G'schichten aus der bipolaren Welt

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    • G'schichten aus der bipolaren Welt

      Psychiaterin und Hausärztin raten mir schon lange dazu, einige
      G'schichten aufzuschreiben, die aktuelle Placebo-Diskussion im
      Hauptbaum regt dazu an. Natürlich erzähle ich aus dem Gedächt-
      nis, manche G'schichten werde ich verfremden, niemand soll in
      Verlegenheit gebracht werden !


      Vor 25 Jahren



      Persönlich erlebt habe ich die Wirkung von Geist über Materie auf der Intensiv-
      station, als mir die Yoga-Atemübungs-Praxis bei der Lungenembolie half, ohne
      wäre ich vermutlich gestorben. Noch an vielen Schläuchen, Drähten, Herz-
      katheder-Heparin-Infusion, Gepiepe, Gejammer und sterbenden Menschen
      im Hintergrund, begann ich mich wieder intensiv mit Mevlevi-Sufismus zu
      beschäftigen, Literatur, die 33+1 Gebetskette (99 Namen Gottes, der 100ste
      ist verborgen), Ney-Flötenmusik, Bilder, Liebesdichtung usw. hatte mir die
      Freundin gebracht. Nach 1 Woche glaubten die Ärzte an ein med. Wunder,
      es wurde sogar extra eine dreitägige Uni-Studie an mich getragen, an der
      ich gerne teilnahm, leider habe ich nie etwas von dem versprochenen Er-
      gebnis gehört.
      Es war mir nicht nur möglich, diese Horror-Situation als jetzt gegeben an-
      zunehmen, ich konnte mich sogar ziemlich schnell wieder auf die Zukunft
      freuen, auch wenn meine Arme blau und zerstochen waren, jeder Atem-
      zug höllisch weh tat und ich im Halbsitzen schlafen musste, um nicht zu
      ersticken. Atemnot ist grässlich, aber wenn man den Organismus runter
      fahren kann, reicht auch wenig Luft, Hauptsache Panik und Todesangst
      bleiben unter der Decke. Bettpfanne und Flasche gehörten natürlich dazu,
      gewaschen wurde man mit dem Waschlappen, es war Hochsommer mit
      über 30°, und man schwamm in der eigenen Suppe, ohne sich drehen zu
      können. Trotzdem konnte ich bald wieder sarkastische Witze machen,
      mit den hübschen Schwestern flirten und den Stationsdrachen ärgern. :D
      Die Mauer war grad gefallen, und es gab eine regelrechte Flut an sehr
      guten Pflegekräften aus der DDR. Meinereiner hatte da leider Pech, ich
      bekam die Kündigung auf die Intensivstation, mein Arbeitsplatz konnte
      für knapp über die Hälfte des Lohns ersetzt werden. Heutzutage ist das
      noch viel schlimmer. :traurig:


      Ich könnte mir vorstellen, das Posi-Denki seine eklige Fixierungsgeschichte
      ähnlich überstanden hat (?). :P


      Nach ca. 1 Woche kam ich ins 2Bett-Zimmer, nach 2,5 ins Mehrbettzimmer
      plus Rollstuhl, nach einem Monat habe ich mit Gestell das Laufen wieder
      trainiert, und nach ca. 5 Wochen war ich wieder draussen. :P
      Interessant war, wer denn nun wirklich zu meinen Freunden zählt, manche
      Freaks haben sich ständig bei mir durchgefressen, hatten aber keine Zeit,
      mal 1,5 Std. U/S-Bahn zu fahren, um mich zu besuchen. Diese Leute habe
      ich nie wieder gesehen. BTW: Mich hat keiner aus der Familie besucht.


      Das kommt davon, wenn man manisch nicht mehr auf die Zeichen des Körpers
      hört, die Schmerzen im Knie nicht einer Thrombose zuordnet und weiterhin
      auf Parties rockt, und wie ein Besessener Rennrad fährt. Es machte ein paar
      mal plong plong im linken unteren Lungenflügel, und es fühlte sich wie ein
      starker Muskelfaserriß an. Zu dieser Zeit war ich voll durchtrainierter Sport-
      ler, Sehnen und Muskeln, worauf ich ziemlich stolz war. :love:


      Wird fortgesetzt


      Ihr seid herzlich eingeladen, eigene G'schichten zu erzählen. :P
      lgw
    • Die Embolie geschah an einem Mittwoch, am folgenden Donnerstag
      humpelte ich in den Hasenheide-Park. Am Samstag sollte Pink Floyds
      The Wall an der Mauer aufgeführt werden, der technische Leiter der
      örtl. dt. Stagehands war ein Freund, eigentlich wollte ich Backstage
      teilnehmen. Im Hasenheide-Cafe lernte ich zwei nette Freaks aus
      Great Britain und Australien kennen, die nur für das Konzert nach
      Berlin geflogen waren. Wir verstanden uns blendend, Maniker wende-
      lin hat sie einfach mit heim genommen, eine rauschende Nacht folgte,
      am nächsten Tag lagen 3 verkaterte Männer in meinem grossen Bett. :P
      Beste Völkerverständigung .. :biggrin: 2 Frauen wären mir natürlich lieber
      gewesen, aber das ist eine ältere Geschichte ...

