Diagnose: Bipolar!

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    • Zaubernuss schrieb:


      Zum Thema Medikamente: Ich kenne durchaus Leute, die total gerne Pillen schlucken, weil das sozusagen das Symbol ihrer Krankheit ist. Eine Krankheit, durch die sie einen sehr hohen Krankheitsgewinn haben (z.B. finanzielle Vorteile durch Schwerbedinderung, günstige betreute Wohnung, günstiges Essen und Arbeit in Reha-Einrichtung, besondere Leistungen der Krankenkasse, vieles abgenommen bekommen, bekümmert und umsorgt und in-Watte-Gepackt-Werden...habe da letztens wen mit Parkinson kennengelernt, der das gerade zu zelebriert...)

      Grüße, das Nüssli
      Hmmmm... ich schlucke insofern "gerne" Medis, weil ich das Gefühl habe, dass sie mir helfen. Ich bin weder stolz darauf noch verspüre ich einen großen "Krankheitsgewinn" -- ich habe zwar einen Behindertenpass, den ich, wenn es möglich ist, auch einsetze, aber es heißt noch lange nicht, dass ich meine Krankheit zelebriere...
      "Perhaps this final act was meant, to clinch a lifetime's argument
      That nothing comes from violence and nothing ever could
      For all those born beneath an angry star
      Lest we forget how fragile we are..." (Sting)
    • Nein!!!!! Doch nicht du! Das sagt mein Beitrag nicht aus! Um Gottes Willen!!! Das hast du falsch verstanden!!!!

      Ich meinte auf keinen Fall, dass Leute, die ihre Pillen schlucken, weil sie das für richtig halten, das auch gerne machen. (Ich handhabe das ja selber so)

      Ich berichtete über jemanden, der durch echten Krankheitsgewinn zu sehr an all die Vorteile gewohnt ist (und vor allem damit angibt und sich auch dahinter versteckt, wenn es um unangenehmes geht) und die Medikamente gerne schluckt, weil das sein Kranksein unterstreicht und es ihn irgendwie anmacht, dass er so extrem teueres Zeug verordnet bekommt, wo jede Pille was weis ich kostet und er erwirkte auch einen Aufenthalt in einer speziellen Privatklinik zum Einstellen auf die Medis, was eigentlich nicht zwingend notwendig gewesen wäre. Man hätte das bei einem Spezialisten auch ambulant machen können (zumal die Erkrankung noch ganz am Anfang ist und quasi nur in einem speziellen bildgebenden Verfahren sichtbar).
      Er z.B. bräuchte gar nicht so viele Prozente auf seine Schwerbehinderung, hat aber den Arzt so lange beschwätzt, dass er ein entsprechendes Gutachten geschrieben hat. Warum? Weil du ab einem bestimmten Prozentsatz keine Autosteuer mehr bezahlen musst. Gegenfrage: Sollte denn jemand, der so krank ist, wie er angibt, überhaupt Auto fahren? Ich sag mal so: eigentlich rät der Arzt jedem anderen, er solle den Führerschein ganz abgeben. Das ist es was ich meine. Ich weis nicht, ob ich das jetzt gut veranschaulichen konnte.
      Und wenn er einen besucht, dann nervt er einen die ganze Zeit mit seiner Erkrankung. Alles wird auf die Erkrankung zurückgeführt und darauf geschoben und er macht alle ganz kirre wegen der Einnahme und nimmt sie vor den Augen anderer und der Medidosierer wird gleich mal bei Ankuft mitten im Wohnzimmer geparkt- für alle sichtbar. Dann wird noch erzählt, wieviel das alles kostet und wie toll das ist, dass er so teures Zeug bekommt usw. Es ist wirklich anstregend, wenn einfach jedes Blessierchen (selbst eine banale Müdigkeit) darauf zurückgeführt wird, stattdass man erstmal was viel naherliegendes als Ursache annimmt, z.B. schlecht geschlafen.

      Ich hör mal auf, bevor wir ganz vom Thema abweichen. Aber dieselbe Konstellation hab ich auch schon bei einem Bipolaren aus der SHG erlebt, die ich früher geleitet habe-allerdings hatte der auch Substanzmissbrauch in der Vorgeschichte und ich glaube das ist das, was es ausmacht. Die finden es einfach generell toll, sich was einzuwerfen. Er war immer ganz aus dem Häuschen, wenn er noch was oder was anderes verschrieben bekommen hat. Mir persönlich sehr supekt. Ich konnte mich irgendwann nicht mal mehr überwinden das Seroquel zu schlucken, weil ich so Hemmungen hatte und die Sedierung nicht ertrug.

