Reden oder "professionelles" Schweigen über Suizidalität

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    • Reden oder "professionelles" Schweigen über Suizidalität

      Hallo,

      ich greife mal das Thema von Zaubernuß hier auf:


      Diese Woche haben wir das sehr ausführlich in einem meiner Teams diskutiert, weil eine meiner Patientinnen manchmal suizidale Gedanken hat und es mich ankotzt, dass so gut wie alle wollen, dass man sie "auf andere Gedanken bringt" und küstlich aufheitert. Sie darf quasi nicht darüber reden (genau genommen, weil die Pflegeassistentinnen über "das schwierige Thema" nicht reden wollen).
      Ich hingegen finde, dass man nicht 24 stunden am Tag im Kreis grinsen muss. Wenn sie traurig ist, dann darf sie auch mal traurig, frustriert, depressiv sein, solange ich ihr bewusst machen kann, das das nur ein Gefühl ist und Gefühle kommen und gehen und dieses Gefühl wird nicht von Dauer sein, wenn sie das nicht möchte. Man sollte schon die (ich nenns mal) Rückführung anschließen können. Auf der einen Seite die Möglichkeit geben, Sachen sagen zu können (wie "ich will nicht mehr leben"), aber im Gegenzug den Tunnelblick erweitern können und auf das lenken, was sie in der Stimmung nicht sehen kann. In dem Moment geschieht Bewusstwerden, dass da noch was anderes ist, als all die Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Leere.


      Als ich den ersten Teil eines Weiterbildungskurses "Suizidalität" für EX-IN-Genesungsbegleiter absolvierte, da war dies auch ein Thema und ich stelle fest, dass nicht nur ich dieses Problem damals als Betroffene von Suizid-Gedanken hatte, nicht darüber reden zu können, ohne Gefahr zu laufen, den Konsequenzen (einkassieren, Geschlossene, etc. pp) ausgesetzt zu sein. Für mich äußern sich Suizidgedanken eben nicht gleich in der "schlimmsten" Form, des schon mehr und mehr festen Gedanken der Umsetzung. Da gibt es vorher noch einige Entwicklungsstufen vorweg. Kann ich darüber nicht reden, hat es die Möglichkeit sich festzusetzen und zu reifen, um wirklich "gefährlich" zu werden.

      Heilend empfand ich dagegen das, bzw. die Gespräche darüber. Irgendiwie lösten sich durch Gespräche nach recht kurzer Zeit die Gedanken wieder auf. Andere "Betroffene" konnten dies für sich ebenso erkennen.

      Für mich gibt es einen Unterschied, ob ich über quälende Suizidgedanken rede oder ob ich tatsächlich eine Suizidankündigung verlauten lasse. Wieviele Schweigen über ihre Gedanken und diese haben nun die Möglichkeit immer mehr Raum und Platz einzunehmen, bis sie so weit herangereift sind, dass der Umsetzungswille unüberwindbar ist und Rettungskräfte dann nur noch die Reste eines Menschen aufsammeln dürfen.

      Eine EX-IN-Kollegin unterhielt sich neulich auch mit mir, dass ihr "professionelles" Team "NICHT" es bei Ihren Klienten zum Gespräch darüber kommen lässt. Auch anderswo erlebe ich, dass über dieses Thema professionell geschwiegen wird. Ich halte es für keine wirklich gute Idee.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Heike schrieb:

      Heilend empfand ich dagegen das, bzw. die Gespräche darüber. Irgendiwie lösten sich durch Gespräche nach recht kurzer Zeit die Gedanken wieder auf. Andere "Betroffene" konnten dies für sich ebenso erkennen.
      Hallo Heike,

      das kann ich bestätigen, habe es erst am WE wieder erlebt :) Zwar leide ich
      nur selten unter diffusen 'Suizidgedanken', ich nenne es eher 'Lebensüberdruss',
      aber das "darüber reden können" gilt für alle dunkelen Gedanken.

