Buchempfehlung - Der Sinn meiner Psychose

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    • Danke, liebe Leute! Ihr wisst nicht, weshalb ich mich bedanke?

      Nun, weil Ihr mir einen Spiegel vorgehalten habt, denn auch ich neige stark zum Theoretisieren und vergesse darüber bisweilen das Handeln. Schaut man sich die epische Breite des vorstehenden Diskurses an, sagt mir das zumindest eins: Die Ressource Zeit steht nur einmal zur Verfügung und die habt Ihr darauf verwendet, Eure Texte zu ersinnen und nieder zu schreiben. Andere - wahrscheinlich teils notwendige - Handlungen konntet Ihr kaum gleichzeitig erledigen. Bitte nicht falsch verstehen oder gar als Vorwurf, ich mache es ja genauso. Und selbst wenn ich nicht schreibe, denke ich und zwar kompliziert, so dass ich meiner (völlig intakten) Frau damit gehörig auf den Zwirn gehe. Und fast alle diese Gedanken drehen sich um die eigene Befindlichkeit, also eigentlich nichts, was erfreulich wäre. Und das Denken führt auch zu keinen Lösungen, von vermeintlichen Erkenntnissen kann ich mir nichts kaufen. - Ich habe daher beschlossen wieder mehr zu handeln.

      Das Buch, um das es hier geht "der Sinn meiner Psychose" werde ich daher nicht lesen, denn selbst wenn es bestenfalls die implizierte Frage beantwortet, bin ich lediglich um eine Erkenntnis reicher, um Zeit aber ärmer, die ich sicher sinnvoller einsetzen könnte. Würde die Frage anders gestellt, nämlich "die Ursache meines Psychose" würde ich vielleicht ins Regal greifen. Ich hatte vor 8 Jahren eine Phase, die von Fachkreisen als "Manie" bezeichnet wurde und von mir rückblickend als Psychose gewertet wird. - An eines erinnere ich mich genau, nämlich an dieses unerträgliche Gedankenkarussel, das sich einfach nicht abstellen ließ. Schwer zu sagen, ob dieser unerträgliche Schwall an Gedanken lediglich Begleitmusik oder Ursache für diesen Zustand war, hilfreich war er jedenfalls nicht.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Jannis ()

    • Hallo Jannis,

      was du nun praktizierst nennt man Recovery, darum geht es eigentlich in der ganzen Diskussion, neben der Sinnfindung und das betreibe ich gleich auch, denn ich gehe gleich zur Arbeit.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Liebe Heike,

      dadurch, dass man ein englisches Wort benutzt, bekommt die Sache kein größeres Gewicht, es führt allenfalls zu einem Verständnisproblem. Gutes Beispiel ist die hier so oft ins Feld geführte "Compliance", die in der Betriebswirtschaft eine andere Bedeutung hat als in der Medizin. Letztlich bedeutet es "Regelkonformität", hat aber in der Psychiatrie eher die Bedeutung von "Gehorsamkeit" - wer würde sich darauf schon einlassen? Also verbrämt man das mit einer anlizisme.
    • Worunter leiden wir?

      Die Frage impliziert, finde ich jedenfalls, das es etwas äußeres ist "worunter" wir leiden.
      Ich möchte es etwas einfacher gestalten und fragen

      Wann leiden wir?

      Wir leiden wenn wir irrationalen Gedanken anhängen.
      In der Diskrepanz, zwischen unserem Denken und der Wirklichkeit leiden wir.

      [i]"Von den Dingen stehen die einen in unserer Macht, die anderen nicht,"[/i]
      schrieb schon Epiktet vor 2000 Jahren.

      In unserer Macht steht unser Denken, unser Tun
      das ist unser Einflußbereich.

      Sich mit dem Wörtchen "sollte" in den Angelegenheiten anderer einzumischen,
      führt unweigerlich zu Schmerz.

      Nicht die Dinge selbst machen uns das Leben schwer, sondern unsere
      "mußdiktatorischen" Vorstellungen, wie etwas zu sein hat.

      Dabei werden oft tatsächlich wünschenswerte Anliegen in den Rang
      von zwanghaften Forderungen gestellt, die unbedingt erfüllt werden müssen,
      widrigenfalls wir uns abgelehnt, schlecht, wertlos, klein, mies und unwert fühlen.

      Natürlich fühlen wir uns auch so, wenn wir diese diktatorischen Forderungen
      an uns selbst (unterbewußt) stellen. Der Mensch ist suggestibel und wir haben
      in der Regel eine ganze Menge Schmarn übernommen, wie wir und "es" sein sollte
      und wir wir nicht sein sollte.

