.... und über allen Wipfeln ist Ruh?

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    • .... und über allen Wipfeln ist Ruh?

      Hi,
      seit Wochen schon werden kaum noch neue Beiträge zur Diskussion gestellt, selbst Platzhirsche wie - pars pro toto - Eule und Jannis sind "out of duty", was gewiss nicht daran liegen dürfte, dass den beiden und anderen ähnlich beredsamen Mitglieder nichts mehr einfällt. Was also ist geschehen? Oder was geschieht nicht-, mit gleichem Resultat. Nun wird man/frau mir sogleich vorhalten: "Was spekulierst du über andere, du selber hast ja seit August keine Zeile hier geschrieben." Stimmt, und das hat selbstverständlich seine Gründe, gute Gründe, wie ich meine, von zwischenzeitlichen depressiven Phasen mal ganz abgesehen. Nach der Debatte über die Dominanz deutscher Forumsmitglieder und dem Aufruf, die Österreicher sollten sich ihr Forum zurückerobern, hatte ich mir vorgenommen, mich nur noch sehr sparsam hier zu Wort zu melden. Zwar finde ich dieses Kriterium nationaler Herkunft alles andere als überzeugend, aber eine ganze Reihe der besonnenen Forumsmitglieder haben sich in diesem Sinne geäußert, und das wollte ich mir deshalb zur Richtschnur nehmen. Das gelang anfangs auch, aber eben nur anfangs. Dann traten heftige-, nun, Meinungsverschiedenheiten scheint mir nicht das richtige Wort zu sein, es kam zu massiven polemischen Auseinandersetzungen z.B. über die psychiatriegeschichtliche Bedeutung der Laingschen Anti-Psychiatrie und/oder das 'biologistische Paradigma' der zeitgenössischen Schulpsychiatrie. Obwohl ich mir so fest vorgenommen hatte, mich auf diese Form der Auseinandersetzung auf keinen Fall mehr einzulassen, habe ich mich dann doch dazu hinreißen lassen. Zwar kann ich im Kern das, was ich dazu inhaltlich zu sagen hatte, mit gewissen Abstrichen auch jetzt noch unterschreiben, anderes hingegen war nicht nur missverständlich formuliert, sondern auch sachlich äußerst fragwürdig. Wie meist bei derartigen 'ideologischen Grabenkämpfen' gelingt es dann kaum noch, dem Opponenten gerecht zu werden, d.h. seine Argumente sine ira et studio zu untersuchen.

      Ich gebe nur ein Beispiel: Moritz schrieb (sinngemäß), um den Wissenschaftscharakter der von ihm vertretenen Psychiatrie hervorzuheben, wenn eine Hypothese nicht falsifizierbar sei, dann gehöre sie umstandslos auf den Müllhaufen der Wissenschaftsgeschichte. Mein Einwand war, diese hemdsärmelige Art des Popperschen Falsifikationsmus nehme von der wissenschaftstheoretischen/-philosophischen Forschung der letzten Jahrzehnte keine Notiz und führte ernstgenommen zum völligen Missverständnis der Wissenschaftsgeschichte und ihrer Dynamik. Tatsächlich hätte zunächst die Frage geklärt werden müssen: Wie meinen Sie das, Herr Doktor? Interpretiert man den Satz nämlich in einer formalen, schwachen Form dergestalt, dass wissenschaftliche Sätze aufgrund ihrer Form potentiell durch Erfahrung widerlegt werden können müssen, so ist das vollkommen richtig und sinnvoll nicht zu bestreiten. Eine Aussage von der Form: "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist", ist analytisch wahr (für philosophisch Versierte, weil es nichts anderes als eine Tautologie ist), hat aber keinerlei Informationsgehalt. Ein anderes, historisch folgenreiches Beispiel wäre der Kernsatz der faschistischen/nationalsozialistischen Rassenideologie: "In der Geschichte setzt sich immer der Stärkere durch", denn per definitionem ist die "siegreiche Rasse" - wenn man diese Sprache der Unmenschlichkeit verwenden will - die stärkere, q.e.d.

      Wie gesagt wollte ich damit nur den unheilvollen Mechanismus solchen Disputs demonstrieren, was mich (frei nach Wolf Biermann, als er noch Witz und Verstand hatte) zu der Konsequenz geführt hat: Sauf dich voll und fress dich dick, Mensch Laci, halt dein Maul von 'Politik'. Das ist mir in den letzten Monaten nachweislich ganz gut gelungen, denn kein Jota habe ich hier von mir gegeben. 'Irgendwie' aber doch schade, dass seit Wochen derart 'tote Hose' im Forum... Oder nicht?

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Ich vernehm die Worte, allein den Sinn kann ich nicht verstehen ....

      Hi Tobi,
      verstehe leider ganz und gar nicht, was du uns oder mir sagen willst. Aber auch davon wird die Welt nicht untergehen. Vergiss es einfach, wenn du kannst oder willst. Meinem Eindruck nach haben wir in unseren letzten Gesprächen penetrant aneinander vorbeigeredet. Unsinnig, im Hinblick darauf eine 'Schuldfrage' aufwerfen zu wollen. Das haben wir beide zu verantworten und damit basta.