      2000 in meiner 1. Reha sagte die Oberärztin der tiefenpsychologischen Abteilung
      (sinngemäß) zu mir: "Reden Sie darüber, sprechen Sie es aus und wenn es jemand
      nicht mehr hören will, gehen Sie zum Nächsten ... "

      Heike schrieb:

      In dem Moment geschieht Bewusstwerden, dass da noch was anderes ist, als all die Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Leere.
      Ja, das sehe ich auch so ! Oft steht unsereiner so nah vor Detailproblemen, dass
      man das Gesamtbild gar nicht mehr erkennen kann. Ein Aussenstehender (zB. in
      der Gruppe) kann das Bild relativieren, zudem hilft auch das 'Verstandenwerden',
      es überwindet die Einsamkeit mit den dunkelen Gedanken.
      Suizid ist noch immer mit dem Makel der 'Todsünde' verbandelt, es ist "unschicklich",
      darüber zu reden. :(

      Heike schrieb:

      Sie darf quasi nicht darüber reden (genau genommen, weil die Pflegeassistentinnen über "das schwierige Thema" nicht reden wollen
      Da liegt der Hund begraben !
      lgw
    • Huhu Heike!

      Schön, dass du diesen Baum dazu aufgemacht hast. Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, weil ich es so wichtig finde sich darüber auszutauschen, ob Reden hilft oder womöglich sogar Schaden anrichten kann. Bisher habe ich aber in sämtlicher Literatur nur den Hinweis gefunden, dass man durch gezieltes Fragen nach suzidalen Gedanken keine Suizidalität auslösen kann.

      Heike schrieb:

      Für mich äußern sich Suizidgedanken eben nicht gleich in der "schlimmsten" Form, des schon mehr und mehr festen Gedanken der Umsetzung. Da gibt es vorher noch einige Entwicklungsstufen vorweg. Kann ich darüber nicht reden, hat es die Möglichkeit sich festzusetzen und zu reifen, um wirklich "gefährlich" zu werden.
      GANZ GENAU !! Du sprichst mir aus der Seele! Bei mir ist es ganz genauso und wenn es bei uns zweien so ist, dann haben andere mit Sicherheit auch diese Abstufungen.

      Mir scheint es manchmal so, dass ich so häufig schon des Lebens überdrüssig war, dass ich förmlich eingeschliffene Suizid-Gedanken habe, die auch ohne mein Zutun immer wieder ungefragt auftauchen und mich zutexten. Das ist ein Ausdruck dessen, wie gestresst ich bin und das ich wieder irgendwelche Sachen vor mich hinschiebe (meistens organisatorisches im privaten Bereich).
      Wenn ich nicht mehr darüber Auskunft geben will oder anfange auszuweichen, dann ist das echte akute Suizidalität, die mir wirklich gefährlich werden kann. Das andere ist so eine Dauergeschichte, die wahrscheinlich auch viel mit Ablehnung der eigenen Person zu tun hat. Auch kann ich nicht jeden so an mich ranlassen. Auch bei denjenigen, die ich relativ tief blicken lassen kann, genießen bei mir eine Schmerzgrenze, wo ich anfange mich an eine Art Schneckenhaus zurückzuziehen.

      Noch nie habe ich eine Suizidankündigung gemacht. Da bin ich auch nicht der Typ für. Ich war schon mal schwer suizidal- quasi kurz vor Durchführung (die letzten Sozialkontakte). Ich hatte da einen Termin bei meinem Psychiater. Eigentlich wollte ich den erst gar nicht mehr wahrnehmen, aber plötzlich zog es mich da hin. Ich wollte ihn nochmal sehen. Ich mochte ihn sehr und es tat mir leid, dass ich ihn nie wieder sehen würde und ich hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, es würde ihn treffen, wenn er davon erfährt und er würde denken, dass er versagt hat.
      Aber mir war ABSOLUT NICHT KLAR, dass ich eigentlich ganz besonders grausam gewesen wäre aufgrund der Tatsache, dass ich nochmal ganz kurz vor dem Ereignis dort gewesen wäre. Doch er hat den Braten gerochen. Der alte Fuchs. Keine Ahnung, wie. Er hat mich nicht gefragt, ob ich Suizidgedanken habe. Dennoch hat er interveniert und das ohne auch nur ein einziges Wort darüber gefallen wäre. Er wusste einfach um was es da geht. Man musste das nicht mehr aussprechen. Heute weis ich, dass er selbst mal als junger Mann einen fast vollendeten Siuzidversuch hatte. Er wusste also, was Menschen denken und sich verhalten, bevor sie "es" tun. Vielleicht spielt persönliche Erfahrung mit dem Thema da tatsächlich eine wichtige Rolle.