      Irrational und kraftlos sind diese diktatorischen Züge deshalb, weil die Unbedingtheit
      mit der dieses Denkmuster brodelt, wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat,
      denn auch so, leben wir weiter.

      Der Schmerz der durch den Widerspruch dessen entsteht was ist und was sein soll,
      ist ein Geschenk uns wieder der Wirklichkeit anzufreunden. Der Kampf mit dem was ist,
      kann man nicht gewinnen.

      Es mag nicht jeder verstehen, was ich gerade schreibe, wem es wirklich interessiert
      und vor allem ab vom theoretischen, praktisch Schmerzen auflösen möchte,
      der lese das Übungsbuch "Gemeinsam Lieben" von Moritz Boerner.

      Ungute Gefühle sind immer ein Zeichen, das wir uns im Streit mit der Wirklichkeit befinden,
      mit dem was ist.

      Ich glaube, das Menschen, die mit großer Annahme und Selbstliebe gesegnet sind,
      ein gutes Leben haben.
      Nun haben wir das nicht alle in die Wiege bekommen. Unser Gefühlskompass ist
      nicht wirklich mittig auf uns selbst ausgerichtet. Folglich geraten wir an Menschen,
      die meinen, sie wüßten es besser, als wir selbst - siehe "Regelkonformität"
      in der Psychiatrie.

      Galileo Galilei sagte, das die Ratschläge die Ihm Eltern und Lehrer gaben sicherlich gut gemeint waren,
      und [i]"Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken."
      [/i]
      Normalerweise kann man sich bei seinem Gefühlskompass darauf verlassen, simpel gesagt,
      was sich gut anfühlt ist gut, was sich schlecht anfühlt ist nicht der richtige Weg.

      Ich bin mir sicher, das die Manie, sehr viel näher an der Wahrheit ist, als Depression.
      In der Schulpsychiatrie ist Depression krank und Manie auch krank.
      Nun hat man also wenn man sich gut fühlt, als auch wenn man sich schlecht fühlt,
      immer die Arschkarte? Ist es eine Gefahr, die das Selbstvertrauen in sich schwächt,
      wenn man sich einreden läßt, sich schlecht zu fühlen ist krank und sich gut zu fühlen auch?
      Kann mir das mal jemand erklären -[b] Moritz?![/b]

      Nun denke ich das es gerade im Hinblick auf den Gefühlskompass wichtig ist,
      selbst mittig und zentriert ausgerichtet zu sein. Okay.
    • Open Dialog

      Hi,
      wie es scheint, gibt es - angeregt von dem Versuch einer Neuorientierung der Psychiatrie in Finnland - in den USA Bestrebungen, durch die Konzeption des Open Dialog aus der Sackgasse der biologistischen Schulpsychiatrie herauszukommen. Dabei spielen die Motive, die Heike in diesem Thread exponiert hat, eine zentrale Rolle. Interessant scheint mir in dieser Hinsicht der Beitrag von Mary Olson, Ph.D.
      Anatomy of Dialogue: Mary Olson, PhD is director of the Institute for Dialogic Practice and a lecturer and trainer in the fields of family therapy and community psychiatry. She co-leads the Open Dialogue study at the University of Massachusetts Medical School where she is an assistant professor in psychiatry.

      Olsons Skizzierung des Konzepts des Open Dialog ist hier nachzulesen:

      Open Dialog

      Das liest sich doch ganz anders als die unter dem Imperativ 'compliance' geforderte Unterwerfung unter die Zumutungen der herrschenden Psychiatrie und die institutionalisierte Heuchelei des 'Trialogischen Modells'. Das aber ist meine Zutat.

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Hallo Laci,

      wenn du mal zu dem "Westlappland-Projekt" googlest, wirst du da in dieser Richtung ebenfalls fündig. Hier ist die deutsche Zusammenfassung von dem Open-Dialog-Verfahren in Finnland pinel-online.de/fileadmin/user…angepasste_Behandlung.pdf . Dazu passend kann ich ebenso das Buch "Dialoge in Netzwerk" empfehlen.

      In Hamburg wird in der Integrierten Versorgung bereits diese "Dialog-Form" angewendet und die Techniker-Krankenkasse kann schon einen Trend vermelden, der eine Hospitalisierung tatsächlich entgegenwirkt und es für sie sich "kostengünstiger" auswirkt. Die Studie, bzw. Studien laufen aber noch. Ich selbst habe nicht nur in der EX-IN-Ausbildung einiges über Open-Dialog gehört und die darin vorkommende Form des "Reflecting-Teams" geübt, sondern auch eine zusätzliche Fortbildung im letzten Jahr wahrgenommen. Der positive Effekt konnte schon allein in dieser Fortbildung an einem praktizierten "Beispiel" erfahren werden.

