Die Krise der Psychopharmaka - ein Beitrag vom Deutschlandfunk

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    • Die Krise der Psychopharmaka - ein Beitrag vom Deutschlandfunk

      Hallo,

      ich fand diesen Beitrag sehr interessant. Dort kommen mehrere Personen zu Wort und es wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Es geht nicht um ein generelles Verteufeln von Psychopharmaka, sondern um eine kritische Betrachtung. Es wird mehr und mehr überlegt, ob Lebensqualität statt alleinig nur auf Symptombekämpfung zu schauen, das eigentliche Ziel sein sollte. Denn Lebensqualität können auch jene Menschen erzielen, die nicht gänzlich von ihren Symptomen befreit sind. Daraus ergeben sich wesentlich mehr Möglichkeiten einer Behandlung, als nur die medikamentöse Option.

      Viele Grüße Heike

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      Aufmacher:

      "Statt Psychotiker oder schwer Depressive hinter Klinikmauern zu sperren, konnten Ärzte sie seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit Medikamenten behandeln. Raus aus der Isolation, zurück ins Leben – die starken Nebenwirkungen schienen dafür als Preis nicht zu hoch. Doch dieser Konsens bröckelt, seit immer mehr Kritiker behaupten, die Substanzen würden nicht wirken.
      Von Martin Hubert"

      Deutschlandfunk - Die Krise der Psychopharmaka
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Hallo Heike!


      Ich verstehe das sehr gut und selbst nehme ich auch in Kauf, dass nicht alles im Keim erstickt wird. Natürlich könnte ich meht von jenem nehmen und zusätzlich noch andres, aber ich lasse der Langzeitperspektive wegen und auch weil ich zu viele NW nicht ertragen kann. Dann hat man vielleicht noch weniger Symptome, dafür aber ist man dann nicht durch die Erkrankung eingeschränkt, sondern durch NW.
      Langzeitperspektivisch möchte ich nicht zig Folgeerkrankungen bekommen und ich bin für manche schwer vorbelastet (z.B. Diabetes, Bluthochdruck...).
      Aber wenn du das einem Durchschnittspsychiater gegenüber erklärst, dann bist du schon in der Regel durchgefallen oder negativ aufgefallen. Nenn es wie du willst. Hier vor Ort hat man es dann jedenfalls sehr schwer. Hier findet man doch noch meistens eine Art paternistisch anmutendes Behandlungsverhältnis. Hier hat man nicht selbst zu denken, zu überdenken, kritisch zu denken, gesundheitsprophylaktisch zu denken. Mir kommt es immer mehr wie ein riesen Trugbild vor, dass sie säen. Sie wollen immer erzählen die Psychiatrie hätte so viel moderne Ansichten usw. Aber offensichtlich herrschen da immer noch die alten maroden Ansichten, sobald man dort als Patient aufschlägt.
      Fragen die sich nie, wie sie sich ihre Behandlung vorstellen würden, wenn SIE der Patient wären? Würden sie allen Quatsch mitmachen, ungeachtet dessen, was die Folgen sein könnten? Wollten sie benebelt durch den Tag laufen? Nicht Auto fahren können? Nachts wie narkotisiert neben ihrem Partner im Bett liegen? Auf Sex verzichten, weil untenrum nichts mehr geht? Was glauben die, wie lange eine Beziehung hält, wenn das plötzlich wegbricht? Wollten die völlig aus dem Leim gehen und sich unattraktiv finden und angeekelt an sich runtersehen um gleich noch einen weiteren Grund zu haben, wieder depressiv zu werden oder erst gar nicht da raus zukommen??...Mir würden noch viele andere Fragen einfallen..


      LG, IM
      Was tun nach dem Absturz?
      Aufstehen. Krönchen richten. Würdevollen Schrittes weitergehen.
    • Hallo Nüssli,

      sowohl in der Fachliteratur als auch durch meine beruflichen Erfahrung, ist zu erkennen, dass Medikamente häufig nicht die Wirkung haben, was man ihnen gemeinhin unterstellt. Viele haben trotz hoher Medikation weiterhin noch ihre Symptome, nur kommen, wie du schon schriebst, die starken Nebenwirkungen noch hinzu.