      Gegen Nachmittag gingen sie zum Hotel, und mir wurden die Schmerzen

      wieder zuviel. Mittlerweile tippte ich auf einen heftigen Darm-Katarrh,
      ich war auch Tage nicht auf der Toilette. Was macht ein durchgeknallter
      Maniker ? Er geht in die Apotheke und kauft sich eine Familienpackung
      Rhizinus-Öl-Kapseln. Da sich keine Wirkung zeigte, habe ich die ganze
      Packung wie Drops runter geschluckt, es passierte nichts.
      Da ich vor Schmerzen nicht schlafen konnte, bin ich in die türk.dt. Döner-
      Tee-Bier-Raki Bar nebenan gegangen, die gute Bekannte bewirtschafteten.
      Nach ein paar Bier und Raki wurde der Schmerz erträglicher, nur plötzlich
      gab es einen riesigen Druck im Bauch, ich habe es gerade noch auf die sehr
      gepflegte Toilette geschafft. Es folgte eine gigantische Explosion, und an-
      schliessend musste ich mir Eimer und Wischer geben lassen, um die Sauerei
      zu beseitigen. Aber der Druck war weg, ich konnte später gut schlafen.


      Wer jetzt fragt, warum ich nicht beim Arzt war, da war ich natürlich zuerst.
      Der Überweisungstermin zum Internisten war der kommende Montag. :(


      Wird fortgesetzt
    • Samstagmorgen wachte ich vor Atemnot auf, tierische Schmerzen und
      das Blut lief mir aus dem Mund, also eine Lungenerkrankung. Der Not-
      arzt war im Dauereinsatz, die Feuerwehr hätte mich ins Urban gebracht,
      da wollte ich nicht hin. Also habe ich einen älteren Freund gerufen, der
      aber tierisch Angst vor vermeintlicher Tuberkulose hatte, ein anderer
      Freund hat mit mir notdürftig die Sachen gepackt. Im Bademantel bin
      ich dann die 25km mit dem Taxi in die Lungenfachklinik gefahren und
      dort in die Notaufnahme. Erst wollte mir niemand glauben, dann hat
      sich der Bereitschaftsarzt meiner angenommen. Da die Diagnostik bis
      Montag geschlossen war, hat er ein mobiles Röntgengerät aufgebaut,
      so konnte er schon mal Rippenfell-und Lungenentzündung erkennen,
      gegen den Verdacht auf Embolie bekam ich sofort und regelmäßig
      Heparin gespritzt. Die ältere, süsse phillippinische Schwester (sie
      lachte immer so lieb) konnte Spritzen setzen, wie ich es nie wieder
      erlebt habe, ich habs nicht einmal gemerkt.
      Im Gemeinschaftsraum habe ich mir dann (allein) schweratmend die
      TV-Übertragung von Pink Floyds The Wall angeschaut, ich wollte
      doch so gern dabei sein. :(
      Den Sonntag hab ich dann halb liegend/ sitzend verbracht, nur unter-
      brochen von meiner hysterischen Mutter, die nicht wusste, wie nach
      Berlin zu kommen und wenn, dann nur mit der Patentante. Ausser-
      dem wollte sie in meiner Wohnung nächtigen, weil preiswert und
      sparen und so weiter, höhere Beamtendienstbesoldung halt, das sind
      ganz arme Schweine, die auf den Pfennig achten müssen.
      Man stelle sich 2 konservative Damen vor, die in einer Kreuzberger
      Hinterhofwohnung nächtigen wollen, die grad ein internationales
      Happening erlebt hat. :biggrin: Sie wären sofort tot umgefallen .. :D
      Meine Mutter braucht es "geleckt", da darf kein Staubkorn sein,
      das bemängelte sie auch gern bei den Schwiegertöchtern. Die an-
      erzogene, krankhafte Pedanterie meiner Eltern war mir schon immer
      ein Greuel, vermutlich liebe ich deswegen das kreative Chaos, ich
      brauche das. :P


      wird fortgesetzt
    • Montag folgte die Diagnostik, das dauerte einen halben Tag.
      Das Szintigramm zeigte mehrere Löcher im unteren linken
      Lungenflügel. Danach wurde ich auf einer Schwebeliege
      komplett nackt nur mit Hodenschutz immer und immer wieder
      durchleuchtet, 3 mal Kontrastmittel in die Beine, ekliges Gefühl.
      Und dann wurden die Reste des Thrombos tief in der rechten
      Kniekehle entdeckt, wenige Minuten später lag ich intensiv.
      Der wirklich liebe Arzt setzte mir das Herzkatheder, "schaun Sie
      mich doch bitte nicht so hasserfüllt an".
      "Ich schau nicht hasserfüllt, ich habe Todesängste", er nickte nur
      ernst. Nebenbei, ich habe seinen Nachnamen nie vergessen, er
      fand auch meinen Krankheitsumgang bemerkenswert. Später
      kam er zu mir und sagte, eigentlich dürfte nur noch Sand in
      meinen Adern sein, ich hätte völlig abnormale Blutwerte,
      dabei war ich wenige Tage vorher beim Arzt zur Blutentnahme.
      "Na Klasse, haben Sie noch mehr Nachrichten ?" Später kam er
      dann etwas kleinlaut und teilte mir mit, dass man sich um eine
      10er Potenz vertan hätte.
      Also die gleiche Geschichte wie beim Eisen im Spinat, Generationen
      an Kids mussten das reinwürgen, auch wenn sie es hassten. Ich liebe
      Spinat, mag aber keinen Grünkohl. Und 2x täglich Lebertran als Kids,
      die armen Wale :zungezeig:
      Wir haben uns seitdem blendend verstanden, ich denke gern an diesen
      Arzt, menschlich, empathisch, Berufungsmediziner wie meine Psychi.
      und die Hausärztin.