      Um ein Missverständnis von vornherein zu vermeiden, möchte ich freilich noch anmerken, dass unser Disput nichts mit deinem Buddhismus zu tun hat. Die drei großen monotheistischen Religionen lehne ich strikt ab; aus meiner Sicht stellen sie samt und sonders eine miserable Ideologie dar, die gemessen am Erkenntnisstand der modernen Wissenschaften geradezu lächerlich ist. Psychoanalytisch betrachtet handelt es sich bei diesen Religionen um einen kollektiven Wahn, wovon so mancher Psychiater ein Lied zu singen weiß. Bekennende Christen wie die rheinische Frohnatur Manfred Lütz bestätigen unfreiwillig diesen Befund. Immerhin ist es dem gottesfrommen Shrink gelungen, mit dem pseudo-kritischen Buch Irrre! Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Nomalen, 10 [sic!] Auflage 2009, auf die Bestsellerlisten zu gelangen und so manchem Betroffenen-Funktionär Sand in die Augen zu streuen.

      Der Buddhismus steht meinem Urteil nach auf einem ganz anderen Blatt; ich betrachte ihn eher als eine Philosophie, eine Lebenskunst denn eine Religion. Freilich muss ich zugestehen, dass ich diese Philosophie nicht gut genug kenne und viele, viele Fragen an sie habe. An deinem Buddhismus, Tobi, liegt unsere Differenz jedenfalls nicht. Um es kurz und knapp offen auszusprechen: ich mag deine Art nicht ("Laci, erkläre mir mal das System der Psychiatrie in einem Satz" - unschlagbar an dümmlicher Unverschämtheit), die ich abstoßend finde. Und mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

      Gruß
      Laci
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Laci ()

    • Lieber Laci,

      nachdem ich von Dir illustrandi causa als einer derjenigen geoutet worden bin, der hier seit längerem nichts mehr geschrieben hat, will ich Dir die Gründe dafür nennen:

      1. Es geht mir aktuell schlicht sehr gut.

      2. Zwar habe ich hier immer mal wieder mitgelesen, mangels neuer Erkenntnisse aber davon abgesehen, mich dazu zu äußern.

      3. An meiner, wie allgemein bekannt sein dürfte, sehr kritischen Einstellung zur klinischen Psychiatrie hat sich nichts geändert, sie kreiert ganz überwiegend Krankheiten statt sie zu heilen, oder auch nur ein klein wenig zur Linderung beizutragen. Wer über einen längeren Zeitpunkt Neuroleptika und/oder Benzodiazepine verabreicht, hat entweder selbst nicht alle Tassen im Schrank, oder begeht ganz bewusst Körperverletzung. Und wer sich kritiklos in die Klauen dieser vermeintlichen Heiler begibt, ist m.E. restlos verloren, oder kennst Du auch nur einen Patienten, der tatsächlich in einer derartigen Einrichtung nachhaltig kuriert worden ist? - Ich nicht. Um sein Leben und die Qualität desselben muss man sich schon selbst kümmern, das kann man nicht delegieren.

      Zu meiner derzeitigen Lebenssituation: Ich befinde mich im Moment zum Überwintern auf den Kanaren und genieße das herrliche Wetter. Im Sommer habe ich neben meiner Anwaltskanzlei noch eine weitere Firma aufgemacht, die mich - im besten Sinne - ganz schön fordert und überhaupt keine Zeit lässt, über meine Befindlichkeit nachzudenken.

      Seit vielen Jahren hatte ich mit keinem Shrink mehr Kontakt.

      Mein Hausarzt (handelsüblicher Allgemeinmediziner) war ein viel bessere Hilfe. Da mein Hauptproblem schlechter Schlaf war, haben wir solange ausprobiert, bis wir (nach fruchtlosen Umwegen auch über Schlafmittel) den richtigen Medikamenten-Mix gefunden hatten und das ist: 200 mg Opipramol, verteilt auf 50 mg morgens, 50 mg mittags und 100 mg abends, zu der abendlichen Dosis kommen dann noch 7,5 mg Mirtazapin (also Minidosis) hinzu. Damit schlafe ich wie ein Murmeltier meine 8 - 9 Stunden durch, bin tagsüber hellwach, leistungsfähig und guter Laune. Die oft beschriebene Nebenwirkung, davon an Gewicht zuzunehmen, habe ich nicht, ich halte mein Idealgewicht mühelos. Allerdings ist die Libido vermindert, aber das empfinde ich eher als Segen. :verliebt-bett:
    • Guten Morgen Tornas, hi Jannis,
      mag sein, dass ein nicht exakt zu bestimmender Teil der Bipolaren Gemeinde trotz annähernd frühlingshafter Temperaturen in einem Winterschlaf verharrt und dabei auch nicht gestört werden möchte. Jannis jedenfalls, gehört nicht zu diesen Schlafmützen, denn er hat doch klipp und klar erklärt:

      Jannis schrieb:

      Es geht mir aktuell schlicht sehr gut.
      und hat damit an erster Stelle seine Forumsabstinenz erklärt. Da kann ich dich nur beglückwünschen Jannis und mit dir hoffen, dass dieser Zustand möglichst lange anhält.