      Sollte es formals, wie im Aufmacher angedeutet, gerade dazu dienen, die Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren, sieht man heute, dass dies nur bedingt möglich ist. Für manche mögen Medikamente wirklich der Segen sein, für andere zumindest eine Besserung, aber für eine doch recht große Gruppe hält sie nicht das, was sie verspricht, sondern zwingt diese, erst durch Medikamente ein zurückgezogenes Leben zu führen.

      Ich verstehe jene Ärzte auch nicht, die einerseits eigentlich "Compliance" unbedingt wollen, aber durch ihr eigenes Verhalten, dieses völlig untergraben. Wenn ich nur all die Beiträge im D-Forum sehe, wo viele gerade deshalb abgesetzt haben, weil ihre Ärzte nicht auf ihre Bedenken, Fragen und Wünsche eingegangen sind, dann sollte dies doch zu denken geben.

      Umfragen ergaben (leider kann ich gerade die Quelle nicht finden), dass Psychiater selbst oder ihren eigenen Angehörigen keine oder nicht gerne Neuroleptika geben würden. Also ist vielen sehr wohl bewusst, was diese Substanzen an Nebenwirkungen mit sich bringen und wie sie auch das Gehirn verändern.

      Die kongnitiven Einschränkungen, die Menschen haben, die Psychose-Erfahren sind und daraufhin hochmedikamentiert wurden, kann ich bei meiner Arbeit stets beobachten. Diese Menschen nehmen seit Jahren und Jahrzehnten hochdosierte Medikamente teils in unglaublichen Cocktails. Sind diese aber Symptomfrei? Nein, sind sie nicht, aber die Nebenwirkungen sind erschreckend und sie leben in einem Heim, also haben diese Medikamente nicht dazu beigetragen, dass sie wieder intergriert werden können.

      Die meisten haben kaum eine Psychotherapie außer vielleicht Beschäftigungstherapie durchlaufen. Auf Symptome wurde nur noch mehr Medikamente gegeben. Mittlerweise wollen sie es ja selber, weil sie keine andere Möglichkeit sehen. Es führt sogar dazu, dass sie sehr starke Angst haben, falls es ihnen wieder besser gehen sollte, dass sie weniger Hilfen bekommen. Also erlernte Hilflosigkeit, die dazu führt das Autonomie und Genesung mit großer Angst besetzt ist.

      Diejenigen, die unbequem sind, die einen Eigensinn entwickeln und nach Autonomie streben, sind sicherlich teils auch sehr herausfordernd im Umgang, aber sie bewahren sich die Hoffnung, irgendwann aus dem "System" aussteigen zu können. Sie suchen auch nach anderen Wegen, da kommt es natürlich dann auch zum plötzlichen Absetzen, was natürlich dann in eine Absetzpsychose oder -manie endet. Dennoch hat sich auch in der Recovery-Forschung herausgestellt, dass diese Menschen durchaus mehr Chancen haben, wieder integriert zu werden, wenn sie auf ihrem Autonomie-Weg begleitet werden können und ihr Eigensinn genutzt wird.

      Das bedeutet eben auch, dass bei diesen die Symptomfreiheit nicht der wichtigste Punkt ist, sondern die Lebensqualität, die soziale Integration, Arbeit und ein Abkoppeln vom psychiatrischen System hin zu einem normalisiertem Leben.

      Obwohl es schon viele Forschungen darüber gibt, die diese Aspekte aufgreifen, scheint dies aber noch lange nicht dort anzukommen, wo es gebraucht wird, im Hilfesystem selbst. Deshalb müsste es zum Qualitätsstandard gehören, dass in diesem System Erfahrene Experten mitarbeiten und auch in Forschung und Lehre gleichberechtigt dran teilhaben.

      In anderen Ländern sind sie schon recht weit damit, aber im deutschsprachigen Raum, steckt es eben noch in den Babyschuhen. Da bleibt die Frage, wie man dieses Wissen voranbringen kann und immer stärker auch bei den großen Kongressen eine Rolle spielt.