      Meine Ladies haben Kohldampf, später mehr ..
    • Intermezzo

      Unsere Tochter übernimmt die Küche und nimmt morgen das Auto :P
      Mir wird beim Schreiben viel bewusst, was vorher unter der Decke
      nach oben drängte, also etwas Katharsis.
      Falls Euch das nicht interessiert, einfach sagen. :)
      Eben hab ich noch einmal Post vom Manikerbrother bekommen, der
      rafft scheinbar gar nichts mehr und hält sich bedeutungsschwanger
      für wichtig, gruseligerweise alles wie gehabt. Diese Form der Manie
      ist mir fremd, da ist auch noch etwas anderes, aber bin ich Psych ? Nö
    • Mein oberster Ex-Chef (für ca. 15 Jahre) war der Meinung, dass ich zu
      harmoniebedürftig sei. Meine Ex-Frau, Mutter des Grossen, war eine
      sehr berechnende Frau, die Partnerwechsel bis vor kurzem schein-
      bar zwingend brauchte, auch ein abgelehntes Kind, das Liebe sucht(e).
      Sie sagte immer zu mir, dass ich ein so unendlich tiefes "Loch" habe,
      das könne sie niemals stopfen. Nicht von ungefähr ziehen sich solche
      Menschen an, auch wenn wir erst einmal oberflächlich als Kämpfer und
      Macher erscheinen.


      Da lag ich nun am Dienstag auf der Intensiv und hatte keine Ahnung, wie
      lange das denn jetzt dauern soll. Nix zum Lesen, ausser bunte Blätter :boese:
      Plötzlich stand meine neue Freundin neben meinem Bett, die kurz vor
      Italien ihrer inneren Stimme folgte und mich ziemlich schnell fand, sie
      kannte ja die Clique. Handys gab es nicht, auch kein Tel. auf der Intensiv.
      Von da an ging es bergauf .. :2herz:
      Wir waren ganz frisch verliebt, reiner Zufall vor ihrem Urlaub. Und dann
      hat sie halt ihren Urlaub mit mir in der Klinik verbracht, kam zum Früh-
      stück, ging am Abend, wir haben auch mit Rollstuhl eine abgefahrene
      Zeit verbracht, das kribbelt bei mir heute noch. Sollte sie evtl. mitlesen,
      da sie schwer depri sein konnte, ich bin Dir nicht nur bis heute dankbar,
      sondern Du hast für immer einen Platz in meinem Herzen. :heart:


      An dieser Stelle mache ich einen Break, es gibt noch eine Humoreske, die
      ich jetzt oder nie schreibe. :P
      lgw
    • Humoreske, nur leicht verfremdet
      Vor über 35 Jahren

      Zwei Schrott-WGs hatte ich hinter mir und endlich eine große, eigene
      Wohnung, über 60m" verwinkelt unterm Dach mit einer urigen Sitzbade-
      wanne im kleinen Bad.
      Die Woche war mal wieder heftig, unterirdischer Linienbau ist nicht grad
      ein Job für Weicheier, der schlechteste Job, an den mich die Oberpostdi-
      rektion versetzen konnte, häufig mit Stiefeln im eiskalten Wasser, das wir
      im Winter erst auftauen mussten, um an die Fernkabel zu kommen. Eigent-
      lich war ich doch Elektroniker mit Abi und 2 Semestern abgebr. Studiums .. X(

      Ein paar Kerzen am Beckenrand, ein Glas Wein, bischen Käse, auch 10m
      Kopfhörerkabel waren schnell verlegt, ich glaube, es war Gong. Wohlig
      machte ich mich in der Wanne breit, als Spargeltarzan konnte ich mich
      auch ins Fußende setzen, dann war ich bis zum Hals im Kneipp-Salz-Bad.

      youtube.com/watch?v=cDdIpUC2vq…KU_IvljG1eZ6xfPhgE2dVctbv


      Plötzlich zieht jemand an meinem Kopfhörerkabel, und ich dachte, jetzt
      kriegst Du nen Herzkaspar, wer zum Teufel ist in Deiner Hütte ?

      In der Badezimmertür steht meine verheulte Mutter, sie hat die Schlüssel
      eigentlich nur zum Blumengiessen (und lesen restlos aller Intimitäten :raunz: )
      und hält mir mit Abscheu eine grosse silberne Büchse entgegen, nimm,
      schau rein. Ich öffne die Büchse in der Badewanne, darin war ca. 1 Pfund
      Gewächshausgrass. Grass hatte ich erst kurz vorher kennen gelernt, für
      die Menge wäre man ein paar Jährchen im Bau gelandet, galt als Dealer.
      Völlig perplex, dass mir mein Mütterchen ne Büchse Grass ins Badezimmer
      bringt, musste ich das Zeugs noch in der Badewanne testen, gutes Kraut.


      Mein Vater soff zu der Zeit ziemlich extrem und landete min. einmal, meistens
      zweimal, ab und zu dreimal im Jahr in der Reha Klinik, in der ich viel später 2006
      und 2008 auch war. Als höherer Beamter war das möglich, allerdings war er
      jünger als ich, als man ihn aus dem Verkehr zog. Jedenfalls hat ihm einer
      seiner Ex-Abiturienten geraten, weniger zu saufen und lieber mal nen Hanf-
      tee zu trinken und hat ihm zwei Büchsen aus der eigenen Gärtnerzucht ge-
      schenkt.
      Natürlich konnte dieser Mann nicht mit meinem verrücktem Vater rechnen, der
      sich gleich eine Büchse, ca. 1Pfund Hanf als Tee aufkochte und trank. Und danach
      ging die Post ab, Legenden besagen, er wäre nicht nur aufs Flachdach gestiegen,
      sondern hätte dem verhassten Nachbarn in den offenen Kamin geschissen, mit
      Fäkalien hat er es im Rausch, da gibt es noch ganz andere Geschichten.
      Aber eine 300 fache Überdosis steckt auch ein Bulle nicht weg, das dauert mehr
      als einen Tag, bevor Du das wieder los bist. Letztendlich muß es ein Horrortrip
      geworden sein, auf Knien seine Frau anflehend, ihn aus dieser entsetzlichen
      Hölle zu befreien. Die gleiche Frau, die er im Rausch auch gerne schlug, um
      seine ungeheuren Aggros abbauen zu können. Seltsamerweise vergisst er seine
      Brutalitäten grundsätzlich, vielleicht die Gnade früher Demenz ? Therapie haben
      sie oft gemeinsam gemacht, ausser viel gemeinsamer Heulerei hat sich nichts
      verändert, nur verschlagener sind beide geworden, es wird gemacht, was wir
      wollen.