      Bemerkenswert und buchstäblich fragwürdig ist mir, dass wir jeweils geradezu konträr auf Phasen der Depression bzw. eines (einigermaßen kontrollierten) meinethalben durchaus hypomanen Wohlbefindens zu reagieren scheinen. Gerate ich in eine Depression sind Antrieb, alle meine Interessen, Neigungen und Fähigkeiten schlicht nicht mehr vorhanden, was insbesondere in bezug auf die Musik zu grausamer Geltung kommt. Ich bin dann kaum imstande, eine SMS zu schreiben, weil selbst der banalste Satz meiner 'eigentlchen' Absicht zu widerstreiten scheint. So beherrscht mich dann ein radikaler Zweifel, der alle Selbstverständlichkeiten des Alltags zerstört und mich in einen "leeren Abgrund des Skeptizismus" stürzt. Innerer Zustand und Bezug auf das Forum verhalten sich geradezu spiegelbildlich, wie es scheint.

      Wünsche dir weiterhin alles Gute.

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Laci schrieb:

      Guten Morgen Tornas, hi Jannis,

      ....

      Gerate ich in eine Depression sind Antrieb, alle meine Interessen, Neigungen und Fähigkeiten schlicht nicht mehr vorhanden, was insbesondere in bezug auf die Musik zu grausamer Geltung kommt. Ich bin dann kaum imstande, eine SMS zu schreiben ...

      Laci


      Lieber Laci,

      das halte ich nicht für ungewöhnlich, wenn ich eine Depression habe, bin ich froh, wenn mein gesamtes Tagewerk darin besteht, einen Überweisungsträger auszufüllen. Wie meinst Du das mit der Musik? Ich selbst mache Musik in einer Band, wenn ich schlecht drauf bin, habe ich keinerlei Rhythmusgefühl mehr und spiele nur sehr mechanisch.

      LG

      Jannis

      P.S. Heute habe ich mir einen ziemlich kräftigen Sonnenbrand zugezogen.
    • ich möchte nicht tauschen

      Lieber Jannis,

      ja viele beneiden dich sicher um einen Sonnenbrand - ausser ich - ich bin selbst mal nach zu viel Stress in einem Jänner 2 Wochen nach Gran Canaria geflüchtet und habe dort Farbe bekommen (ich werde sonst nur rot). Die erste Woche habe ich mich dank blosfüssig gehen in den Wellen sagenhaft verkühlt - im Zimmer war es saukalt. Heizung gabs keine. Nur das Buffet war sehr gut.
      Also ich warte hier in Wien noch immer sehnsüchtig auf Schnee - so er denn kommen mag - vielleicht zu Ostern.

      Bei einer schweren Depression - die letzte und schlimmste - Einwurf von Truxal - Duschen war eine Schwerarbeit - was soll man da noch mehr sagen.

      Ich denke die Zeit um den Jahreswechsel ist jeder selbst mit sich beschäftigt und das ist auch gut so.

      Schönen Urlaub noch! Erhol dich gut!
    • Hallo Laci,

      ich lese deine Beiträge immer sehr gerne. Du schreibst mir aus dem Herzen und ich freue mich immer wieder, wenn ich ein Lebenszeichen von dir im Forum sehe.

      Deinem Statement gibt's nix mehr hinzuzufügen. Ich halte mich so kurz, weil ich mich fast schon selbst beim Schreiben meiner Beiträge langweile. Irgendwie isses immer wieder die alte Leier :shocked: .

      Alles Liebe
      j&n
    • mit monotheistischen Religionen haben wir es beide nicht. Worte können auf die Wahrheit hinweisen, aber sie nicht nicht die Wahrheit.
      (Sonst wird es dogmatisch) "Liebe und tue dann was Du willst." Dieser Satz kommt für mich an die durch Worte ausgesprochene Wahrheit,
      wenn er denn verstanden und verinnerlicht ist, am nächsten heran.

      Nietzsche sagte das Worte immer eine Lüge sind und nannte als Beispiel, das schon von Bäumen zu sprechen eine irrsinnig ist.
      weil kein Baum dem anderen gleicht.

      Es war nicht in meiner Absicht, dich in irgendeiner Form mit der Frage zu verärgern oder mich grenzüberschreitend zu verhalten.
      Meine Frage war tatsächlich sachlicher Natur,- ich wollte von Dir wissen, wie Du "das Psychiatriesystem" empfindest und
      evtl. auch, was Dir dabei näher ist und was nicht so. Von Deiner Reaktion dann, war ich überrascht.
      Es tut mir leid, wenn Du den Eindruck hattest, das ich mich Dir gegenüber irgendwie respektlos verhalten habe,
      dies war bestimmt nicht in meiner Absicht und daher sorry.

      LG an Alle*

      Tobi
    • Stand der Dinge

      Hi j&n, Jannis und Tobi,
      zunächst einmal möcht ich euch für eure Beiträge danken. Das vergangene Jahr war für mich eine einzige Katastrophe: lediglich gut zwei Monate existierte ich so, dass mit Fug und Recht von Leben zu sprechen war. Das waren die Momente, da ich mich auch hier wieder zu Wort meldete und wider besseres Wissen und wider bessere Absicht auf Kontroversen einließ, die buchstäblich der Gesundheit nicht gerade förderlich sind. Ich bin erst vor zwölf Tagen aus dem 'stummen Reich der Schatten' ins Leben zurückgekrabbelt, und zwar nach üblichem Muster, nämlich drei hintereinander durchwachten Nächten, in denen dann auch wieder der unstillbare Hunger nach und die Empfänglichkeit für Musik zurückkehrte. Obwohl diese Form des 'Switches' in den letzten 17 Jahren insgesamt 60 bis 70 mal erlebte, erschien es mir noch jedesmal, und diesmal ganz besonders, wie ein Wunder. Meinen Freunden sagte ich, das ist die Endkrise, da komme ich nie wieder heraus, ich werde nie wieder Musik hören, machen können, nie wieder konzentriert ein Buch lesen können, nie wieder auch nur eine halbwegs vernünftige Zeile schreiben können, nie wieder ein schönes Gespräch führen können et patati et patata... Ihre Reaktion war absehbar, und ich selbst hätte Dritten gegenüber auch nichts anderes gesagt: Du weißt doch aus Erfahrung, dass du noch jedesmal aus der Depression herausgekommen bist, und so wird es auch diesmal geschehen. Dazu habe ich geschwiegen, aber bei mir gedacht: Wenn ihr wüsstet, wie es in mir aussieht, würde euch dieser Optimismus gründlich vergehen! Nun sind meine Freunde helle und feinfühlig genug, um nach vollzogenem Switch nicht aufzutrumpfen: Siehst du, wir haben's doch gleich gesagt.

