Kritik der hemmungslosen Anwendung von Neuroleptika nimmt international zu

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Kritik der hemmungslosen Anwendung von Neuroleptika nimmt international zu

      Hi,
      ebenso wie in Deutschland weitet sich die Kritik an der ungehemmten Verschreibung von Neuroleptika der ersten und der zweiten Generation auch in Großbritannien und den USA aus. Hier wie dort versucht die Schulpsychiatrie allein schon die Diskussion darüber zu verhindern, und zwar unter fadenscheinigenden Vorwänden. Die dümmste Rechtfertigung der Unterdrückung einer notwendigen Diskussion: Sie verunsichere die Patienten. Dass diese der massiven, aggressiven Propaganda der Pharmakonzerne und ihrer willigen Helfer in den Reihen des medizinischen Personals ausgesetzt sind, daran hat die Schulpsychiatrie hingegen nichts auszusetzen.

      Dr. Joanna Moncrieff is a Senior Lecturer in psychiatry at University College London and a practising consultant psychiatrist. She has written articles critical of various psychiatric drug treatments, including lithium, antidepressants and neuroleptics. She has also written about the adverse influence of the pharmaceutical industry on psychiatry. She is one of the founders and the co- chair person of the Critical Psychiatry Network, a group of psychiatrists who are critical of biological models of psychiatric distress and opposed to increasing coercion of psychiatric patients.

      Dr Moncrieff’s research consists of an analysis of all aspects of psychiatric drug treatment, including subjective experiences, history of drug treatment, a critique of evidence for drug treatments, theoretical perspectives on psychiatric drug treatment, and political aspects of drug treatment, including work on the influence of the pharmaceutical industry. She is also interested in the nature and function of diagnosis in modern psychiatric practice, and in the history, politics and philosophy of psychiatry more generally. She has written three books: The Bitterest Pills, published by Palgrave Macmillan, The Myth of the Chemical Cure, published by Palgrave Macmillan, and A Straight Talking Introduction to Psychiatric Drugs, published by PCCs books.
      In dem hier verlinkten Artikel kritisiert sie die Prxis der pharmakologischen Therapie, wie sie in der gegenwärtigen Psychiatrie gang und gäbe ist

      Kritik an der exzessiven Verschreibung von Neuroleptika breitet sich aus

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Es wäre ja in der Tat begrüßenswert, wenn das ein allgemeiner Trend wäre. Als ich vor vielen Jahren zwangsweise eingetütet war, hatte ich die Einnahme von Neuroleptika gänzlich verweigert, lediglich ein weitgehend harmloses Schlafmittel wollte ich schon mal haben ("Zolpidem"). Auch da wollte man mir die Aushändigung des Beipackzettels verweigern, weil ich sichergehen wollte, dass man mir dieses Teufelszeugs nicht unterschiebt. - Im Ergebnis hat man mir den Waschzettel aber zähneknirschend gegeben.

      Ich kann nur jedem, der nicht mit Neuroleptika oder Benzodiazepinen behandelt werden will, empfehlen, schriftliche Verbote zur Patientenakte zu reichen. Am ersten Morgen meines Aufenthalts, war die Patientenakte jedenfalls prall gefüllt mit Verboten: keine Medikation, keine Fixierung, keine Entbindung von der Schweigepflicht, keine Zustimmung zum Aufenthalt, keine Übernahme der Kosten durch mich (das wurde dann richtig teuer für die Klinik) - ich habe später Akteneinsicht genommen, es wurde nichts entfernt, im Bedarfsfall hätte ich also sogar Urkundenbeweis führen können, ansonsten wäre mir der Zeugenbeweis ebenfalls möglich gewesen.

      Wohl auch deshalb hat man mich in der Klinik wie ein "rohes Ei" behandelt. Ach ja "Klinik": Ich weiß gar nicht, weshalb es in diesen Einrichtungen aussehen muss wie in der "Bronx" nach einem Erdbeben. In "meiner" Klinik konnte man sich nirgendwo hinsetzen, weil irgendein anderer Insasse die Bestuhlung bereits mit seinem Urin markiert hatte, die Fensterflächen wurden nur bis auf Augenhöhe gereinigt und die Zimmer waren heillos überbelegt, wenn man von den Patienten auf dem Gang einmal absieht.