      Das ist eine relativ harmlose Geschichte, aber beim Schreiben wird mir wieder
      vieles klarer, normalerweise denke ich ziemlich selten an diese alten G'schichten.
      Mal schauen, ob ich auch mit dem harten Tobak kommen kann, das entscheidet
      die Situation.


      Guts Nächtle wünscht wendelin


      Nachtrag: Eigentlich ein wissenschaftlicher Beweis, dass es keine letale Dosis
      bei Hanf gibt, aber in eine Psychose schiessen ist auch ganz leicht, die Dosis
      macht das Gift.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Wendelin ()

    • Die 1. psych. Krankschreibung

      Vor 22 Jahren (das 2te Gesicht)

      Meine Frau, unser Baby und ich holten vom Chiemsee meinen Grossen (11)
      ab und sind an den Plattensee gefahren. Wir hatten eine entspannte Zeit,
      das Baby lernte zu Laufen, und ich sah endlich mal meinen Grossen wieder.

      Zum "Bergfest" sind wir auf die Terrasse eines gutes Fischrestaurants mit
      Blick auf den See, Grauer Mönch aus dem Weinberg hinter uns auf dem
      Tisch, traumhafte Atmosphäre, alles relaxed. Wir unterhielten uns über
      Musik, "Davy's on the road again", und ich bemerkte etwas genervt, dass
      ich es nicht so toll fände, wenn Frau meine hochgepflegten Schallplatten
      auf ihrer Teenager-Mister-Hit-Plattenfräse abspielt, dann sind sie nämlich
      putt für den Edelplattenspieler.

      Und dann passierte es wie ein innerer Sturm:
      Es wurde dunkeler, ich sprang auf, stammelte, "wir haben nichts mehr",
      torkelte von der Terrasse auf den Gehweg, fiel um und erbrach würgend.
      Zwei besorgte Kellner halfen mir auf, in der Toilette konnte ich mich
      waschen und die Kellner beruhigen, es lag nicht am sehr guten Essen,
      welches wir nicht einmal aufgegessen hatten, auch der Wein war grad
      erst probiert.
      Zurück am Tisch erklärte ich meiner Frau die Vision, ich hatte unser völlig
      zerstörtes Heim glasklar "gesehen". Ich weiß, wie sich Menschen im Krieg
      fühlen, die ihr Heim verlieren.

      Wir suchten uns ein int. Telefon und ich rief meine Eltern an. Eine hörbar
      gestresste Mutter empfahl uns, den Urlaub bis zum letzten Tag auszukosten.
      Danach hatte ich den Bruder am Tel., der ebenfalls hörbar angetrunken/ durch-
      geknallt war und auf Nachfragen endlich zugab, "ein bischen randaliert" zu haben.

      Wir haben sofort das Auto (Volvo244GL) voll gepackt und sind in der Früh heim
      gefahren. Bei Sopron an der Ösi-Grenze konnte ich nicht mehr, wir haben uns
      ein Sterne-Hotel-Zimmer genommen, Luxus zum Urlaubsabschied mit int. Telefon
      auf dem Zimmer. Da fing dann der nächste Horror an, am Telefon gab meine Mutter
      den "Terror" zu, mein Vater benannte mich als "selbst schuld", später war ich auch
      der "Schuldige".

      Wieder im Haus /Ex-Heim erwartete uns Horror pur, ein gesamtes Haus von über
      250m" Wohnfläche war völlig zerlegt, eingeschlagene Scheiben/ Türen, Wohnungs-
      durchbrüche, Bauanfänge, Zementmörtel, Wasser, Schmutz, Hölle pur ..
      Dazwischen der nonstop besoffene Bruder, der uns alle mit lautester Punkmusik
      beglückte. Er hatte restlos alles klein gehauen, auch das Baby-Spielzeug, die
      nagelneue PC-Anlage für 5523.- , den Preis vergesse ich wohl nie.
      Wir haben kein einziges Hochzeitsgeschenk mehr, er hat sie alle restlos zertrümmert.
      Darunter gab es eine grosse Keramik-Skulptur, die randvoll mit alten Silber-5-Markstücken
      war, ein Geschenk der Kusine meiner Frau.
      Meine Plattensammlung war teilweise mit einem Nagel zerkratzt, Kameras und Objektive
      konnte ich mir bei seinen Freaks wieder einsammeln, meine Darabuka-Trommel fand ich
      bei einem kurdischen Studenten mit Heimweh wieder. Natürlich war auch der Gefrier-
      schrank leer, sämtliche Alkoholika geleert ... usw.

      Peinlich dazu war dann, dass das mein Arbeitgeber mitgekriegt hat, es kamen der Finanz-
      buchhalter und sein Kollege, zum Glück mittlerweile (damals) Duz-Kollegen. Ein Tag später
      kamen sie wieder und überreichten mir 1000.- , die Kollegen hatten für uns gesammelt.
      Ich hab mich erstmalig durch einen Facharzt psychisch krank schreiben lassen.