      Äußerst dringlich stellt sich selbstverständlich die Frage, wie soll es mit mir weitergehen. Ich hatte mich im Frühjahr des vergangenen Jahres nochmals auf eine medikamentöse Kombitherapie eingelassen, und zwar mit Lithium und Lamotrigin. Meine Ärztin sagte, ihrer langen Berufserfahrung nach sei Lithium immer noch das bei weitem beste, Erfolg versprechende Medikament, auch wenn es bei einer großen Zahl von Patienten nicht anschlägt. Einer meiner besten Freunde ist Psychiater. Er vertrat die Auffassung, eine Monotherapie mit Lithium sei in meinem Falle (Bipolar II, rapid cycling) wenig aussichtsreich, wohingegen die Kombination mit Lamotrigin weitaus zweckmäßiger sei; und zwar nicht zuletzt deshalb, weil mein Neffe mit exakt der gleichen Differentialdiagnose die besten Erfahrungen mit Lamotrigin gemacht hat, trotz eines anstrengenden Berufsalltages seit Jahren stabil ist und ein gutes Leben führt. Also habe ich mich darauf eingelassen, wobei meine Ärztin mir ins Gewissen redete, ich müsse aber auch an den Erfolg der Therapie glauben, sonst werde das nix. Das hörte ich nicht zum erstenmal. Nur: wie macht man das? Ich wenigstens kann meine Zweifel nicht wie einen alten Hut an die Garderobe hängen. Dennoch habe ich brav ca. ein halbes Jahr die beiden Medikamente geschluckt, unangenehme Nebenwirkungen stellten sich ein, waren aber nicht so quälend, dass ein Abbruch des Versuchs zwingend gewesen wäre.

      Gewiss, viele Psychiater vertreten die Auffassung, das Lithium müsse man sich schon ein Jahr zumuten, bevor definitiv darüber zu urteilen ist, ob es wie erwünscht wirke oder nicht. Ich habe nach einem halben Jahr abgebrochen, weil ich keinerlei Hoffnung mehr auf einen (durchschlagenden) Erfolg der Medikamente hatte. Hinzu kam, dass die unangenehmen Nebenwirkungen eher zu- denn abnahmen. Mehr und mehr fühlte ich mich von meinem Gefühlsleben abgespalten und in meinen kognitiven Fähigkeiten beschränkt, wobei zugeben muss, dass ich nicht scharf zu unterscheiden vermochte, was dem Lithium, was der Depression geschuldet war.

      Kurz und gut, die Preisfrage ist, welche Möglichkeiten bleiben mir noch, da nun (auch nach Auffassung meiner Psychiater) die medikamentöse Therapie ebenso wie die Psychotherapie ausgereizt sind. Zwar habe ich ein paar Ideen, aber den Königsweg wird es wohl nicht geben.

      Eigentlich wollte ich in diesem 'Posting' noch auf jeden von euch, j&n, Jannis und Tobi individuell eingehen, was mir aber jetzt zu viel wird. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

      Schöne Grüße aus Berlin
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Hallo Laci,

      deine Zeilen haben mich tief bewegt und ich wünsche mir so sehr, dass du dir nicht selbst die Schuld für deinen Gesundheitszustand zuschreibst. Du zeigst so viel Reflexionsfähigkeit, Intelligenz und Einfühlungsvermögen, dass ich mir sicher bin, dass du als Experte deiner selbst auch deinen Weg finden wirst.

      Ich wünsche dir von ganzen Herzen alles Liebe und dass du dich selbst, ganz tief in deinem Innersten annehmen kannst und du möglichst bald für laaaaange Zeit deine Wärme, die du anderen zuteil werden lässt auch für dich empfinden kannst. :2herz:

      glg j&n
    • Lieber Laci,

      es wird Dir nichts nutzen, wenn ich Dir hier meine Einschätzung spiegele, nach der ich Dich für einen hochintelligenten und -differenzierten Menschen halte. Das meinte der Chefarzt auch zu mir, als ich zwangsweise eingetütet worden bin. Von Intelligenz kannst Du Dir zwar, wenn sie richtig kanalisiert wird, zwar was kaufen, Du kannst es aber nicht genießen. Demgemäß habe ich auch die Begeisterung meines Psychiaters dämpfen müssen, weil ich ja nun gerade nicht wegen einer Intelligenzminderung diese merkwürdige Einrichtung aufsuchen musste, sondern weil meine Umwelt nicht mehr mit mir zurecht kam.