      Die Studien in Skandinavien haben gezeigt, dass sie damit gerade bei "Psychose-Ersterkrankten" einen großen Erfolg erzielten, unter wenig bis gar keinem Einsatz von Neuroleptika. Und dort wo sie Neuroleptika einsetzen, diese in Niedrigdosierungen und zeitlich begrenzt einsetzen. Die Kontrollgruppe unter Leitlinienstandard schnitt mehrheitlich schlechter ab, als jene, die unter dem Systemischen Ansatz, mit Einbeziehung des sozialen Netzwerkes in absoluter Transparenz behandelt wurden. Diese konnten nach 2-5 Jahren wieder in ihren alten "Beruf" oder in die Ausbildung oder ins Studium zurückkehren. Die nach Leitlinie Behandelten waren eher der Verentung "ausgesetzt".

      Interessant nur, dass hier im "Westen" diese Herangehensweise bisher noch kaum Beachtung gefunden hatte. Ich hoffe, dass durch die EX-IN-Ausbildung und den Einsatz von Peer-Beratern und Genesungsbegleiter, auch dieser Ansatz mehr und mehr an Bedeutung bekommt.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • positives-denken schrieb:


      Hermann Göring wurde nach der Machtergreifung 1933 von Hitler aus einer Psychiatrie geholt, wo er kurz davor noch in Zwangsjacke war.


      Das habe ich nochmal nachgelesen: Es war mir zwar bekannt, dass der einen an der Klatsche und auch dass er eine ausgeprägte Morphiumsucht hatte. Allerdings war er wohl bereits 1927 zwangsweise eingetütet worden, also lange vor der Machtergreifung durch den verhaltensauffälligen Giftzwerg. Letzterem werden übrigens bis heute von Psychiatern ebenfalls allerlei Krankheiten nachgesagt: Psychose, Borderline-Störung, Schizophrenie und natürlich auch die manische Depression, abhängig von psychotropen Substanzen soll er auch gewesen sein. - In einer netten Gesellschaft bewegen wir uns da.... Und was ist, wenn er einfach nur ein Arsch war?

      Nach meiner Beobachtung hat sich am heiteren Rätselraten um psychiatrische Diagnosen bis heute nicht das mindeste geändert. Jeder fabuliert einfach mal so vor sich hin, es ist ja eh nichts nachprüfbar, Hauptsache der Patient bekommt irgendeinen Stempel. Wen schert es dann schon groß, das eben dieses Etikett den Patienten stigmatisiert? Meine Diagnose bipolar zu sein, hatte eingangs übrigens ein Orthopäde (!), der sich mit Knochen zweifelsohne gut auskennt, gestellt, das ist dann im weiteren Gefolge von Psychiatern kritiklos nachgeplappert worden, es gab keine erneute Anamnese oder Untersuchung.
    • Marshall B. Rosenberg, Dr. der klinischen Psychologie hat gesagt,
      der Unteschied vor und nach seinem Studium war,
      das er die Leute die sich nicht so verhalten haben
      wie er es für richtg gehlalten hat
      vor seinem Studium "Arschloch" genannt hat
      und nach dem erfolgreichen Abschluß
      konnter er sie "Psychopath" nennen.
      (Für diesen nichtigen Unterschied braucht es natürlich kein Studium)

      Diagnosen sind Instrument der Abgrenzung eines
      Individuums zu einem anderen.
      Dieses Vorgehen lenkt von der Tatsache ab,
      das wir alles miteinander verbunden und somit
      unteilbar sind.

      Eine Freundin bei der ein Psychiater eine Muliple Persönlichkeit unterstellte,
      sagte zu Ihm. "Welche Ihrer Persönlichkeiten hat das gerade gesagt?"


      LG Tobias

      “Ein menschliches Wesen ist Teil des Ganzen, das wir Universum nennen,

      ein in Raum und Zeit begrenzter Teil.

      Es erfährt sich selbst, seine Gedanken und Gefühle als abgetrennt von allem Anderen –

      eine Art optischer Täuschung seines Bewusstseins.



      Diese Täuschung ist für uns eine Art Gefängnis, das uns auf unsere eigenen Vorlieben

      und auf die Zuneigung zu wenigen uns Nahestehenden beschränkt.

      Unser Ziel muss es sein, uns aus diesem Gefängnis zu befreien,

      indem wir den Horizont unseres Mitgefühls erweitern,

      bis er alle lebenden Wesen und die gesamte Natur in all ihrer Schönheit erfasst...


      Albert Einstein

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