      Die Geschichte würde einen Roman füllen, Bruderherz entkam aus der Geschlossenen übers
      Dach, randalierte im Haus weiter, wurde verhaftet, wand sich dort durchs Klofenster und ent-
      kam, randalierte weiter ... Bis ich ihm androhte, ihn notfalls zu erschlagen, oben leben meine
      verängstigte Frau mit Baby. Danach verschwand er länger spurlos (ging auf Nerv-Tournee durch
      Dt.land), wir haben uns schnell ein neue (sehr schlechte) Altbauwohnung besorgt.

      Das alles hat sich drehbuchartig wiederholt, wenige Jahre später hat ihn die Freundin zwangs-
      eingeliefert. Als ich kurz dort war, stand der geschmückte Christbaum mitten auf der Strasse,
      das Ehebett zerlegt auf dem Gehweg, Sperrmüll.

      Also ich hab auch jede Menge grenzwertigen Mist in der Manie verzapft, manches würde auch
      heutzutage für eine Zwangseinweisung reichen, deshalb meide ich zu starke Extreme wie der
      Teufel das Weihwasser. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich nie, niemals so heftig zu-
      geknallt habe, wie es für meinen Bruder in der Manie "normal" scheint ? Ich habe höllischen
      Respekt vor allen legalen, illegalen Drogen, ich kann ja schon durch Kaffee abheben.

      Danke fürs Lesen, mir hat es viel gebracht, ich werde konsequent bleiben. :P


      youtube.com/watch?v=BAMm_LuN-a8

      Auf dem int. 33. Hansetag 2013 in Herford spielten sie dort vor hist. Kulisse for free,
      meine Frau und ich haben die Nacht gerockt, bis auch die letzte 50's Kapelle am
      Ende war. :P

      Schlaft gut, schönes WE,
      lgw
    • Bruderherz nutzte heute das Telefon, um mich zu
      'konsultieren', same bad stories as ever ..

      Was kann ich denn wirklich tuen, kann ich überhaupt
      wirklich "helfen" ? Im Falle meines Bruders nicht, er
      hat ja kaum die emotionale Verantwortungsphase
      erklommen, ein bald 53jähriger bleibt pubertär, trotz
      aller Intelligenz. Der Wahn ist eher hilfreich, denn
      der Boden der Tatsachen wird böse werden.
      Schade das, aber es ist halt so. :boese:
      lgw

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    • Lieber Wendelin!

      Jetzt bin ich mal dazu gekommen, alle deine Beiträge zu lesen. Beim Ersten habe ich gelesen, dass man hier auch Einträge machen darf.
      Da wollt ich dich mal wissen lassen, dass ich über Handy immer wieder lese und es sehr interessant zu lesen fand. Die Wartezeiten (Psychiater, Psychologen, u, was ich momentan so alles für Termine habe) vergingen wie im Flug.
      Es ist gut alles raus zu schreiben, ich wünschte ich hätte auch mal Zeit dazu.
      Ich werde dich weiter lesen und grüße dich herzlich
      Smarty :)
    • Aus akutem Anlass zwei neue (alte) G'schichten:

      Anfang der 80er in West-Berlin

      Die Freundin des Bruders rief verzweifelt an, er rastete mal wieder völlig aus.
      Sie hatten am Abend vorher irgendeinen "Trip" eingeworfen, und Bruderherz
      kam nicht mehr runter. Vor Ort in ihrer Wohnung dann ein solches Elend, dass
      ich beschloss, ihn 1/2 tausend Kilometer weit westlich zu bringen, in Berlin
      wäre er in Bonnies Ranch de.wikipedia.org/wiki/Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik
      gelandet, das wollte ich ihm ersparen.

      Ich habe 2 Tickets Reichsbahn/ Bundesbahn gekauft und versucht, ihn zu den Eltern
      zu bringen, damit er "betreut" runter kommen konnte. Die Zugfahrt war ein Höllen-
      trip, da er absolut jeden "politisch" aggro belabern wollte, ohne Punkt und Komma.
      Dann kam die Passkontrolle/ DDR-Grenzbeamte und mir ging der Arsch auf Grundeis,
      denn auch diese Herren wurden mit "Rot-Front", Absingen der Internationale etc.
      begrüsst. Dann musste er den Herren auch den roten Stern auf dem Ticket erklären,
      zum Glück merkten die Beamten, dass da jemand völligst spinnert ist. Aber wir
      hätten auch auf einer Polizeistation landen können, denn eine Gefährdung der öff.
      Sicherheit hätte man durchaus belegen können. (fast vergessen, wir wurden wenige
      Jahre vorher mal beide "auseinander genommen", erst der Bundesgrenzschutz, da-
      nach die holländische Polizei, bis auf die Unterhose. Knarre am Kopp hatte ich früher
      häufiger, richtig Angst vor Bewaffneten)
      Es hat dann doch geklappt, am nächsten Tag bin ich völlig erschöpft mit der Bahn
      wieder heim gefahren. Brüderchen versank für über ein Jahr in der Depri, bis zur
      nächsten Phase, er ist bis heute nicht 'schlauer' geworden. :( Das ist mir zu "hoch",
      das werde ich nie verstehen ...
      lgw

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Wendelin ()

    • Rock-Star (Mitte 90)

      Um 20:00 Uhr trat die weltberühmte Hard-Rock-Band in unserer Location auf,
      ab 19:00 Uhr musste ich deshalb ständig erreichbar sein, ab 19:30 in der Licht-
      Regie vor Ort.

      Kurz nach 19:00 Uhr meldete sich verstört die Pförtnerin, Hr. wendelin, einer
      der Rock-Stars will sie sofort sprechen, dringendst !! Mir war zwar keiner der
      Herren persönlich bekannt, musste aber eilig dahin. Was war passiert ?