      Viele Grüße Heike

      PS: Möchte nochmal darauf hinweisen, dass ich persönlich nicht generell gegen Psychopharmaka bin auch nicht generell gegen Neuroleptika, sondern nur den Schwerpunkt auf Medikation und der Vergabepraxis, wie auch der parternalistische Umgang mit Betroffenen sehr kritisch sehe.
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Heike ()

    • Heike schrieb:

      Das bedeutet eben auch, dass bei diesen die Symptomfreiheit nicht der wichtigste Punkt ist, sondern die Lebensqualität, die soziale Integration, Arbeit und ein Abkoppeln vom psychiatrischen System hin zu einem normalisiertem Leben.
      Hallo Heike, lieben Dank für den Link und die beiden tollen Beiträge ! Du sprichst mir aus der Seele,
      daher stimme ich Dir 100% zu, wie schön, wenn diese Dinge angesprochen werden können.


      Heike schrieb:

      Die kongnitiven Einschränkungen, die Menschen haben, die Psychose-Erfahren sind und daraufhin hochmedikamentiert wurden, kann ich bei meiner Arbeit stets beobachten. Diese Menschen nehmen seit Jahren und Jahrzehnten hochdosierte Medikamente teils in unglaublichen Cocktails. Sind diese aber Symptomfrei? Nein, sind sie nicht, aber die Nebenwirkungen sind erschreckend
      In der 1 jährigen beruflichen Reha hatte ich solche Mit-Patienten/ Absolventen, völlig gruselig,
      diese Menschen täglich leiden zu sehen. :(( Darunter war eine sehr junge Frau, gelernte
      Bäckerin/ Konditorin, die kaum in der Lage war, dem Geschehen zu folgen. Sie war so zuge-
      knallt, dass man das immer ihren Gesichtszügen ansehen konnte. Ich habe mich damals tat-
      sächlich gefragt, warum man diese Frau in eine berufliche Reha quetscht, da sie offensicht-
      lich auf Dauer erwerbsunfähig bleiben würde. Aber es muß ja alles seinen bürokratischen
      Gang nehmen, Aktenzeichen abarbeiten .. (?) Wieviele Leute warten dringend auf eine solche
      Maßnahme und bekommen sie nicht ? Das habe ich oft im Bekanntenkreis erlebt, darunter auch
      eine Mitpatientin aus der Reha 2008, ehemals Geschäftsführerin, jetzt dauerhaft Hartz4, wenig
      jünger als ich, Maßnahme abgelehnt, Abstellgleis.


      Heike schrieb:

      Umfragen ergaben (leider kann ich gerade die Quelle nicht finden), dass Psychiater selbst oder ihren eigenen Angehörigen keine oder nicht gerne Neuroleptika geben würden. Also ist vielen sehr wohl bewusst, was diese Substanzen an Nebenwirkungen mit sich bringen und wie sie auch das Gehirn verändern.
      Ich habe das auch gelesen, weiss die Quelle aber auch nicht mehr.


      Heike schrieb:

      In anderen Ländern sind sie schon recht weit damit, aber im deutschsprachigen Raum, steckt es eben noch in den Babyschuhen. Da bleibt die Frage, wie man dieses Wissen voranbringen kann und immer stärker auch bei den großen Kongressen eine Rolle spielt.
      Die Reha-Stationsoberärztin / Psychiaterin und Thera hat das 2008 tatsächlich "Kinderschuhe"
      genannt. Gedächtniszitat:
      "Bis vor kurzer Zeit galten Psychotiker als nicht psychotherapierbar, daher war Medikamentierung
      der einzige Weg. Bildgebende Verfahren zeigen aber, dass auch diese Menschen von der Psycho-
      therapie profitieren, das steckt aber alles noch in den Kinderschuhen". Sie war übrigens die
      Spezialistin für Imagination nach Reddemann, davon habe ich sehr profitiert, nutze das täglich
      fast schon 'automatisch'.


      Heike schrieb:

      Obwohl es schon viele Forschungen darüber gibt, die diese Aspekte aufgreifen, scheint dies aber noch lange nicht dort anzukommen, wo es gebraucht wird, im Hilfesystem selbst. Deshalb müsste es zum Qualitätsstandard gehören, dass in diesem System Erfahrene Experten mitarbeiten und auch in Forschung und Lehre gleichberechtigt dran teilhaben.
      Jawoll !!


      Heike schrieb:

      Möchte nochmal darauf hinweisen, dass ich persönlich nicht generell gegen Psychopharmaka bin auch nicht generell gegen Neuroleptika, sondern nur den Schwerpunkt auf Medikation und der Vergabepraxis, wie auch der parternalistische Umgang mit Betroffenen sehr kritisch sehe.

      Word, dem kann ich mich nur anschliessen !