      In depressiven Phasen (eine Manie hatte ich allenfalls einmal im Leben) habe ich mein Leben in depressiven Phasen als ein rein vegetatives Geschehen apostrophiert. Meine hauptsächlichen somatischen Beschwerden waren unerträgliche Magenbeschwerden und Schlaflosigkeit. Hier stellt sich natürlich die Huhn-/Eifrage, denn wer kann schon mit Schmerzen und fehlendem Schlaf (die Traumverarbeitung halte ich für restlos unterbewertet) psychisch auf der Höhe sein?

      Was sind bei Dir die leitenden Beschwerden????? Wenn Du diese Frage beantworten kannst, sollte sich eine therapeutische Antwort finden lassen. In meinem Fall sind dies zwei Antidepressiva, nämlich Mirtazapin (nur 7,5 mg. abends) und Opipramol und eben keine Schmerz- und auch keine Schlafmittel. Jetzt schlafe ich wieder durch, habe keine Magenschmerzen mehr und bin tagsüber voll leistungsfähig.
    • Hi Jannis,
      mit dieser Selbststilisierung der Heiligen Familie der Bipoalren Gemeinde habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht. Meines Erachtens nützt das niemandem etwas. Zwar ist es schön, wenn jemand über eine besondere Denkkraft verfügt, um sich und uns die Welt zu erklären. Aber Intelligenz ist kein Wert an sich; ich habe während meines langen Berufslebens (immerhin gehörte ich hier zum alten Eisen) eine ganze Reihe hochintelligenter Menschen kennengelernt, bei denen ich noch nach einem ersten kurzen Gespräch am liebsten schreiend davon gelaufen wäre. Wenigstens in Deutschland ist der akademische Betrieb ein einziger Scheisshaufen, sodass man sich wundert, welch grandiose wissenschaftliche Leistungen trotzdem immer wieder erarbeitet werden. Dass es in der Wissenschaft keineswegs um die lauterste Suche nach der Wahrheit geht, lässt sixh anhand der Medizin glasklar aufweisen; darüber ist genug gestritten worden, und es hat keinen Sinn die alten Schlachten neu zu schlagen. Wer sich eben partout blind macht gegen die gesellschaftliche Verwurzelung der Medizin wie jeder anderen (Natur-)Wissenschaft, dem ist nicht zu helfen. In Wahrheit geht es hier natürlich um Karriere, den Zugang zu Forschungsgeldern, soziales Prestige, die Implementierung medizinischer Institutionen wie sich an der Geschichte der Psychiatrie sehr klar ablesen lässt. Hier ist insbesondere auf die Arbeiten des französischen Gelehrten Michel Foucault zu verweisen (Wahnsinn und Gesellschaft, die Geburt der Klinik, die Macht der Psychiatrie, Überwachen und Strafen, Sexualität und Wahrheit, hinzu kommen inzwischen sorgsame editierte Vorlesungsmitschriften, Essays und Artikel). Dem Feld-Wald-und-Wiesen-Psychiater sind solche Forschungen nichts als ein Dorn im Auge. Der will nur eins: dass man ihm, als dem Experten gefälligst nicht ins Handwerk pfusche, sondern seine bis zur Lächerlichkeit kleinteiligen, mit viel Tamtam in die Welt posaunten neuen Erkenntnisse bewundernd anerkenne; denn auch diesen detaillierten Forschungen ergebe sich allmählich eine immer klares Bild der vielfältigen Erscheinungsformen der manisch-depressiven Erkrankungen. Schließlich ist hinter dem Potpourri von 'Aspekten' der Gegenstand glorreich zum Verschwinden gebracht. Außerdem weigert sich der um seine Karriere ringende Psychiater die Gesetze der Logik anzuerkennen. Nun ist zwar, wie Kant sagte, die Logik kein Organon der Wahrheit, d.h. mittels noch so subtiler logischer Überlegungen lassen sich nie und nimmer erfahrungswissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen. Vielmehr, so Kant, sei die Logik ein Leitfaden des Vernunftgebrauches (zentral der Satz vom Widerspruch: Wer Sätze formuliert, die einander widersprechen, sagt eben nichts.)

      Nein, Jannis, ich sehe keinen Sinn darin, einen exklusiven Zirkel besonders intelligenter manisch-depressiver ins Leben zu rufen. Wer das will, soll es meinethalben tun. Ich jedenfalls gehöre nicht dazu. Ich habe vor Jahren in der SHG an der Charité Berlin-MItte ein Leidensgenosse, mit dem ich mich angefreundet hatte, sich fortgesetzt als Alpha-Tier vermarktete, dessen Erkrankung seiner Einschätzung nach eben daraus resultierte, dass ihm die Anerkennung seiner außerordentlichen intellektuellen Begabung verweigert. Auch er wollte mich als 'Alpha-Tier' eingemeinden, wogegen ich mich strikt wehrte, was dann letztendlich auch zum Bruch zwischen uns führte. Bei der vorletzten Bundestagswahl kandidierte er im Wahlkreis Wedding ('roter Wedding, grüßt euch Genossen, haltet die Fäuste bereit, haltet die proletarischen Reihen geschlossen, dann ist der Tag nicht mehr weit, dann steigt aus den Trümmern der alten Gesellschaft die sozialistische Weltrepublik' - man weiß nicht so recht, ob man weinen oder lachen soll.) Nun war mein Freund J.K. alles andere als ein Linker, aber der unerschütterlichen Auffassung, dass er das Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Wedding mit klarem Vorsprung gewinnen werde. Gewonnen hat er 'natürlich' gar nichts, aber eine ganze Menge verloren, wie ihr euch werdet vorstellen können...........
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • ....... Ich will deiner Frage, Jannis,