      Vor allem, wenn jemand darüber redet, dann kann ihm auch geholfen werden (besonders, wenn es praktische Probleme sind, die man durchaus aus dem Weg schaffen kann, auch wenn das für den Betroffenen unmöglich erscheint). GERADE DAS SCHWEIGEN IST GEFÄHRLICH. Ausgerechnet mein eigener Psychiater bat um Kontaktpause bei seiner Lebengefährtin, um sich zurückziehen zu können. Und plötzlich war es still um ihn. Die Stille wird nie mehr enden.
      Asmus Finzen beschrieb es in seinem Fachbuch zum Thema Suizidprophylaxe, wie "DIE RUHE VOR DEM STURM". Sehr treffend.
      Der Kommentar meines Teams war, man bräuchte das mit unserem Herzchen ja nicht zu sehr thematisieren (am besten gar nicht), das würde sie nur beunruhigen und diese Gedanken fördern und man muss ja keine Angst haben, das es Konsequenzen hat, wenn sie es nicht ausreichend aussprechen/bearbeiten kann, sie ist ja eh von Hals an gelähmt und könnte nichts in der Richtung unternehmen, selbst wenn sie es wolle und gerade dieser Fakt würde sie besonders belasten, wenn sie schwersuizidal werden würde. Ja, was sagt man dazu? Ohne Worte, oder?

      LG, Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 7 mal editiert, zuletzt von Zaubernuss ()

    • Ach so, nochwas...

      Wenn jemand (in einem vertrauten Gespräch) darüber gar keine Auskunft geben will, dann würde ich vom Bauchgefühl her aus eigener Erfahrung sagen, da geht suzidal grad was- und zwar was akutes. (Keine dauerhaften latenten Gedanken oder alte Kamellen)
      Sobald man in so eine Unterhaltung verwickelt wird, muss man Angst haben, dass man sich verquatscht und derjenige versucht konkretes in Erfahrung zu bringen- damit ist klar, wie akut es ist und der Plan im Eimer. Die Devise: Also erst gar nicht in das Thema verwickeln lassen?
      Klar ist auch, wenn jemand keine Antwort darauf geben kann, was er in nächster vor hat, dann hat er keine konkreten Pläne mehr geschmiedet, weil er insgeheim weis, dass es ihn nicht mehr geben wird.

      Grüße, Nüssli
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    • Hallo Wendelin,
      Hallo Zaubernuss,

      drüber reden bringt oft die Möglichkeit der tatsächlichen Refelktion, die Möglichkeit genau zu benennen, wenn es geht, was einem das Leben so überdrüssig macht. Wie du schon schriebst Zaubernuss, besteht da die Chance, dem Anderen noch andere Perspektiven und Blickwinkel zu zeigen. Die Zeit nicht allein durchstehen zu müssen, begleitet zu werden, Hilfsmöglichkeiten zu kennen, die die oft aufgestauten Probleme gemeinsam anzugehen, kann schon sehr heilsam sein.

      In meiner Arbeit kommt es durchaus vor, dass Klienten von dem Wunsch der "Ruhe" reden ohne konkrete Suizidankündigung. Es ist doch oft einfach der Ausdruck "Ich bin in einer Sackgasse und weiß gerade einfach keinen Ausweg daraus" und ich sehe darin meine Aufgabe, zunächst diese für den Klienten gefühlte Verzweiflung anzuerkennen und gemeinsam zu schauen, was für denjenigen wieder Sinn geben kann. Auch dort sagte eine Klientin, dass es für sie befreiend war, dass sie drüber reden konnte, ohne die Angst, dass gleich Maßnahmen ergriffen werden.

      Bei konkreten Suizidankündigungen würde ich aber auch sofort Hilfe hinzuziehen, dass wissen aber auch die KlientInnen.