      Der Personaleingang der Pforte war durch den grossen Kombi des Bruders
      blockiert, Bruderherz stand angetrunken schwankend beim Empfang. :(
      Von Kopf bis Fuss in schwarzem Leder, Stachelarmband, etc., die Augen
      tiefschwarz geschminkt. Die Pförtnerin hielt ihn für den Lead-Sänger/Gitarristen,
      eine Verwechselung durchaus möglich. Er bräuchte dringend Kohle, kein Sprit
      mehr im Tank, kein Geld für Alk etc. Ich hab ihn schnell ins Büro bugsiert, wo
      er irgendwelche seiner Drogen auf den Tisch schmiss. 20 DMark hatte ich dabei,
      danach trollte er sich.
      Noch heute kann ich meine Ängste spüren, wehe, der Vorgesetzte oder der Mobber
      wären reingekommen, das hätte totales Theater gegeben. Und danach die Sorge,
      was stellt er jetzt wieder an. :(

      Könntet Ihr Euren Bruder (Schwester) bei der Polizei wegen Trunkenheit am Steuer
      bei der Polizei anzeigen ? Muddern sagte mir heute, dass er wieder mit Fahne fährt,
      wir können es jedenfalls beide nicht. Er hatte den Lappen schon einmal verloren, erst
      durch den med.psych. "Idiotentest" wieder bekommen. Im Wiederholungsfall ist der
      Lappen ganz weg, und damit auch seine kargen Nebeneinkünfte.

      Sorry, wie kann man nur so dämlich sein, diese Stories über 30 Jahre immer und immer
      wieder fast drehbuchartig zu wiederholen ? Irgendwann muss man das doch merken ?
      Traurige Grüße von wendelin
    • Hallo Wendelin,

      die Frage, ob ich meinen Bruder "anzeigen" würde, würde ich für mich in etwas so klären:

      Wenn er einen Unfall baut im "Suff" und wohlmöglich ein Mensch ums Leben kommt, vielleicht sogar noch ein Kind, würde ich mir da nicht noch weit aus mehr Vorwürfe machen, da ich weiß, ich hätte es verhindern können? Würde ich mir DAS jemals verzeihen können und wie ist es, wenn sogar herauskommt, dass ich den Unfall hätte verhindern können? Und auch wenns nicht raus kommt, könnte ich den Angehörigen jemals ins Gesicht blicken?

      Und wie ginge es meinem Bruder, der irgendwann ja wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren wird. Wird er mir evtl. sogar Vorwürfe machen, dass ich nicht eingegriffen habe? Er hat am Steuer gesessen und hat ein Menschenleben auf dem Gewissen, was er nicht hätte, wenn ich eingegriffen hätte. Wie wird er das verarbeiten können? Wird er jemals wieder glücklich werden können?

      Oder, wenn der Mensch nicht gestorben ist, aber für sein Leben ein Pflegefall wird. Vielleicht einen jungen Menschen die Zukunft komplett versaut?

      Wenn ich mir das alles vorstelle, glaube dann würde ich wohlmöglich doch zum Schluß kommen, dass "Schwesterschwein" in diesem Sinne das Bessere von den möglichen Übeln ist, als "wegzuschauen" und hinterher viele unglückliche Menschen zu haben. Und wenn mein Bruder dann wieder in der "Balance" wäre, würde ich ihm meine Überlegungen bzgl. der "Anzeige" genauso darstellen. Es obliegt dann ihm, ob er das einsehen würde oder mich als "Schwesterschwein" weiterhin in Erinnerung behalten möchte. Dann lieber als "Schwein" gelten auch wenns für alle Ewigkeit wäre, aber dafür kein Leben auf dem Gewissen haben.

      Viele Grüße Heike

      PS: Durch Co-Abhängiges Verhalten als Angehöriger, z.B. in dem man alle Unannehmlichkeiten von dem Betroffenen fern hält und ihm jegliche Steine aus dem Weg räumt (aus Liebe, aus Mitgefühl, aus 'falsch' verstandener Loyalität), hat der Betroffene auch kaum eine Motivation, über sein Handeln, über seine Erkrankung etc. pp. nachzudenken und ggf. dann auch etwas zu ändern.
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).

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    • Danke liebe Heike, genau darüber diskutieren Frau und ich gerade.
      Denk bitte daran, dass wir es nur über Dritte wissen, ich hab meinen
      Bruder in diesem Jahr (Feb.) nur einmal kurz gesehen.
      Es wäre doch wohl eher die Aufgabe der Freundin oder der Eltern,
      die sich aber aus Angst vor künftigen Racheakten nicht trauen.
      Wir haben ihn einmal per Polizei holen lassen, danach waren wir
      die "schwarzen Schafe" für Jahre.

      Allerdings dürfte er nicht bei uns angetrunken auftauchen, ich hab ihm
      schon einmal die Autoschlüssel abgenommen, wir würden auch die Po-
      lizei verständigen. Aber nur nach "HörenSagen" durch Dritte ? Ich weiss
      nicht, nö, das kann ich nicht !

      CU, lgw
    • Hallo Wendelin,

      letztlich müsst ihr es für Euch selbst klären. Ich weiß ja nicht, ob die Mutter dies auch nur vom "Hörensagen" hat oder ob dein Bruder sie mit dem Wagen besucht hatte und sie es also selbst erlebt hat.

      Vielleicht hilft noch eine Überlegung. Ihr habt Kinder, wie ginge es Euch, wenn eines eurer Kinder verunfallen würde, wenn ihr wüsstet dass der Unfallverursacher alkoholisiert wäre. Vor allem, wie ginge es euch, wenn es ernsthafte Verletzungen oder Schlimmeres nachsich ziehen würde.

      Gibt es nicht auch sowas wie eine anonyme Anzeige?

