und gut: Vielfach sind es die Patienten (und/oder ihre Angehörigen) selbst, die von den Ärzten geradezu verlangen, mit den Glückspillen von Pfizer oder AstraZeneca behandelt zu werden. Die Manager dieser Pharmakonzerne lassen darob schon mal die Sektkorken knallen. Insbesondere AstraZeneca ist es in den letzten Jahren gelungen, Seroquel als eine der Standard-Medikationen zur Behandlung manisch-depressiver Erkrankungen auf dem Markt durchzusetzen. Dabei geht es nicht um Hunderttausende oder Millionen von Euro, sondern zweistellige Milliardenbeträge.
Das pfeifen die Spatzen inzwischen von den Dächern und eine wachsende Zahl von Psychiatern spielt da nicht mehr mit. Die kritischen Stimmen mehren sich, sind leiden aber immer noch eine verschwondende Minderheit.
Gruß
Laci
die Fragwürdigkeit psychiatrischer Diagnostik ist in diesem Forum ja nicht zufälligerweise ein Evergreen. Von den objektiven Schwierigkeiten differentialdiagnostischer Unterscheidungen einmal ganz abgesehen unterliegen die psychiatrischen Diagnosen zu einem nicht unwesentlichen Anteil modischen Trends, was durch empirischen Studien insbesondere in den USA gut bestätigt ist. Diesseits reproduzierbarer und quantifizierbarer Forschungsresultate musste man in den vergangenen 15 bis 20 Jahren den Eindruck gewinnen, dass zunächst die bipolare Depression Hochkonjunktur hatte, worauf das Borderline Syndrom folgte, während in den letzten Jahren 'Burn Out' auf dem Vormarsch ist (wenngleich sie auch als klar abgrenzbare, eindeutig identifizierbare Krankheit von vielen Psychiatern in Abrede gestellt wird).
Deine harsche Kritik an der Psychiatrie kulminiert im letzten Absatz:
Jannis schrieb:
Abgesehen von einer kurzfristigen Krisenintervention halte ich jeden, der auf Dauer Neuorleptika oder Benzos verabreicht, für eine armseligen ärztlichen Trottel und unnötiges Mitglied der Gesellschaft, dem nicht nur die Approbation sondern ((bei Einsicht in sein unsägliches Tun) auch die Freiheit entzogen werden sollte. - Das meine ich völlig ernst!
Allerdings muss um der Wahrheit willen hinzugefügt werden, dass es nicht allein, vielleicht nicht einmal in erster Linie das medizinische Personal der Pychiatrie ist, welches für den (möglicherweise) verheerenden Missbrauch von Medikamenten wie den Neuroleptika zweiter Generation (an erster Stelle Seroquel, aber auch Zeldox oder Zyprexa) oder Benzodiazepinen (die ich trotz ihres Suchtpotentials für weit weniger problematisch als die Neuroleptika halte) verantwortlich ist. Die Pharmaindustrie konzentriert, wie längst bekannt und erwiesen ist, seit geraumer Zeit ihre Marketingkampagnen nicht mehr auf die Ärzte, sondern auf die Patienten und deren Angehörige, zu welchem Zwecke auch Selbsthilfegruppen und Foren systematisch unterwandert werden. Für die Patientenvertreter der von der Pharmaindustrie geschmierten DGBS etwa ist das nichts als eine vulgäre Konspirationstheorie. Wider alle Wahrheit insistieren sie auf der absoluten Unabhängigkeit ihrer Pressure Group von jeglichem kommerziellen Interesse. Wer sich selbst dumm macht, dem ist einfach nicht zu helfen, weshalb es auch nicht den geringsten Sinn hat, sie in immer neuen Anläufen überzeugen zu wollen. Kurz und gut: Vielfach sind es die Patienten (und/oder ihre Angehörigen) selbst, die von den Ärzten geradezu verlangen, mit den Glückspillen von Pfizer oder AstraZeneca behandelt zu werden. Die Manager dieser Pharmakonzerne lassen darob schon mal die Sektkorken knallen. Insbesondere AstraZeneca ist es in den letzten Jahren gelungen, Seroquel als eine der Standard-Medikationen zur Behandlung manisch-depressiver Erkrankungen auf dem Markt durchzusetzen. Dabei geht es nicht um Hunderttausende oder Millionen von Euro, sondern zweistellige Milliardenbeträge.
Das pfeifen die Spatzen inzwischen von den Dächern und eine wachsende Zahl von Psychiatern spielt da nicht mehr mit. Die kritischen Stimmen mehren sich, sind leiden aber immer noch eine verschwondende Minderheit.
Gruß
Laci
"Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)
"Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
"Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)