      Aber in unserer so sicherheitsbedachten Welt ist es wohl auch ein Dilemma, welches dazu führt, dass "Professionelle" lieber darüber "schweigen" wollen oder aber bei leisestem Verdacht gleich Konsequenzen folgen lassen. Ich glaube gerade die "Sicherheit" verhindert einen guten Umgang damit, weil befürchtet werden muss, haftbar gemacht zu werden, würde sich jemand vom Dach stürzen, dann doch lieber gleich denjenigen vor sich selbst "schützen". Aber wieviele sind nach diesem "Schutz" dann aus der Psychiatrie herausgegangen und haben sich danach suizidiert?

      Ich glaube man müsste anerkennen, dass man den Menschen nicht ständig schützen kann, dass man nicht alle Gefahren abwenden kann. Das ist aber recht schwierig. Ich habe bisher das Glück gehabt, das während des einen Jahres meiner Tätigkeit in einem Wohnheim, dort noch kein Klient an sich Hand angelegt hat.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Hallo Heike!

      Vielleicht ist es gar kein Nachteil Suizidalität erstmal außerhalb der Klinik in den Griff bekommen zu wollen, gerade weil das Suizidrisiko nach einem Klinikaufenthalt wesentlich höher ist.
      In der Klinik werden Menschen natürlich erstmal eingelullt. Eine psychiatrische Station ist so ein bissche wie eine künstliche Welt, die aber auch eine schützende Hülle sein kann. Aber wenn sie entlassen werden, müssen sie wieder alleine auf eigenen Beinen stehen. Da bekommt man kein warmes Essen vorgesetzt, da muss man wieder planen, organisierien und besorgen und falls vorhanden auch arbeiten, Elternteil sein und Ähnliches. Womöglich bestehen aber bestimmte Probleme weiterhein fort oder bestimmte krankmachende Umstände, die die Suizidalität wieder anfachen (die mobbenden Arbeitskollegen, das schwerkranke Elternteil, die kaputte Ehe, Einsamkeit, Schulden...). Es gibt bestimmt Erklärungsmodelle für dieses Phänomen.

      Das mit den "Professionellen" ist so eine Sache. Wenn ein Patient sich suizidiert, dann steht da schon mal die Kripo vor der Tür und fragt, wie das sein kann, wo er doch in psychiatrischer Behandlung war und womöglich noch kurze Zeit vorher den Arzt konsultiert hat/ bzw. gerade erst aus der Klinik entlassen wurde oder Ausgang bekam. Das kann für den betreffenden Arzt schon unangenehm werden denke ich. Psychiater haben auch die höchste Suizidrate. Ein Zusammenhang?

      LG, Nüssli
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    • Reden oder "professionelles" Schweigen über Suizidalität

      Hallo Leute,

      ja, als ich in der Tagesklinik war hatten wir einen Patienten der immer wieder in der Morgenrunde über Suizidgedanken sprechen wollte, er wurde von der Psychiaterin regelrecht mundtot gemacht und dann blitzartig eingwiesen. War schon strange, habe in den Pausen mit ihm direkt darüber gesprochen und ich denke das tat ihm sehr gut aber die Klinik sah das garnicht gerne. Weiß leider nicht was aus ihm wurde.

      Andererseits habe ich im privaten Umfeld einige Suizidfälle erlebt und die wiederum haben im Vorfeld überhaupt nicht darüber gesprochen, ganz im Gegenteil, sie haben noch andere - wie auch mich - unterstützt und aufgebaut und dann kom unvermittelt die Nachricht.. Es gab keinerlei Vorwarnung oder Anzeichen, wir waren alle ganz weg weil keiner mit soetwas gerechnet hatte. Ich bin hypersensibel und habe eine sehr feine Wahrnehmung und manchmal wie man so sagt den siebten Sinn. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht was sie vorhatten.

      Irgendwie denke ich, wenn ein Mensch müde ist und gehen will dann tut er es auch. Aber nicht alle kündigen es an. Mag sein, daß man denen helfen kann die es vorher ansprechen aber ich bin mir nach allem was ich erlebt habe nicht mehr sicher. Aber da seid ihr die Profis und versteht wohl viel mehr davon als ich, ich kann nur sagen wie ich es erlebt habe in den einigen Fällen und glaubt mir, es kam jedesmal total unvorbereitet, keiner war auf sowas gefaßt, es gab abolut keine Warnsignale..