      Grüße, das Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.
    • Hallo Nüssli,

      ja, solche Menschen gibt es auch und es ist bekannt, dass es den sogenannten Krankheits- oder Leidensgewinn gibt. Für manche Menschen ist es sogar zum Lebensinhalt geworden, sie sitzen in den Wartezimmern der Ärzte und erzählen sich gegenseitig die heftigsten Storrys über ihre Leiden. Und für einige ist es eine gute Möglichkeit die Selbstverantwortung abzugeben und alles auf die Krankheit zu schieben.

      Dabei kann dieses Phänomen zu zwei möglichen Reaktionen führen, bzgl. Medikamente. Die Einen finden es immer Besser, je teurer und futuristischer ein Medikament oder eine Behandlungsmethode ist, um die Außergewöhnlichkeit und die Schwerer der mitleidserregenden Krankheit zu unterstreichen. Sie wollen Aufmerksamkeit. Die Anderen möchten gar nicht wirklich von ihrem Leiden befreit werden, nehmen also deshalb evtl. keine Medis, damit sie nicht in die Selbstverantwortung kommen müssen. Sie können auch regelrecht Angst haben, dass ihnen dann evtl. die Zuwendung abhanden kommt, die sie mit ihrem Leiden aber bekommen.

      Aber wenn wir diese "Gattungen" der Leidensgewinnler mal außen vor lassen, gibt es natürlich andere Fragen, Bedenken, Hoffnungen etc. bzgl. Medikamente. Meiner Meinung nach ist es gut, kritisch zu hinterfragen, möglichst nach dem Motto leben, "so viel wie nötig und so wenig wie möglich". Ganz klar gibt es in der Behandlung leider viel zu oft auch die medikamentösen "Kanonen" die auf "Spatzen" schießen und nicht selten ist dies leider auch der Profitgier geschuldet.

      Doch hier im Forum würde ich vorsichtig sein, alles nur auf "Profitgier" zu schließen, einen Menschen, der gerade mit der Diagnose konfrontiert ist, noch weiter zu verunsichern, denn wir können hier wohl schlecht wissen, was alles dazu führte, warum zum Beispiel zwei Ärzte bei Melli die bipolare Störung diagnostizierten. Setzt jemand durch solch eine Verunsicherung seine Medikamente ab, weil ihm hier vielleicht auch noch eingeredet wird, dass wer Medikamente nimmt, eben "Konservativ" ist und es eben eine "Einstellungssache" ist, bei dem kann es zu ungeahnten Konsequenzen führen. Es wird keiner umhin kommen, seinen eigenen Weg zu finden, der wird sehr individuell sein und es ist keine Schande Medikamente zu nehmen und man muß sich deshalb nicht "krank" fühlen, weil man sie nimmt.

      Viele Grüße Heike

      PS: Ich bin weder stolz darauf, Medikamente zu nehmen, noch schäme ich mich, sie zu nehmen. Zur Zeit helfen mir die Medikamente + Selbsthilfestrategien etc. pp. mein Leben wieder mit mehr Lebensqualität zu leben. Dafür bin ich dankbar!
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Heike, Daumen hoch, ein super Beitrag, auf Facebook würde ich dir ein dickes Like dafür geben!
      :goodjob: :goodjob: :goodjob:
      Und Nüssli, keine Angst, ich wollte nur klarstellen, dass ich nicht so bin -- ich habe aber nicht angenommen, dass du hier verallgemeinern willst...
      Mich macht es eigentlich immer sehr betroffen, wie viel Geld ich die Krankenkasse koste -- wenn ich meine Medis abhole, steht auf dem Zettel neben der Rezeptgebühr auch der Originalpreis..
      Aber zu meiner Ärztin gehe ich eigentlich sehr gerne, sie hat mir viel geholfen und ich rede einfach gern mit ihr. Es gibt Leute, die gleich eine größere Menge Medis verschreiben lassen, um möglichst lange nicht zum Arzt gehen zu müssen, ich hole lieber meine Dosis für 6 Wochen ab (ist eh auch viel genug...), mich stabilisiert es, wenn ich meine Ärztin regelmäßig sehe. Außerdem mache ich zur Zeit wieder keine Psychotherapie -- es ging mir eigentlich gut und sie hat den Platz gebraucht. Aber fünfzehn Minuten Gespräch mit meiner Ärztin bringt mir mehr, als regelmäßig eine Stunde Psychotherapie in der Woche!
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    • Du, für so'n Gespräch braucht man nicht Medizin oder Psychologie studiert zu haben. Ein guter Freund oder andersweitig Vertrauter könnte so eine Funktion theoretisch auch übernehmen. Friseure machen sowas ja auch quasi nebenberuflich =) Jetzt weiste, warum die Leute so gern zum Friseur gehen. Ach und bei dem was ich an Psychiatern schon über die vielen Jahre ausprobiert habe, denk ich manchmal, dass man da bei einem guten Bekannten besser aufgehoben gewesen wäre.
      Na ja die Besuche beim Arzt geben dem Ganzen so eine Art offziellen Rahmen. Vielleicht funtkioniert es deshalb so gut. So'n bisschen wie beim "weiße Kittel-Effekt", nur das Psychiater ja eh meistens keinen anhaben. Hauptsache es bringt etwas. Die viele Zeit für meine Verhaltenstherapie häte ich mir damals sparen können. Da hätte ich auch ein Gespräch mit sonstwem in der Zeit halten können....


