Ansprechen und Nichtansprechen auf Medikamente (Neuroleptika)

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    • Ansprechen und Nichtansprechen auf Medikamente (Neuroleptika)

      Gibt es eigentlich Zahlen, wieviel Prozent der Menschen mit bipolaren Störung adäquat auf Medikament ansprechen und wieviele nicht? Vor allem auch auf Neuroleptika. Mich hat beeindruckt, dass z.B. bei Psychosepatienten, die vor allem Stimmen hören, 40% nicht auf Medikamente, vor allem auf Neuroleptika ansprechen. Das ist ja doch eine sehr hohe Quote. Es deckt sich mit meinen beruflichen Erfahrungen.

      Vor allem bei Menschen mit Psychosen und Schizophrenie in der Diagnostik wird unter anderem dadurch auch umgedacht und andere Möglichkeiten außerhalb der Medikation rücken dann in das Blickfeld. Es gibt viele Publikationen darüber, aber ich habe fast nichts in Bezug auf die bipolare Störung entdeckt. Das Thema recoveryorientierte Behandlungsformen wird meistens in Bezug auf Psychosen und Schizophrenie behandelt.

      Hat man das Thema bei der bipolaren Störung noch nicht so entdeckt?
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Was ist, wenn gar ein Teil dieser Menschen gar keine Stimmen in dem Sinn hört, wie es beispielsweise Schizophrenie tun? Dann stimmen auch die 40% auch nicht. Manchmal werden einen Dinge in den Mund gelegt, die man so nicht gesagt hätte oder einem wird vorschnell das Wort abgeschnitten, weil der Behandler denkt, er habe schon verstanden/genug gehört. Hab ich alles schon erlebt.

      Die anfängliche Behauptung stelle ich einfach so dreist in den Raum, als jemand, der selbst fälschlicherweise ganz ganz am Anfang einst eine F20 als Diagnose trug, aber man glücklicherweise drarauf kam, dass es sich anders verhält und das das, was ich schilderte ganz und gar nichts mit "Stimmen hören" zu tun habt. Trotzdem entging auch ich anfangs der Neuroleptika nicht. Aber wie zu erwarten, wirkt ein solches nicht, wenn es sich nicht um "inhaltliche Denkfehler" handelt. Da wurde man stutzig. Mein Glück. Ich will nicht wissen, was andere für eine Odyssee durchmachen, bis mal jemand seine Diagnose überdenkt.
      Aber dazu muss man einem Patienten erstmal richtig zuhören und auch bereit sein möglicherweise seine ersten Ansätze kritisch in Frage zu stellen und auch mal eine Diagnose zu ändern.

      Wenn ein NL nicht wirkt muss man sich fragen, ob entsprechendes Medikament einfach im Gehirn an der falschen Stelle ansetzt (auch bei Bipolaren). Es könnte trivialer Weise auch einfach der Fall sein, dass der Patient sie nicht oder nicht regelmäßig genug nimmt oder zu wenig oder ein anderes Medikament die Wirkung abschwächt, es zu schnell abgebaut wird usw.

      LG, Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.
    • Hallo Zaubernuss,

      nein, hier handelt es sich wirklich um Stimmenhörer, die es auch von sich selbst behaupten. Sie nehmen oder nahmen regelmäßig ihre Medikamente. Es ist tatsächlich so, dass viele nicht auf Medikamente ansprechen.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Hallo Zaubernuss,

      ich antworte mal mit einem Zitat von der webseite stimmenhoeren.de/



      ... schrieb:

      Das Stimmenhören

      Wer Stimmen hört, hört ganz real gesprochene Worte, die nur er selber wahrnehmen kann. Etwa 6 - 15 % (Untersuchung von John Hearst 2011) aller Menschen hören irgendwann einmal in ihrem Leben Stimmen – ein Großteil davon, ohne dabei krank zu sein. Das Stimmenhören tritt oft in Verbindung mit einem einschneidenden Erlebnis im Leben auf, z.B. können sie im Trauerfall trösten oder bei Hochseeseglern auftreten, die lange Zeit unter extremen Bedingungen alleine sind. Gerade wenn die Stimmen im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung auftreten, sind sie oft sehr quälend.

      Und da geht es mir um diejenigen, die die Stimmen als extrem quälend und bedrohlich empfinden. Das sind auch jene, die ich in meinem beruflichen Umfeld erlebe. Sie bekommen Medikamente, auch oft sehr viel, aber die Stimmen werden weiterhin als quälend wahrgenommen.

      Da das bei vielen weiterhin so ist, versucht man in diesen Bereichen schon andere Wege zu gehen. Da bekommt die Recoveryorientierte Behandlungsform einen wesentlichen Stellenwert.

      Auch bei vielen anderen Psychose-Erfahrenen ist vielfach die Medikation schon ausgereizt. Die meisten Bücher über andere Behandlungswege und Alternativen, werden gerade in diesen Bereichen geschrieben und es erhält langsam Einzug in die Pflegekonzepte.

      Bezüge zur bipolaren Störung habe ich dort selten gefunden, obwohl auch dort viele Menschen sind, die trotz Medikamente weiterhin unter ihrer Symptomatik leiden.

      Finnland hat ja gerade auch für die Schizophrenie über Opendialog-Verfahren, Familientherapie und Reflecting Team-Interventionen schon große Erfolge außerhalb der NL-Vergabe verzeichnen können.

      Da ist meine Frage, entweder wurde bzgl. bipolarer Störung in diesem Bereich noch zu wenig geforscht oder es passen die Konzepte nicht oder die Konzepte wurden bei der bipolaren Störung noch kaum angewendet.
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Heike ()

    • Eben, das mein ich. Auch die Quelle geht nicht näher darauf ein.
      Es ist nämlich ein großer Unterschied, wie man Stimmen hört, denn das lässt eine ganz andere Urache zu (und damit auch eine ganz andere Diagnose, falls überhaupt).