      Trotz allem bin ich eurer Meinung, wenn ein Mensch sich diesbezüglich mitzuteilen versucht, dann sollte er auch gehört werden! Wenn nur 1% Chance besteht ihn zu motivieren, daß ist es das auch schon wert und da gehe ich, so wie ihr, mit der Schulmedizin absolut nicht konform. Wie soll eine Einweisung eine depressive Phase verbessern und Suizidgedanken wegblasen -so ein Schmarrn! Diese Menschen brauchen Nähe, Zuneigung, Zuwendung und Kontakte und nicht, daß man sie auch noch wegsperrt!

      Alles Liebe

      Eure Manuela :traurig:
    • Eine Einweisung ist erstmal nur eine Verwahrung unter dem Sicherheitsaspekt. Dauerhaft allerdings kann man sich nur selbst am Leben halten.

      Du sagte es Manuela! Diese Menschen brauchen MENSCHLICHE ZUWENDUNG.

      Manche brauche auch konkrete Lösungsansätze für bestimmte Probleme, die ständig die Suizidalität nähren.

      Was sie auf jeden Fall NICHT brauchen, sind muffelige Chirurgen/ Intensivpersonal oder Ähnliches, die diesen Leute nach einem unvollendetem Suizidversuch maximales Unverständnis gegenüber bringen und sie mit einem eisbergartigem Charme behandeln. Das ist aber nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Patienten erzählten mir, das das der größte Schock ihres Lebens war, dass sie so ablehnend behandelt wurden, nachdem das Unglück fehlschlug. Ihr Gefühl war dann noch schrecklicher. Noch mehr Bestrafung in diesem Leben. Das muss sehr schlimm sein.

      Manchmal kommt es mir auch so vor, dass bei manchen Medikamenten bei mir vermehrt suizidale Gedanken auftauchen. Aber ich weis nicht, ob das wirklich an der Substanz selbst liegt oder eher an der Schwankung des Spiegels während des Tagesverlaufes. Aber auf jeden Fall kenne ich auch Substanzen, die mit einem Schlag suizidale Gedanken aufhören lassen (mindestens eines nehme ich jeden Tag)- doch spüre ich die Wirkung nur begrenzte Zeit nach der Einahme.

      Grüße, Nüssli
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      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Zaubernuss ()

    • Hallo Zaubernuss,

      Zaubernuss schrieb:


      n der Klinik werden Menschen natürlich erstmal eingelullt. Eine psychiatrische Station ist so ein bissche wie eine künstliche Welt, die aber auch eine schützende Hülle sein kann. Aber wenn sie entlassen werden, müssen sie wieder alleine auf eigenen Beinen stehen. Da bekommt man kein warmes Essen vorgesetzt, da muss man wieder planen, organisierien und besorgen und falls vorhanden auch arbeiten, Elternteil sein und Ähnliches. Womöglich bestehen aber bestimmte Probleme weiterhein fort oder bestimmte krankmachende Umstände, die die Suizidalität wieder anfachen (die mobbenden Arbeitskollegen, das schwerkranke Elternteil, die kaputte Ehe, Einsamkeit, Schulden...). Es gibt bestimmt Erklärungsmodelle für dieses Phänomen.


      Darum ist es so unglaublich wichtig, die Klinikentlassung gut vorzubereiten. Einige Kliniken haben eine Art Entlassungsphase in der schon das "Danach" geplant wird. Am Besten wäre es, wenn spätestens dann auch die Angehörigen (auch Freunde), falls vorhanden und gewünscht, mit einbezogen werden. Aber vor allem, Ziele erarbeiten und eine ambulante betreute Phase anschließen, so dass dieses "Loch", in das auch ich damals hineingefallen bin, so gut wie gar nicht erst entstehen kann.

      Schlimm finde ich, dass einem eine Liste von Therapeuten in die Hand gedrückt wird und man noch depressiv nur "Absagen" erhält oder lange Wartelisten auf einen warten. Hier muss unbedingt für ein Übergang und für Alternativmöglichkeiten gesorgt werden.