      Jannis schrieb:

      Was sind bei Dir die leitenden Beschwerden????? Wenn Du diese Frage beantworten kannst, sollte sich eine therapeutische Antwort finden lassen
      nicht ausweichen. Es scheint aber auf der Hand zu liegen, dass du mithilfe der von dir genannten Anti-Depressiva ganz gut über die schlimmen Zeiten der Depression kommst. Wenn überhaupt, dann lässt sich nur Venlafaxin eine gewisse antriebssteigernde Wirkung zuschreiben. Freilich waren bei mir die unangenehmen Nebenwirkungen (extremer Bluthochdruck, starke Schmerzen bei den Ausscheidungen) derart gravierend, dass meine Ärztin diese Therapie nicht mehr verantworten wollte. Wie ich ja bereits erwähnte, hat sich bei mir der 'Switch', der Ausgang aus der Depression, seit Mitte 1997 immer nach dem gleich Muster vollzogen: mehrere spontan durchwachte Nächte, in denen die Welt wieder voller Musik zu klingen begann. Selbstverständlich ist es nicht so, dass ich einfach beschließen muss: So, heute bleibe ich wach, und dann stellt sich das gewünschte Resultat auch ein. Derart einfach ist es nun leider nicht. Ich kann es nur laienhaft beschreiben: in meinem Innersten muss etwas vorbereitst sein, um eine Chance zu haben. Früher glaubte ich, in der Agonie der Depression passiert nicht das Geringste an psychischer Dynamik; es sei ein Zustand, der dem Tod sehr nahe komme. HIn und wieder habe ich in der Vergangenheit auf mein Lieblingsgedicht, Hölderlins, Diotima bezug genommen. Er wusste haargenau, wovon er spricht, nicht wahr?


      Diotima

      [Bruchstücke einer älteren Fassung]



      Lange tot und tiefverschlossen,

      Grüßt mein Herz die schöne Welt,

      Seine Zweige blühn und sprossen,

      Neu von Lebenskraft geschwellt;

      O! ich kehre noch ins Leben,

      Wie heraus in Luft und Licht

      Meiner Blumen selig Streben

      Aus der dürren Hülse bricht.



      Die ihr meine Klage kanntet,

      Die ihr liebezürnend oft

      Meines Sinnes Fehle nanntet

      Und geduldet und gehofft,

      Eure Not ist aus, ihr Lieben!

      Und das Dornenbett ist leer,

      Und ihr kennt den immertrüben

      Kranken Weinenden nicht mehr.



      Wie so anders ist's geworden!

      Alles was ich haßt und mied,

      Stimmt in freundlichen Akkorden

      Nun in meines Lebens Lied,

      Und mit jedem Stundenschlage

      Werd ich wunderbar gemahnt

      An der Kindheit goldne Tage,

      Seit ich dieses Eine fand.



      Diotima! selig Wesen!

      Herrliche, durch die mein Geist,

      Von des Lebens Angst genesen,

      Götterjugend sich verheißt!

      Unser Himmel wird bestehen,

      Unergründlich sich verwandt

      Hat, noch eh' wir uns gesehen,

      Unser Wesen sich gekannt.



      Da ich noch in Kinderträumen,

      Friedlich wie der blaue Tag,

      Unter meines Gartens Bäumen

      Auf der warmen Erde lag,

      Da mein erst Gefühl sich regte,

      Da zum erstenmale sich

      Göttliches in mir bewegte,

      Säuselte dein Geist um mich.



      Ach und da mein schöner Friede,

      Wie ein Saitenspiel, zerriß,

      Da von Haß und Liebe müde

      Mich mein guter Geist verließ,

      Kamst du, wie vom Himmel nieder

      Und es gab mein einzig Glück,

      Meines Sinnes Wohllaut wieder

      Mir ein Traum von dir zurück.



      Da ich flehend mich vergebens

      An der Wesen kleinstes hing,

      Durch den Sonnenschein des Lebens

      Einsam, wie ein Blinder, ging,

      Oft vor treuem Angesichte

      Stand und keine Deutung fand,

      Darbend vor des Himmels Lichte,

      Vor der Mutter Erde stand,



      Lieblich Bild, mit deinem Strahle

      Drangst du da in meine Nacht!

      Neu an meinem Ideale,

      Neu und stark war ich erwacht;

      Dich zu finden, warf ich wieder,

      Warf ich meinen tragen Kahn

      Von dem toten Porte nieder

      In den blauen Ozean. -



      Nun, ich habe dich gefunden!

      Schöner, als ich ahndend sah

      In der Liebe Feierstunden,

      Hohe Gute! bist du da;

      O der armen Phantasien!

      Dieses Eine bildest nur

      Du, in deinen Harmonien

      Frohvollendete Natur!



      Wie auf schwanker Halme Bogen

      Sich die trunkne Biene wiegt,

      Hin und wieder angezogen,

      Taumelnd hin und wieder fliegt,

      Wankt und weilt vor diesem Bilde

      ...

      ...