      Es war in der Frühstücksrunde mit der Stationsärztin auch nicht gerne gesehen, wenn man auf die Frage nach der Befindlichkeit mit "Ganz hervorragend, bis auf die Zustände in dieser Klinik" antwortete.
    • Compliance? - Macht euch frei von diesem Schwindel

      Hi,
      im Gegensatz zu dir, Jannis, habe ich mit meinen Ärztinnen und Ärzten - von einigen allerdings äußerst unangenehmen Ausnahmen abgesehen - durchweg gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht. Keine/r von diesen hat mir je bestritten, dass die letzte Entscheidung über jedwede Form von Therapie bei mir liegt. Das heißt selbstverständlich nicht, dass sie mir nach dem Munde redeten. Des öfteren war ich mit meinen Ärzten unterschiedlicher Meinung, hin und wieder kam ich rückblickend zu dem Resultat, es wäre besser gewesen, ihrem Rat zu folgen. Aber es gab auch des öfteren auch den umgekehrten Fall, dass meine Psychiaterin mir erklärte, retrospektiv könne sie meine damalige Entscheidung z.B. wider ein bestimmtes Medikament oder eine spezielle Psychotherapie gut verstehen und respektieren.

      Freilich bin ich in diversen Kliniken und von manchen Ärzten, von denen ich mich dann aber schleunigst abwandte, mit der Forderung nach 'compliance' konfrontiert worden. Wie schon mehrfach betont, ist dieser Begriff mit 'Willfährigkeit' durchaus angemessen ins Deutsche übersetzt. Im Alltag der Psychiatrie heißt das vor allem eins: der Patient hat sich gefälligst dem dem laufenden Betrieb anzupassen, wofür in erster Linie das Pflegepersonal Sorge trägt. Den behandelnden Arzt kommt der Patient ohnehin im Durchschnitt einmal pro Tag für fünf bis zehn Minuten zu Gesicht. Dann ist er, der Patient, aus den Augen, aus dem Sinn, ein Datensatz in der Datenbank, mit welcher der Arzt in seinem Zimmer Medizin betreibt. Das Pflegepersonal ist hingegen während der ganzen Schicht mit den Patienten konfrontiert und reagiert auf Störungen deshalb in der Regel äußerst empfindlich. Was den Betrieb stört, stört die Routine und das Zeitbudget ist aus Kostengründen durch und durch ökonomisiert. Zeit für ein Gespräch mit Patienten ist, selbst wenn seitens des medizinischen Personals die Bereitschaft dazu, manchmal sogar der Wunsch danach vorhanden ist, die Zeit reicht dafür einfach nicht aus, allein schon wegen des Zwanges, jeden Handgriff zu dokumentieren. Deshalb ist es gang und gäbe, unruhige Patienten mittels einschlägiger Medikamente ruhig zu stellen, in extremen Fällen zur offenen Gewalt zu greifen in Form des Fixierens etwa.

      Wie Jannis rät, ist es sehr, sehr wichtig vor einem stationären Aufenthalt möglichst genau in einer Patientenverfügung schriftlich festzulegen, welche Therapien auf keinen Fall zur Anwendung kommen dürfen. Aber vorsicht: in stationärer Behandlung befindet man/frau sich normalerweise in einem krankhaften Zustand. Von der (Hypo-)Manie brauchen wir hic et nunc nicht zu sprechen; die hat in sich so viel an freilich potentiell unvernünftigem Widerstandsgeist, dass der Verzweiflungsruf des medizinischen Personals: ''compliance, compliance, wo bleibt denn nur die compliance?' meistens auf taube Ohren stößt. Denn ein wesentliches Kennzeichen der Manie ist ja gerade, dass die Fähigkeit zum Dialog, Gründe und Gegengründe mittels vernünftiger Abwägung zu betrachten, zusammengebrochen ist.
      Ganz anderes verhält es sich im Zustande der mittleren oder schweren Depression, die durch eine generelle Gefühls- und Denkhemmung charakteristiert ist. In solchen Situationen kann ein eloquenter Arzt dem Patienten nahezu alles aufschwätzen, was er für richtig hält, von Seroquel bis zur EKT. Das mag im Einzelfalle ja auch indiziert sein; nur der Patient ist in seinem Zustande nicht mehr imstande, kritisch zu prüfen, ob das seiner Gesundheit tatsächlich förderlich ist oder - wie bei der EKT - an Körperverletzung grenzt. In solchen Situationen spielt der Arzt dann seinen Joker, die Forderung nach 'compliance' aus. Die kommt auf leisen Sohlen daher etwa so: "Sie sind jetzt in einem Zustand, da Sie selbst keine Entscheidung treffen können. Deshalb vertrauen Sie uns, wir verfügen über die notwendige Erfahrung, um auch Ihnen helfen zu können. Vertrauen Sie uns einfach. Wir wollen nur, dass es Ihnen wieder besser geht." Ich stelle nicht in Abrede, dass dieser Wunsch auf seiten des medizinischen Personals tatsächlich gegeben ist. Ich ziehe aber vehement in Zweifel, dass diese Vorgehensweise dem Patienten tatsächlich hilft. Mein Rat deshalb, und da scheine ich mich mit Jannis zu treffen, habt acht: Lasst euch keine Willfährigkeit aufnötigen. Auch ein Manisch-Depressiver bleibt für sich selbst verantwortlich, und diese Selbstverantwortung kann keine Arzt auch nur temporär gegen das vage Versprechen eintauschen, das sei zum Nutzen und Frommen des Patienten.