      Zaubernuss schrieb:


      Das mit den "Professionellen" ist so eine Sache. Wenn ein Patient sich suizidiert, dann steht da schon mal die Kripo vor der Tür und fragt, wie das sein kann, wo er doch in psychiatrischer Behandlung war und womöglich noch kurze Zeit vorher den Arzt konsultiert hat/ bzw. gerade erst aus der Klinik entlassen wurde oder Ausgang bekam. Das kann für den betreffenden Arzt schon unangenehm werden denke ich. Psychiater haben auch die höchste Suizidrate. Ein Zusammenhang?


      Aber dieses Dilemma wird doch nach meiner Meinung nicht dadurch aufgelöst, indem man einfach nicht drüber redet oder aber dem Klienten/Patienten mit Konsequenzen droht, so dass dieser erst Recht nicht mehr darüber reden wird. OK, vor dem "vordergründigen" Gewissen könnten man sich damit rausreden, "dass man ja nichts gewußt hatte" (Weil konsequent das Reden darüber umgangen wurde). Aber ob das Gewissen dadurch wirklich erleichtert wird? Für mich hatte dieses Werksperren jedenfalls keine wirkliche Sicherheit vor Suizid gebracht, nur, dass ich ab da wusste, dass ich am Besten nicht mehr über Suizidgedanken reden werde und allein damit fertig werden muß.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Hallo Manuela,

      Manuela schrieb:


      ja, als ich in der Tagesklinik war hatten wir einen Patienten der immer wieder in der Morgenrunde über Suizidgedanken sprechen wollte, er wurde von der Psychiaterin regelrecht mundtot gemacht und dann blitzartig eingwiesen. War schon strange, habe in den Pausen mit ihm direkt darüber gesprochen und ich denke das tat ihm sehr gut aber die Klinik sah das garnicht gerne. Weiß leider nicht was aus ihm wurde.


      Ich kann vielleicht noch Nachvollziehen, wenn man dieses schwierige Thema nicht in einer Morgenrunde erörtern möchte, vor allem bei sovielen unterschiedlichen PatientInnen indem die Gefahr der "Resonanz" besteht. Aber ich hätte an Stelle der Ärztin, ihm ein Gespräch nach der Morgenrunde angeboten, so wie du es letztlich richtigerweise getan hast. Aber leider ist dieses Verhalten seitens der "Professionellen" eher die Regel, als die Ausnahme.

      Manuela schrieb:


      Andererseits habe ich im privaten Umfeld einige Suizidfälle erlebt und die wiederum haben im Vorfeld überhaupt nicht darüber gesprochen, ganz im Gegenteil, sie haben noch andere - wie auch mich - unterstützt und aufgebaut und dann kom unvermittelt die Nachricht.. Es gab keinerlei Vorwarnung oder Anzeichen, wir waren alle ganz weg weil keiner mit soetwas gerechnet hatte. Ich bin hypersensibel und habe eine sehr feine Wahrnehmung und manchmal wie man so sagt den siebten Sinn. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht was sie vorhatten.


      Es wird sicherlich die unterschiedlichsten Gründe geben, warum nicht darüber gesprochen wird. Einerseits vielleicht wirklich, dass niemand sich Sorgen macht und man seinen "Plan" umsetzen kann, aber durchaus auch aus Angst vor den Konsequenzen, die vielleicht der Ein oder Andere schon erlebt hat und deshalb nicht darüber spricht. Und bei den Letztgenannten finde ich es Schade, wenn eigentlich vorher evtl. Gesprächsbereitschaft bestanden hatte und über diese Möglichkeit ein Zugang zu der Person möglich gewesen wäre. Ob man es letztlich verhindern kann, kann man nie mit Bestimmtheit sagen, aber dass kann auch die jetzige Psychiatriepraxis nicht verhindern, wenn sie darüber schweigen will, bzw. gleich "Wegsperrt".

      Übrigens, bin ich genausowenig und genausoviel Profi wie du auch ;)

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Hallo Zaubernuss,

      vielleicht braucht es Schulungen von Erfahrenen in Sachen Suizidalität?