      LG, Nüssli
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    • Hallo ihr lieben!

      Ich hätte da noch eine Frage an euch! Habt ihr es euren Freundes- und/oder Bekanntenkreis erzählt, dass ihr bipolar seit?

      Ich habe nämlich das Gefühl, dass mich die Menschen dann irgendwie mit anderen Augen sehen und ständig überprüfen, ob ich gerade in einer Manie oder Depression stecke..

      Liebe Grüße
      Melli
    • Ja hab ich. Aber ist auch keine Besonderheit, ein nicht unwesentlicher Teil der Familie ist auch bekloppt und was meinen Freundeskreis angeht, siehts noch schlimmer aus. Wenn man so ist wie wir, dann zieht man magisch andere Verrückte an. Sie fühlen sich von einem gut verstanden.


      LG, das Nüssli
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    • Ich habe es einigen erzählt, einigen nicht, je nachdem... in vielen Fällen habe cih es allerdings bereut. Andererseits ist diese Krankheit genauso legitim wie jede andere Erkrankung, und man kann nichts dafür!!!
      [Blockierte Grafik: http://oekastatic.orf.at/static/images/site/oeka/20110937/krank.5002990.jpg]
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    • Hallo Melli, ich erzähl das keinem, weil ich es auch nicht so sehe, das ich das "bin."
      Damit sollte man ganz prakmatisch umgehen,- wo und wann "lohnt" es sich,
      das zu sagen? Zum Beispiel in Durcksituationen in Schule, Ausbildung,
      wenn man eh schon halb am rausfliegen ist, kann einem teilweise dadurch
      noch eine besondere Rücksichtsnahme und Gnadenfrist entgegengebracht werden.
      Natürlich kannst auch Leuten davon erzählen, mit denen Du besonders eng und dicke bist.
      Allen anderen lieber nicht.
      Ich persönlich würde besonderes Leute damit verschonen, die extrem dazu neigen,
      sich Sorgen zu machen. Das bringt nichts.
    • Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen. Ich hab das letztes Jahr erlebt, als es um die Uni ging und da hatte ich es am wenigsten erwartet, dass man so doof zu mir sein wird. Es ging darum, dass ich bat eine Leistung in Form einer Hausarbeit abelegen zu dürfen statt einer Präsentation. Härtefallstudenten dürfen da Anträge stellen. Das wurde mit der Begründung abgelehnt, dass es dem Seminarleiter zu viel Arbeit sei eine Hausarbeit zu korrigieren und dann hat er meine Diagnose auch noch allen anderen Seminarleitern erzählt, weil das Seminar in zig Kursen angeboten wurde zu verschiedenen Terminen in der Woche, um so viel Studierende darin unter zu bekommen. Offiziell hieß es, er wollte sich mit denen beraten. Ja super, kann er doch machen, deshalb muss er doch nicht die Diagnose weitererzählen, hätte doch die Info gereicht, dass ich Härtefallstudent bin. Er hat hier die Schweigepflicht verletzt. Plötzlich meldete sich einer der anderen Seminatleiter, der den gleichen Kurs anbietet bei mir, der zufällig auch ausgebildeter Therapeut ist und fing an und wollte mich dorthin biegen, wo es bequemer für die Herren war. Man dachte, er käme besser mit mir zurecht (klar, weil ich ja so schwierig bin).
      Ich hab das dann dem Prüfungsbüro gemeldet. Der hat ein Telefonat gemacht und die Sache war geregelt. Der war entsetzt über das unprofessionelle Verhalten und sagte, sowas gehe gar nicht. Nicht für umsonst gibt es die Härftefallregelungen. Wir sind eben keine gesunden Studierenden und dürfen Leistungen daher in anderer Form ablegen, wenns dem Gesundheitszustand zu dem Zeitpunkt besser gerecht wird oder es muss eine andere Lösung gefunden werden.

      Also diese Nachsichtsnummer funktioniert nicht immer. Manchmal wird man dann auch als total Gestörte behandelt, wenn man das preisgibt und versucht zu manipulieren und in die psychisch-krank-Ecke zu drücken, wenns denen in den Kram passt.

      Es kommt immer auf die Situtation an, aber prinzipiel schildere ich gerne lieber von mir aus, wie es ist diese Erkrankung zu haben, als wenn Leute sich ihr eigenes Bild aus tausend kleinen Infos zusammenstückeln, die teilweise nichts mit der Realität zu tun haben. Es ist nur so schwierig herauszufinden, wer damit arbeiten kann und wer es gegen dich verwenden wird.

      LG, Nüssli
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