      Hab', ins tiefste Herz getroffen,

      Oft um Schonung sie gefleht,

      Wenn so klar und heilig offen

      Mir ihr eigner Himmel steht,

      Wenn die Schlacken, die mich kümmern,

      Dieses Engelsauge sieht,

      Wenn vor meines Friedens Trümmern

      Dieser Unschuld Blume blüht;



      Habe, wenn in reicher Stille,

      Wenn in einem Blick und Laut

      Seine Ruhe, seine Fülle

      Mir ihr Genius vertraut,

      Wenn ihr Geist, der mich begeistert,

      An der hohen Stirne tagt,

      Von Bewundrung übermeistert,

      Zürnend ihr mein Nichts geklagt.



      Aber, wie, in zarten Zweigen,

      Liebend oft von mir belauscht,

      Traulich durch der Haine Schweigen

      Mir ein Gott vorüberrauscht,

      So umfangt ihr himmlisch Wesen

      Auch im Kinderspiele mich,

      Und in süßem Zauber lösen

      Freudig meine Bande sich. [/quote]


      Am Ende noch ein musikalischer Betthupferl. Sage aber bitte nicht, Jannis, schon erstaunlich, was die alten Herren aus einer simplen Blues-Nummer machen. Denn erstens ist das kein Blues, zweitens siehst du in einigen Großeinstellungen, was Mark Knopfler mit der rechten Hand macht. Das sieht, wie immer wenn es einer zur Meisterschaft gebracht hat, spielend leicht aus; ich versichere dir aber, diese Technik, die Knopfler selbst entwickelt und mittels dessen seinen vollkommen einzigartigen, unverwechselbaren Sound kreiert hat, ist sauschwer, und nur ganz wenige beherrschen diese Technik des Gitarrenspiels.

      Money For Nothing

      Gute Nacht und schöne Träume, wie man in Ungarn zu sagen pflegt.
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Laci ()

    • Lieber Laci,

      endlich kommt mal wieder etwas drive in die Diskussion.

      Ja, Knopfler ist einer der Größten!

      Hier mein Favorit: Stevie Wonder mit einer mehr als gelungenen Cover-Version von Spain (Herbie Hancock)

      youtube.com/watch?v=Q3VJOl_XeGs

      Genieß´ es, ich habe mir die Finger wund gespielt und kann es immer noch nicht in der Qualität von Stevie Wonder und Latoya Jackson nachspielen.

      Aber zurück: Du hättest mich gründlich falsch verstanden, wenn Du meinst, ich würde der Intelligenz auch nur irgendeinen Wert beimessen, oder dass diese der BS immanent sei. Ich fühle mich keineswegs einem Zirkel zugehörig, der eine geistige Überlegenheit auf dem Schild vor sich her trägt. Deshalb ist mir die Fokussierung der Psychiater auf diesen Aspekt auch völlig unbegreiflich. Da sind wir völlig einig.

      Mir geht es um die Qualität des Erlebens und die hat mit der geistigen Ausstattung nicht das mindeste zu tun.

      Der Irrtum, dem ich bei meinen früheren Versuchen, mich zu medikamentieren, aufgesessen war, dass ich aufgrund meiner Teilnahmslosigkeit ("Losigkeit" sollte bei der Beschreibung der Symptome einer Depression durchaus als Oberbriff verwendet werden) davon ausgegangen war, an einer Minus-Symtomatik zu leiden. Daher habe ich es mit Präparaten versucht, die aufputschen als sedieren. Das war ein fataler Fehler, denn tatsächlich leide ich an einer Plus-Symptomatik, die sich nur nicht in sinnvolle Bahnen kanalisieren ließ, daher fühlte sich das ganze an, als würde ich zu irgendetwas getrieben, nur fehlte das Objekt.

      Wer weiß, vielleicht ist das bei Dir genauso??? - Man fühlt das anhand starker innerer Unruhe und schlechtem Schlaf. Bei mir kamen noch Magenschmerzen hinzu.
    • Lieber Jannis,
      auf die Scnnelle nur eine kurze Antwort. Ich hatte dich nicht derart missverstanden, dass du Menschen, die an einer BS leiden, eine besonders ausgeprägte Intelligenz zuschreiben wolltest. Du weißt aber so gut wie ich, dass dieser Irrglaube von der außerordentlichen Intelligenz und Kreativiät Manisch-Depressiver zu den Lebenslügen der Heiligen Familie der Bipolaren Gemeinde gehört. So ganz beiläufig wird dann schon mal eingestreut, dass man/frau einen IQ von über 135 habe, wobei dieses Leute ihre Borniertheit gleich mit veröffentlichen, da sie die Verfahren zur Bestimmung von Intelligenz für bare Münze nehmen. Wenigstens in dieser Hinsicht scheint es eine Übereinstimmung mit Moritz zu geben. Wenn ich mich recht erinnere, sieht auch er diese Selbststilisierung äußerst kritisch, was sich aber leicht recherchieren ließe. Nur nebenbei sei angemerkt, dass bei alledem diejenigen systematisch aus dem Blick geraten, die 'sozialen Unterschichten', 'bildungsfernen Kreisen' zugehören und soziolinguistisch betrachtet - technisch gesprochen - einen 'restringierten Sprachcode' haben. An die denkt hier kaum eine Sau, obwohl sie es ungleich schwerer haben, mit ihrer Krankheit zurechtzukommen. In unseren Kreisen wird es kaum noch einen Deppen geben, der einem Depressiven zusammenscheißt, er solle sich nicht so anstellen, anderen falle es auch nicht leicht, jeden Tag in der Frühe aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen et patati et patata. Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, was einem an schwerer Depression leidenden in einer Arbeiter- oder Kleinbürgerfamilie widerfährt.