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Heike schrieb:

      Für mich hatte dieses Werksperren jedenfalls keine wirkliche Sicherheit vor Suizid gebracht, nur, dass ich ab da wusste, dass ich am Besten nicht mehr über Suizidgedanken reden werde und allein damit fertig werden muß.
      Ja Wahnsinn, guck doch mal, was für eine Entwicklung das mit sich gebracht hat! Genau genommen, ist es damit noch schlechter geworden, denn "das nächste Mal" redet der Patient (in dem Falle wärest das du) vorher nicht mehr darüber, sondern macht es, ohne das wer es ahnt bzw. verneinst es ausdrücklich, wenn ein Arzt dich danach fragt, weil du nicht einfach wieder in suizidalen Phasen "verwahrt" werden willst. Total kontraproduktiv.

      Grüße, Nüssli
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    • Hallo psmmg,

      psmmg schrieb:

      Ich bin echt überrascht.

      Ich habe so einge Psychiatrien gesehen, aber Schweigen über Suizidalität gab es genau nirgendwo.

      Das ist auch ganz klar gegen jede therapeutische Richtlinie.


      sicherlich wird es, wie fast bei Allem, die guten Ausnahmen geben, wo in Psychiatrien der Patient angstfrei über seine Suizidgedanken reden kann, ihm zugehört wird und in einem Gespräch oder in Mehreren er aus dieser "Sackgasse" heraus begleitet wird. Mit begleiten ist nicht gemeint "einsperren" und "Medis", als Prävention.

      Hier in Deutschland ist für viele Menschen das "Reden" darüber nicht möglich. Ambulant wird sowieso meist abgeblockt. Das ist eher die Regel, als eine Ausnahme, leider.

      Viele Grüße Heike

      PS: Als ich auf der Geschlossenen war, wurde mir kein einziges Gespräch angeboten. Obwohl die Angst in meinen Augen und in meinem Verhalten den MitpatientInnen aufgefallen ist, dass selbst jemand in ihrer Psychose versucht hatte mit ein paar Worten mir beizustehen, von seitens der Ärzte- und Pflegerschaft, keine Spur.

      Wäre dies nur eine einzelne Erfahrung von mir selbst, würde ich froh sein, jedoch Unterhaltungen mit Anderen bestätigen leider dieses Bild.
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Heike schrieb:

      sicherlich wird es, wie fast bei Allem, die guten Ausnahmen geben, wo in Psychiatrien der Patient angstfrei über seine Suizidgedanken reden kann, ihm zugehört wird und in einem Gespräch oder in Mehreren er aus dieser "Sackgasse" heraus begleitet wird. Mit begleiten ist nicht gemeint "einsperren" und "Medis", als Prävention.

      Hier in Deutschland ist für viele Menschen das "Reden" darüber nicht möglich. Ambulant wird sowieso meist abgeblockt. Das ist eher die Regel, als eine Ausnahme, leider.

      Viele Grüße Heike

      PS: Als ich auf der Geschlossenen war, wurde mir kein einziges Gespräch angeboten. Obwohl die Angst in meinen Augen und in meinem Verhalten den MitpatientInnen aufgefallen ist, dass selbst jemand in ihrer Psychose versucht hatte mit ein paar Worten mir beizustehen, von seitens der Ärzte- und Pflegerschaft, keine Spur.

      Wäre dies nur eine einzelne Erfahrung von mir selbst, würde ich froh sein, jedoch Unterhaltungen mit Anderen bestätigen leider dieses Bild.
      Liebe Heike,

      vielen lieben Dank für Deinen Text, nur der Verwundete kann auch Heiler
      sein, Du scheinst das fast intuitiv (?) zu erfassen, manchmal lese ich es
      auch fassungslos :) , jedenfalls lese ich Deine Texte mit breit grinsendem
      Genuß :biggrin:


      Es wäre schön, wenn Deine ausgebildete Tätigkeit auch eine Fortbildung
      zur Therapeutin möglich machen könnte, denn Du wärest einer der Besten !
      Wissenschaft, Offenheit, Empathie und Neugierde, besser geht es nicht. :biggrin:


      Alles besser als überflüssige Suizid-Gefühle der Vergangenheit, denn das war
      gestern, sagt sich wendelin ...


      cu


      PS: Es gehört zum Spiel, mit Lob und Anerkennung umgehen zu lernen, das
      gehört zum Multiplikator-Effekt. :)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Wendelin ()