      Es ist sicherlich nicht einfach zu entscheiden. Aber es ist wirklich die Frage, ob du deinem Bruder wirklich damit hilfst, wenn du ihn aus Loyalitätsgründen "schützt".

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Liebe Heike,

      ich hab gerade länger mit Muddern telefoniert, ihr Deine Zeilen vorgelesen.
      Sie hat heute wieder lange mit dem Krisendienst gesprochen, auch Alk und
      Drohungen benannt. Morgen soll ein "Spezialist", beauftragt durch den Krisen-
      dienst, zu ihm fahren und ihm erstmal 8 Tage Klinik nahe legen, geht er nicht
      freiwillig, folgt bald der Zwang.
      Unsere Großstadt ist da ähnlich wie Berlin, es gibt hier zuviel "Durchgeknallte",
      die kann man nicht alle unterbringen, die Harten kommen zuerst in den Garten. :(
      Meine Tochter sagte mir eben, dass die "Geschlossene" vor Ort keine Betten mehr
      hätte, die Patienten würden teilweise erst mal auf Gängen unter gebracht, sie ist
      dort häufiger beruflich (Psychiatrie Freiwilliges Jahr).

      Alles sehr, sehr seltsam :verwirrt: , in anderen Bundesländern habe ich Leute für "Pipi-
      fax" fixiert einwandern sehen. Selbst in den anderen Orten unseres Bundeslandes
      wird das härter gehandled.

      Wie dem auch sei, ich habe getan, was ich tuen konnte, mehr geht nicht ohne
      weiteren Schaden.

      Danke für Deine Meinung :) , liebe Grüße von wendelin
    • Mal was Eigenes :)

      Nach Schule, Lehre, Fach-Abi 1978 (damals ohne Kurssystem, statt der 2ten
      Fremdsprache Technik, sonst damals identisch, Prüfung in Deutsch, English,
      Mathe und Technik, bei mir tech.Zeichnen und darstellende Geometrie), 2
      Semestern Funk/ Nautik Studium in Bremen, danach ein paar Jahre Arbeit
      als Fernmeldetechniker / Bundespost, bekam ich meine 1. Phase in Vollaus-
      prägung, mit allen Ängsten, Zwängen, Manien, Mischphasen usw. etc. pp.
      Natürlich habe ich damals mit einer Psychiaterin gesprochen, allerdings
      hielt ich die für kränker als mich selbst. :(
      Ich war ein sehr "politischer" Mensch, der sich auch nicht scheute, Hausbe-
      setzer öffentlich zu unterstützen, oder auf die verbotene Anti-AKW-Demo
      nach Brokdorf zu fahren, etc.pp. , ein linksaussen Gewerkschafter. :(

      Es kam, was kommen musste, ich kriegte Ärger im Betrieb, Post von der
      Behörde wegen illegaler pol. Tätigkeit, zum Schluss sollte ich verbeamtet
      werden.
      Gleichzeitig völliger Horror in der Familie, ein durchgeknallter Vater kurz
      vor der Zwangspensionierung, eine geflohene Mutter, ein ebenfalls durch-
      geknallter Bruder auf dem Revolutions-Trip. Die 1. langfristige (Heirats)
      Beziehung ging nach 5 J. in die Brüche, es war halt alles "Scheisse" damals.
      Unser Familien-Hausarzt bestärkte mich, weit weg zu gehen, ich hatte
      ihn unendlich oft zur Hilfe gerufen. :(

      Irgendwann habe ich meine Sachen verschenkt, teilweise die Brocken aus
      dem 5.ten Stock geworfen, drehte völlig am Rad, hab das Auto für 50.-DM
      verschenkt, fast Glatze (Haare bis auf die Brustwarzen) geschnitten und
      bin spontan morgens nicht zum Dienst. Dort bin ich dann irgendwann an-
      getanzt und habe SUBITO gekündigt, vorher kam telefonisch der Sozialdienst.
      Ich habe mich aus Dt.land abgemeldet und bin nach und durch Ägypten
      getrampt, hab in Gräben und Hauseingängen übernachtet, auf dem Boden
      der Gesellschaft im jeweiligen Land, Nullkommanull Luxus. Toilettenpapier ?
      Nimm die linke Hand und Sand, Wasser ist kostbar. Wir waren bei Arabern,
      bei Bedus und Fellachen zu Gast, wir haben uralte Gastfreundschaft kennen
      gelernt.

      Meine Manie/ Phase verlor sich im heissen Wüstensand, wie der eklige Fuß-
      pilz an den Füßen (1 Woche), gegen den keine Salbe half. :)
      Es war ein echtes Abenteuer, naiv, durchgeknallt, neugierig, meine Lebens-
      einstellung lies mir keine Wahl.

      Als ich als Bundeswehr-Verweigerer nach Dt.land/ West-Berlin zurückkehrte,
      war ich erwachsen und sehr viel bescheidener geworden, knapp 24 Jahre alt.

      Leid ist immer relativ,

      es gibt KEINE SKALA dafür,

      entscheidend bleibt,

      Leid überwinden zu können,

      weil man es versucht,

      immer und immer wieder



      Ich wünsch Euch was Liebes, ein wieder lächelnder wendelin, der jetzt Frau
      und Kindern das Abendessen auf der Terrasse serviert,
      ich bin dankbar dafür. :)

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Wendelin ()

    • Nachtrag:

      Es war ein extrem langer und anstrengender Tag, trotz vieler Gespräche,
      Telefonate, Mails etc. bleibe ich jetzt deprimiert zurück, die "Unausweich-
      lichkeit des Seins", da helfen weder Medis noch Therapien, Weltschmerz halt.
      Es wäre doch so einfach und geht doch nicht ... Tantalos läßt grüssen .. :(
      halt "ehrbare Familiengeschichte", mehr Schein als Sein ..