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Es ist sicher zutreffend, was Laci schreibt: Sowohl in der Manie wie auch in der depressiven Phase leidet die Klarheit der Gedankenführung und man kann dann manchmal nicht sicher entscheiden was gut für einen ist und was nicht. Ich habe hier ein weiteres Netz eingebaut: Meine engste Freundin, die ich schon seit meiner Jugend habe, ist Neurologin. Sie kennt mich in- und auswendig, besser als jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Ich lasse nur sie entscheiden, was an Therapie stattfindet, weil ich ihr fachlich und menschlich restlos vertraue, bei ihr bin ich also - und das völlig freiwillig - "complient"

      Im übrigen halte ich die compliance ebenfalls für ein Todschlagargument, hat mich immer an die Androhung eines Klassenbucheintrags in der Schule erinnert, worauf ich schon damals nichts gegeben habe.
    • Huhu ihr,

      also bisher hätte ich nicht gedacht, dass Ärzte etwas darauf geben, was man in besseren Zeiten der Erkrankung als Willen verfasst. Aber scheinbar halten sie sich ja doch daran- womöglich in der Angst später ein Verfahren an den Hals zu bekommen.
      Ich z.B. möchte in einer schwiewigen Phase nicht mit Neuroleptika zugeschüttet oder mit Lithium beglückt werden und ähnliches. Da bin ich scheinbar nicht die Einzigste.
      Daher würde ich gerne eine Patientenverfügung verfassen. Im Netz kursieren zwar diverse Vordrucke, aber ich habe kein Jura studiert und kann nicht beurteilen, welche davon was taugen und im Zweifelsfall tatsächlich als rechtskräftig gelten würden. Mir ist aber wichtig, dass das Ding in Krisenzeiten seinen Zweck auch erfüllt. Als meine Mutter ins Koma fiel und zur Debatte stand, ob man die Geräre abschaltet, wurde nach einer Patientenverfügung gefragt und da stieß ich ein weiteres Mal darauf, dass es durchaus Probleme mit einer Patientenverfügung geben kann und eben nicht alles geklärt und der Wille des Patienten anerkannt wird. Vielleicht Jannis, kannst du an dieser Stelle ein paar Tipps geben oder auf einen link verweisen, der ein Modell für eine gute Patientenverfügung ist, mit dessen Hilfe man dann seine eigene "entwerfen" kann *lieb guck* :scheinheilig:

      Liebe Grüße, dass Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.
    • Hallo Nüssli,

      das ist wirklich nicht mein Fachgebiet. Ich selbst habe eine Patientenverfügung und mache mir keine Sorgen, dass man sich daran auch halten wird. Darin ist enthalten, was man alles mit mir nicht machen darf und eine namentlich genannte Freundin (Neurologin) bei Zweifelsfragen die Letztentscheidung hat. Das haben wir gegenseitig vereinbart, d.h. wenn ihr etwas zustoßen sollte, entscheide ich. Das ist zwar etwas ungewöhnlich, aber ich bin mir sicher, dass diese Kontrollinstanz allen Beteiligten mehr Sicherheit gibt.
    • Hm das ist sicher eine klasse Sache mit dieser Art Rückversicherung. Blöderweise kenne ich niemanden, dem ich zutrauen würde, dass er meinen Willen vertreten kann. Der Einzigste, der das gekonnt hätte, ist mein ehemaliger Arzt, der heute in einer ganz anderen Stadt, viele hundert Kilometer weit weg lebt und arbeitet. Das ist natürlich recht unpraktisch. Ach da grauselt es mir ganz besonders, dass man den nächsten Angehörigen heranziehen würde- in dem Fall mein Bruder. Der ist total anti-Psychiater, Anti-Psychiatrie und Therapie und überhaupt sei ich ja gar nicht bekloppt und soll bloß nix von den Pillen nehmen, da wird man komischen (doof) von im Kopf. Ich sehe das etwas anders (meine Behandler auch)- also eine wenig tauglische Person für so einen Job. Er ist so jemand, dem man gegenüber nicht mal was in der Richtung auch nur minimal erzählen kann, denn flippt er gleich aus und wehrt das alles ab. Vielleicht weil er Angst hat auch eines Tages bipolar zu sein. Man will ja nie werden wie sene Eltern, nicht wahr.... Gott behüte! Da würde ich ja sonst in diesem Leben noch Trinker werden...bei DEN Eltern.


      LG, das Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.