    • Genau aufgrund der Angst wegen Suizidalität stationär aufgenommen und mit Tranquilizern eingeweicht zu werden, habe ich zu besonders schlechten Zeiten mitunter Psychiaterbesuche gemieden, wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen war ich wahrscheinlich nie stationär.
      Ich kannte das von meinem Dad, wie er dort in der Geschlossenen behandelt wurde. Er bekam auch keine Gespräche und wurde total zugeknallt mit Medikamenten. Es war ein erschreckender Anblick, der sich uns da viele Wochen lang bot.
      Ich muss aber sagen, dass in meiner Praktikumsstelle das anders war. Aber das war auch eine offene Station, die nur bei Bedarf geschlossen werden konnte (aber das ist auch ein Bundeswehrkrankenhaus).
      Wir hatten auch einen jungen Mann da, der suizidal war, trotz, dass wir offen waren. Er hat viele Einzelgespräche bekommen und es ging ihm besser. Leider hat er sich während eines "Wochenendurlaubs" zu Hause suizidiert. Da hatten wir zum Beispiel die Kripo im Haus.

      Grüße, das Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Zaubernuss ()

    • Zaubernuss schrieb:

      Genau aufgrund der Angst wegen Suzidalität stationär aufgenommen und mit Tranquilizern eingeweicht zu werden, habe ich zu besonders schlechten Zeiten mitunter Psychiaterbesuche gemieden, wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen war ich wahrscheinlich nie stationär.
      Glück gehabt, Du hast aber wohl mehr depri-Anteile, kann das sein ?

      Stationär eingewiesen mit einem Psych.Kg. war ich auch noch nie, als
      tätig 'Schaffender' gehört das zum Rententräger, also Reha. Wer dann
      dort Suizid, Gewalt etc. faselt, geht in die Geschlossene, ich habe es
      mehrfach erlebt. Sollte ich jemals Suizid begehen wollen, würde es
      mir niemand vorher anmerken, ich würde einfach 'verschwinden' , so
      wie auch der Tod sein wird.

      Ich möchte noch gern ein wenig leben und Spass haben, eigentlich
      bin ich mir sicher, dass das auch klappt. :)

      Das Leben ist schön, nösch, schnöde .. :)
      lgw
    • Eine meiner Lieblings-Erläuterungen zum Thema Suizidalität & Psychopharmaka & Sinnhaftigkeit

      Das Medikament als Krücke

      Jenseits der Behandlung der Grunderkrankung hat das Medikament bei der Suizidprophylaxe die Funktion einer Krücke. Das bedeutet aber nicht, dass wir es geringschätzen müssen. Sein Einsatz ist genauso legitim, wie die Krücke bei einem Beinbruch.

      Wir müssen uns aber Rechenschaft darüber ablegen, dass es eine HILFSFUNKTION hat und die psychotherapeutische Intervention NUR ERGÄNZEN kann.
      Gerade schwere suizidale Krisen, die die Verwendung von Psychopharmaka unabdingbar machen, verlangen ein HÖCHSTMAß an psychischer Stützung und Führung und an MENSCHLICHER ZUWENDUNG.
      Habt ihr die Erfahrung gemacht, dass gerade letzteres (menschliche Zuwendung) den suizidalen Patienten wirklich angetragen wird? Ich hatte bisweilen das Gefühl und auch als Angehörige die Erfahrung gemacht, dass Patienten in der Geschlossen kaum Gespräche angeboten bekommen oder diese entweder zu kurz sind oder aber im falschen Rahmen abgehalten werden, wo sich derjenige nicht öffnen kann. :thumbdown:

      Außerdem grübel ich gerade darüber nach, ob Psychpharmaka wirklich so unabdingbar sind in der Krise. Ich habe auch etliche von denen zumindest ohne jegliche Bedarfsmedis durchgemacht. Auch habe ich schon suizidale Krisen ganz ohne Medikamente bestanden. Das ist richtig heftig und so risikobehaftet, wie ein Tanz auf dem Vulkan mit vollkommen ungewissem Ausgang, aber wie man sieht durchaus möglich.

      LG, Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.