Jürgens und Cocker R.I.P.

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    • Jürgens und Cocker R.I.P.

      Udo Jürgens (80) und Joe Cocker (70) R.I.P.

      Es gibt kaum mehr berufliche Konzerte, die ich mit beiden Musikern
      erlebt habe. Beide Künstler waren in der Lage, mir "LIVE" den Schauer
      über den Rücken zu jagen, obwohl ich ihre Musik nur selten privat
      gehört habe. Joe Cocker war ein guter Interpret, Udo Jürgens allround !

      Udo Jürgens war mit seinem Stil ein perfekter Entertainer, besonders
      im Alter wusste er, was er mit seinem Orchester an Emotionen im (wbl.)
      Publikum frei setzen kann, wbl. Familien-Fans saßen in meiner Regie, :)
      die Hysterien um den weissen Bademantel, der Mann mit dem Fagott, :)


      wie man es auch sehen mag, ein toller Künstler über unendlich viele
      Jahre, er wird als grosser dt.sprachiger Artist in Erinnerung bleiben,
      selbst die Nachrufe in Avantgarde-Foren sind äusserst respektvoll !

      Wenn man Menschen bewegen kann ... , er konnte es ...
      lgw

      PS: Menschlich fand ich ihn nicht so klasse, aber wer ist das schon ?
      Sein Sterben dürfte seinem Wunsch entsprochen haben, mitten aus
      dem Leben ..
      RIP
    • Udo Jürgens hatte ich nicht live erlebt, aber seine Evergreens bewegt heute noch selbst junge Menschen in der Disko, wenn ganz spät, oder eher früh morgens, die Schlager zum mitsingen aufgelegt werden, dann werden mehrere Udo-Songs gespielt und es ist die beste Stimmung überhaupt. Ich denke Silvester wird es in vielen Diskos wieder der Fall sein. Am Montag hatte ich noch mit einem Klienten Udo Jürgens-Songs auf Youtube gehört.

      Joe Cocker konnte ich noch live erleben, damals seinen Tourneeauftackt in Deutschland. Sein Fingerspiel zeigte noch die Leidenschaft wie eh und je, nur der Urschrei wollte nicht mehr so. Ich bin froh, dass ich ihn noch erleben durfte.

      Ja, die großartigen Künstler sterben so langsam aus. Ob es nun den Musikgeschmack traf oder nicht, aber man hatte immer das Gefühl, dass diese Musik noch lebt, noch die Leidenschaft trägt, leider empfinde ich es bei heutigen jüngeren Künstlern nur noch wenig.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • De mortuis ....

      .... nihil nisi bene. Selbstverständlich hat ('ungegendert') jeder das Recht, die Musik zu hören, die seine Seele in Schwingung versetzt. Ich will hier nur zwei Erfahrungen mitteilen, die nicht ganz untypisch für meine in die Jahre gekommene Generation sein dürften. Udo Jürgens nahm ich zum erstenmal 1965 wahr, und zwar als Störenfried. Seinerzeit fand Blues und Rock im deutschen Hörfunk noch nicht statt, und so waren wir, für die diese Musik eine Offenbarung war, das gerade Gegenteil des verhassten Spießertums der Adenauer-Ära, die viele Traditionsstränge mit dem NS verband-, wir waren auf AFN (American Forces Network), den US-amerikanischen Soldatensender und Radio Luxemburg angewiesen, welche die 'Negermusik' (so noch Adornos Charakterisierung des Jazz!) - wenn auch in homöopathischen Dosen - sendeten. Sonntags gab es auf Radio Luxemburg die Hitparade, wo sich die Popmusik der angelsächsischen Länder gegen die unerträglichen deutschen Schlager eindeutig durchgesetzt hatten. Jede neue Single der Beatles schnellte auf Platz 1, einzig die Stones konnten da mithalten. So war es für mich ein Ärgernis, dass die Udo-Jürgens-Schnulzen '17 Jahr, Blondes Haar' oder 'Mit 17 hat man [ungegendert] noch Träume' in diese Phalanx einbrachen. Für uns verkörperte Udo Jürgens also in jeder Hinsicht eine Welt von gestern, mit der wir nichts zu tun haben wollten. Dabei ist es auch geblieben.

      Joe Cocker erlebte ich zum erstenmal im August 1968 im Londoner Marquee Club, wo z.B. die Stones, Alexis Corner, John Mayall und Ten Years After, d.h. die creme de la creme des Blues und Blues-Rock jener Jahre auftrat. Das war ein Erlebnis der besonderen Art, nicht nur Joe Cockers, sondern der gesamten Umstände wegen. Es war meine erste vollständig selbstorganisierte Reise. Ich war knapp drei Wochen von Dover aus an der Westküste über Liverpool, Dundee und Edinburgh bis in die schottischen Highlands getrampt und entlang der Ostküste zurück nach London, wo ich so blieb, wie mein Geld reichte. Die allabendlichen Besuche des Marquee musste ich mir buchstäblich vom Munde absparen, was aber überhaupt nicht zur Deabtte stand.

      Am ersten Abend trat im Marquee Joe Cocker mit seiner Band auf, den seinerzeit in Deutschland keiner kannte, ebensowenig wie ich. Gerade stieg in den britischen Charts unaufhaltsam in Richtung No.1 nach oben seine Cover-Version des Beatles Songs 'With A Little Help From My Friends' von dem sensationellen Beatles Album 'Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band'. Das war ein fast genau ein Jahr vor Woodstock, wo Joe Cocker zum Weltstar wurde, aber immer der blieb, der er war: ein aus dem englischen Proletariat stammender Mann, der in seiner Musik die Erfahrung der aus der bourgeoisen Klassenherrschaft resultierenden Unterdrückung und Armut zur Sprache brachte. Das war bzw. ist die Sprache des Blues, die kaum einer wie er verstand und verkörperte. Lächerlich, dass diese Erfahrung und ihre musikalische Umsetzung exklusiv schwarz sei, 'weißer Blues' bestenfalls eine Imitation. B. B. King höchstpersönlich drohte dem nächsten Journalisten, der ihm diesen Blödsinn auftischte, an, ihm die Zähne einzuschlagen. Die gesamte Welt des Blues trauert um Joe Cocker, der zeitlebens gelitten hat, gelitten an den unmenschlichen Bedingungen, in die er hineingeboren wurde und die trotz aller sozialer Kosmetik nach wie vor unsere Lebenswelt bestimmen.

      Wünsche allseits gute, mußevolle Feiertage
      Laci

      PS.: Genau diesen Abend im Marquee, von dem ich sprach, dürfte dieses Video dokumentieren

      Joe Cocker, With A Little Help..., Marquee Club, London, (vmtl. Aug.) 1968
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)

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