      Du sagst

      Jannis schrieb:

      Mir geht es um die Qualität des Erlebens und die hat mit der geistigen Ausstattung nicht das mindeste zu tun.
      Dass Denk- und Erinnerungsvermögen sowie ästhetischer Sinn nichts mit der "Qualität des Erlebens" zu tun haben, überzeugt mich nicht. Womöglich hast du es aber so auch nicht gemeint. Nur ein Beispiel: Musikalität ist ein Geschenk - und wenn ich die drei großen monotheistischen Religionen nicht radikal ablehnte, so würde ich sagen -, Musikalität ist ein Geschenk des Himmels. Nochmals sei an Nietzsches einzigen Satz, den ich vorbehaltlos unterschreiben kann, erinnert:

      Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum Voilà!

      Ich glaube schon, dass derartige sagen wir Talente die Intensität des Lebens steigern. Warum die einen damit im Übermaß gesegnet sind, anderen davon kaum etwas in die Wiege gelegt ward-, u.a. daran allein schon scheitert jeder Versuch, das Theodizee-Problem zu lösen, worunter klassischerweise die Rechtfertigung Gottes angesichts der Übel in der Welt verstanden wird. Gewisse Filiationen der christlichen Kollektivpsychose haben daraus eine Tugend gemacht. In der sog. Prädestinationslehre sind reiche Naturgaben wie materieller Wohlstand Anzeichen dafür, dass Gott dem Betreffenden vorab seine Gnade habe zuteilen werden lassen. Eine blödere Metzgerphilosophie kann es kaum geben-, außerdem stimmt, man sollte den ehrenwerten Berufsstand der Fleischhauer nicht derart in Verruf bringen.

      Wünsche allseits ein schönes und gutes Wochenende

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Eine der wahrscheinlich am häufigsten gestellten Fragen, ob Genie und Wahnsinn dicht beieinander liegen hat mir eine Psychiaterin einmal so beantwortet: "Nein, keineswegs, aber bei einem Intelligenten merkt man, wenn er anfängt Unsinn zu erzählen, bei einem Dummen ist es halt nur anderer Unsinn." - Etwas überspitzt, aber im Kern mag da was dran sein. Im übrigen teile ich Deine Einstellung zu dieser auch aus meiner Sicht völlig überbewerteten Thematik.

      Zum Glauben (warum spielt der in psychiatrischen Kreisen bloß eine solch große Rolle?) mag ich mich nicht äußern, da ich ungläubig bin. Ich halte alle Religionen letztlich für ein Ordnungssystem, die den Menschen ein gedeihliches Zusammenleben ermöglichen soll, also quasi eine vorkonstitionelle Gesetzeslage. Was Prediger daraus machen und ob das ganze noch zeitgemäß ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.
    • D'accord, Jannis, ich würde nur anmerken wollen, das Thema Genie und Wahnsinn ist von ganz anderer Art und Ernsthaftigkeit als die Selbstbeweihräucherung der Heiligen Bipolaren Gemeinde. Die genialen Mathematiker Gödel und Nash litten an schweren Psychosen. Von BS - ätsch - keine Spur.
      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Wie Du weißt, halte ich von den ganzen psychiatrischen Diagnosen nicht gerade besonders viel und ich empfinde sie sogar als extrem gefährlich, weil es so bequem ist, sich darauf auszuruhen und darauf einzurichten. Außerdem sind sie fast immer falsch, wenigstens aber schief. Man hat einen Katalog an Symptomen, der im multiple-choice Verfahren abgearbeitet wird. Wenn man dann 10 von 20 Fragen mit "ja" beantwortet, hat man BS, sind es 15/20 soll das dann eine Schizophrenie sein. So ähnlich läuft das in der Praxis. Ein anderer Katalog führte bei mir - unter Ausschluss aller anderen Diagnosen - zu ADHS im Erwachsenenalter - an einer Uniklinik.

      Bei entsprechender Fragestellung würde man vermutlich ebensogut "Alkoholiker", "Triebtäter" oder "narzistische Störung" attestieren. Mir jedenfalls ist jede Berufsgruppe suspekt, die den "Psych." im Titel trägt.

      So gesehen verliert man die Bestimmung über sich selbst, wenn man sich eine dieser Fremd-Diagnosen zu eigen macht. - Ich lehne das ab, weil ich mich der Gesellschaft, die mich umgibt, nicht entziehen mag. In der Zwangsklapse war ich der einzige Patient, der voll berufstätig war, meine Mitpatienten hatten fataler Weise die Herrschaft über sich selbst an andere delegiert, es waren "Berufskranke". Das Fatale ist, dass man bei diesen Patienten kaum mehr erkennen kann, was tatsächlich intrinsische Einschränkung ist und was Nebenwirkung der verabreichten toxischen Stoffe.

      Abgesehen von einer kurzfristigen Krisenintervention halte ich jeden, der auf Dauer Neuorleptika oder Benzos verabreicht, für eine armseligen ärztlichen Trottel und unnötiges Mitglied der Gesellschaft, dem nicht nur die Approbation sondern ((bei Einsicht in sein unsägliches Tun) auch die Freiheit entzogen werden sollte. - Das meine ich völlig ernst!