      Schon noch recht harmloses Stimmenhören kann sehr verängstigend sein und extren verunsichern und beunruhigen. Es ist mir nur ein einziges Mal in enormer Stress-Situation für einen kurzen Moment passiert, aber das eine Mal hat gereicht. Seither kenne ich sehr gut den Unterschied zwischen "inneren" und "äußeren".
      Wenn man also nicht genauer nachfragt, dann antwortet der Patient einfach mit "ja" und vielleicht werden sie tatsächlich noch näher benannt nach dem Typ, aber nicht woher sie kommt. Einem erfahrenem und guten Diagnostiker wird das nicht passieren (davon gehen ich mal aus), aber nicht alle Leute, die an Studien beteiligt sind, sind das.

      Um eine verlässliche Aussage treffen zu können, müsste man also eine Metaanalyse heranziehen. Der Haken an solchen Analysen ist, das hier mind. mehrere Studien mit vielen Patienten verglichen werden (mitunter viele tausend). Würdest du deine Finger dafür ins Feuer legen, dass die alle sauber diagnostiziert haben (trotz Manual)? Ich nicht. Es gibt noch ein viel größeres Problem: die haben nicht alle das gleiche Studiendesign. Sachen sind nur vergleichbar, wenn sie zumindest sehr sehr ähnlich sind. Aber bei einer Metaanalyse kannst du davon ausgehen, dass nicht alle exakt gleichen Zeitpunkte zur Erhebung der Daten gewählt haben, andere Dosen verabreicht wurden, andere Medikamente....

      Was ich damit sagen will ist: man muss solche Zahlen (wie die 40%) trotzdem kritisch sehen.
      Auch ich kenne Erkrankte, die so sehr unter ihren Stimmen leiden und die recht eindeutig sind, wie du sie meinst. Ja es gibt sie, auch nicht zu knapp, aber stimmen die 40%? Ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass alle Studienteilnehmer so drauf waren, wie das, was du meinst. Da müsste man bei jeder verwendeten Studie gucken, was hatten die für Einschlusskriterien.

      Nun zur eigentlichen BS:

      Da geht es ja um was anderes, dass v.a. durch Umweltfaktoren massivst beeinflusst wird. Viel mehr, als bei Schizophrenie.
      Wären meine Lebensumstände andere und würden bestimmte Stressoren nicht existieren oder aus der Welt geschafft werden, hätte ich mit einem Schlag einen wesentlich besseren Krankheitsverlauf und v.a. nicht immer diese unterschwellig vor sich hin blubbernde (latente) Suizidalität. Es gibt einfach zu viele Stellen, an denen die Erkrankung immer wieder neue Energie zieht und die Symptomatik unterhält. Aber das hat auch eine gegenseitige Dynamik. Ein Medikament kann nicht all deine Probleme wegzaubern. Manche Sachen muss man aktiv aus der Welt schaffen. Da kann auch das Medikament nichts für. Nimmst du eines, dass dich so gegen Stress unempfindlicher macht und das dich fähig macht, dich mit bestimmten Sachen auseinander zu setzen und auch arbeiten zu können ect., dann läuft die Sache auch. Ist dem nicht so, dann kommt noch mehr Quatsch dazu, um den die dich nicht kümmern musst oder willst und der Berg wird immer größer. Dann macht es den Anschein, das Medikament würde nicht helfen. Aber gegen sowas kann es nicht ankommen.

      Aber ja, aber ich kenne auch das Problem mit dem Nicht-Ansprechen auf einen Teil der Antipsychotika (und nicht nur die). Auch ich habe welche genommen und das wahrlich nicht immer erfolgreich. Und wie bei eigentlich so gut wie allen Medikamenten habe ich das Problem, dass es anfangs vielleicht noch gut hilft, aber dann kommt schnell die Gewöhnung und es ist nicht mehr so gut und dann irgendwann hab ich das Gefühl, dass es kaum noch einen Unterschied macht. Wenn das eine Weile so geht, stauen sich viele Probleme auf, die dann Depressionen anfeuern usw. Auf manche Antipsychotika zeigte ich auch gar keine Reaktion im Sinne einer Verbesserung (z.B. Abilify, Seroquel XR). Das nicht retardierte Serquel half anfangs nicht so schlecht. Das wird auch anderen so gehen. Auch gab es eines, dass krasseste Mischzustände induziert hat und totale Schlaflosigkeit und beides zusammen ist für Menschen mit BS auf die Dauer eine tödliche Mischung aus NW.

      Ich nehme nach wie vor (u.a.) Lamotrigin, wenn auch nur wenig und trotz dessen, dass ich Anfang des Jahres massive Schwierigkeiten damit bekam. Auch wollte ich es bei dem Zwischenfall loswerden, aber ich weis nach wie vor keine Alternative, die tatsächlich sowohl erfolgsversprechend ist und aber von den NW o.k. ist Bei dem, was sie mir in der Klinik vorgeschlagen haben, konnte ich keinen absehbaren Behandlungserfolg erkennen und dachte mit "können die eigentlich nicht zuhören?" Davon mal abgesehen sollte spätestens der Oberarzt wisen, das das Müll war, denn es gibt genug Studien, die belegen, das das ausgewählte Medikament für rapid cycler solcher Geschwindigkeit äußerst wenig erfolgsversprechend ist- um nicht zu sagen: gar nicht.

      So, jetzt muss ich aufstehen. Ich könnte kotzen. Ganz Pfingsten arbeiten und auch noch Dienstag nach den Vorlesungen :sterbekrank:

      Grüße, Nüssli
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.