      Mich wirft es mal wieder auf mich selbst zurück, was "macht das mit Dir ?"
      Es sind uralte G'schichten, die eigentlich banal und eher lächerlich sind, trotzdem
      entscheidend und wichtig !
      Beispiel: Unsere Mutter ist Kauffrau aus einer reichen (depressiven) Kaufmanns/
      Makler-Familie, ich erinnere mich sehr genau an das (Nazi) hochherrschaftliche
      Haus, mit extrem langen Flur samt dem Wildschwein und 100erten Geweihen
      an der Wand, vor 20 Jahren waren meine Frau und Kids auch in dem Jagdhaus
      im Sauerland, wo meine Oma/ Mutter/ Geschwister den Krieg überlebt haben,
      bedrückend dunkel und archaisch, wieder Trophäen, ein schlimmer Ort, nicht
      der romantisch verklärte Ort Mudderns Kriegskindheit.
      Nach dem Tod der Großeltern haben sich die Kinder heftigst entzweit, sich gegen-
      seitig um das Erbe betrogen, grosse Summen, etliche Suizide, grausames, reiches
      (Nazi) Pack. "Villa Hügel" etwas kleiner, gleiche Denke, gleiche Krankheit !
      Mikrobeispiel gefällig ? Muddern liebte es, Lose zu ziehen, mir sagte man ein glück-
      liches Händchen nach. Bruderherz war im Kindergarten, ich in der Grundschule, als
      wir wieder einmal auf ner Kirmes Lose ziehen mussten.
      Ich hatte den Hauptgewinn, musste mich glücklich zwischen billigen Plastik-Eisen-
      bahnen, Kamera und anderem kinderglücklichbilligmachKram entscheiden.
      Mein kleiner Kindergartenbruder schrie nur, er wolle den riesigen, blauen Kunststoff-
      Bär, den er auch bekam. "Das ist doch Dein kleiner Bruder, das musst Du verstehn",
      sagte Muddern damals und bis heute fort, ich "wäre sonst krank vor Eifersucht" ...

      Das ist exemplarisch, ich möchte einen Song daraus machen, den banalen Schmerz
      transformieren. Damit ich das nicht vergesse, habe ich der "blaue Bär und der weisse
      Ritter" mit Bleistift für mich sichtbar an die Küchentapete geschrieben, es wird ein
      Song werden, egal wie es klingt, denn das heilt mich, schön, falls es auch anderen
      gefällt ? Schaun mer ma, (ob) wann mich die Muse küsst ? :)

      Guts Nächtle wünscht wendelin, der nicht schlafen kann ..

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    • Ich gebe zu, Deine Geschichten gerne zu lesen, lieber Wendelin. Da ist sehr viel Intensität des Lebens und Erlebens drin. Man kann das durchaus positiv sehen, wer kann schon darauf zurückblicken, unter abenteuerlichsten Bedingungen nach und durch Ägypten gereist zu sein? Lass' mal einen Finanzbeamten im Rückblick auf sein Leben berichten, du langweilst dich zu Tode, bestenfalls ist dem ein Stempel-Kissen eingetrocknet, oder eine Zimmerpflanze vom Tisch gefallen. Klar, nicht immer war das alles ganz einfach, aber im Rückblick lohnt wenigstens die Erinnerung.

      Ich selbst hatte ja nur eine Phase, die mir als Manie ausgelegt worden ist. Aber was ich da nahezu stündlich erlebt hatte - und das über etliche Monate - könnte mühelos viele andere Leben ausfüllen. Für meine Umwelt und mich war das partielle Irresein unglaublich strapaziös, die Erinnerung daran möchte ich aber nicht missen. Meine Güte, ich habe Geld aus dem Fenster geschmissen, als sei Onassis mein kleiner Bruder, bin im Sturm einhand nach England gesegelt, um dort für Amnesty International zu demonstrieren, habe mit einer Profi-Rockband bis zum Morgengrauen Musik gemacht (habe mich einfach ans keyboard gesetzt und mitgespielt), danach bin ich am Bahnsteig dehydriert zusammen gebrochen, Klinik, am nächsten morgen selbst entlassen, abgeschlepptes Auto ausgeloest und wieder nach England gesegelt, Bettler in Sterne-Restaurant (der wusste gar nicht, wie ihm geschieht) eingeladen, Verhältnis mit Studentin angefangen, bitterboese Glosse zur englischen Yellow-press veröffentlicht, wieder in Deutschland 1.000,- Eur im Bordell vernagelt, danach Besprechung mit Vorständen eines führenden Dax-Konzerns, tja und am selben Tag Zwangseinweisung auf die wirklich wohlmeinende Meinung meiner Sippe, die mich eher als beschaulichen Typen kennt. Ich habe mich dann innerhalb von drei Wochen aus der Klinik (geschlossene) heraus geklagt, aber der vorherige 'drive' war restlos weg, ich war wieder 08/15.

      Das alles ist sehr lang her, aber ich denke täglich dran, auch mit einem Schmunzeln. Das Ganze hat mich sicher 200.000,- € gekostet, viele angebliche Freunde, eine Menge Mandanten, aber ich will diese Zeit keinesfalls missen, es sind Grenzen ausgelotet worden, die ich ansonsten niemals kennengelernt hätte, ich bin darüber nicht verarmt und auch nicht gestorben, was leicht hätte passieren können. Das alles hat mein Leben sehr bereichert und viel Zutrauen in die Belastungsfähigkeit geschürt.

      Lassen wir also bei allem Klagen über den Stress nicht vergessen, welche Horizonte sich dadurch eröffnet haben. Einen ganz kleinen Tuerspalt wurde ich dafür gerne wieder oeffnen...