      Es wäre schon ein grosser Fortschritt, wenn man diese Themen vorurteilsfrei diskutieren könnte,
      ohne das Lobbyisten und Mietmäuler diese notwendige Diskussion sofort unterbinden.

      Einen schönen Tag wünscht wendelin, der jetzt ne Runde Motorrad zum Bäcker fährt, um dann
      mit der Tochter genussvoll zu frühstücken, sie ist auf Kurzbesuch bei uns. :*
    • Hallo Wendelin,

      viele Menschen mit hohen Neuroleptika-Gaben über lange Zeit können meist nur noch im geschützen Bereich tätig sein und das ist dann schon viel. Einige können nicht mal mehr das. Oft werden ja die kognitiven Einschränkungen der Erkrankung zu geschoben, aber sowohl Studien, als auch meinepersönliche, aber natürlich unrepresentative, Beobachtung ist, dass dies auch mit den Neuroleptika einhergeht. Die Meisten davon haben keine Monotherapie, sondern sind auf verschiedene Substanzen eingestellt, neben denen sie noch Medikamente gegen die Nebenwirkungen nehmen müssen.

      Hinzu kommt, dass ein recht großer Teil dann noch Benzo-Abhängig ist, vor allem Tavor in Bereichen von 4-6mg und höher. Diese Menschen haben keine Möglichkeit mehr einer Psychotherapie zugeführt zu werden, da sie viel zu sediert sind. Therapeuten lehnen bei zu hoher Benzo-Abhängigkeit eine Therapie ab. Das finde ich sehr schade, da einige wirklich gewillt sind, etwas zu tun.

      Aber was mich auch nachdenklich stimmt ist die Angst der Menschen vor einer "Genesung". Es kann im Hilfesystem etwas nicht stimmen, wenn die Menschen so abhängig vom psychiatrischen Hilfesystem werden, dass sie sich ein "gut gehen" nicht mal mehr erlauben. Die Angst vor dem Verlust irgend welcher Hilfen ist sehr groß. Verstehen kann ich wohl deren Ängste, da sie ja existentiell sind. Aber sie sind ja im Laufe der Zeit entstanden und ich denke einen großen Einfluss hat sicherlich auch die Erklärung einer Erkrankung, wie auch der Fokus auf Symptombekämpfung und Rückfallvermeidung.

      Symptome zu bekämpfen und Rückfälle zu verhindern hat auch seine Berechtigung, vor allem wenn schlimme Krisen verheerende Auswirkungen haben. Allerdings führt die Schonhaltung auch zu einem eher zurückgezogenem Leben und dass sich diese Menschen nichts mehr zutrauen. Selbst Bezugsbetreuer haben Angst vor Risiken, die sich dann auf die betreffenden Personen auswirken. Dadurch wird alles was mit Reflexion zu tun hat, weil dadurch auch negative Gefühle entstehen und die Stabilität natürlich ins wanken geraten könnte, kritisch gesehen.

      Das verhindert nach meiner Meinung aber eher ein Auseinandersetzen mit sich, mit den Gegebenheiten, mit seinen eigenen Ressourcen und Stärken, die für eine Genesung und Recovery erforderlich wären.

      Gerde in diesem Bezug finde ich die neuen Möglichkeiten bei Stimmenhörer zum Beispiel sehr interessant, aber zu wenig angewendet. Über 40% der Stimmenhörer, die unter ihren Stimmen sehr leiden, sind keine Medikamentenresponder. Dennoch hält die klassische Psychiatrie nur Medikamente bereit. Vielversprechender und hilfreicher für diese große Gruppe an Menschen ist aber die Erfahrungsfokussierte Beratungsmethode von Romme und Escher. Der von ihnen entwickelte maastrichter Fragebogen und daraus resultierende Konstrukte kann Menschen helfen, ihre Stimmen besser zu verstehen und ein anderes Verhältnis zu ihnen aufzubauen. Dies verringert ihr Leiden erheblich und sie können Einfluss auf das Stimmenhören nehmen und so ihre Lebensqualität signifikant steigern.

      Viele Grüße Heike
      Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können (Patricia Deegan 1996).
    • Heike schrieb:

      viele Menschen mit hohen Neuroleptika-Gaben über lange Zeit können meist nur noch im geschützen Bereich tätig sein und das ist dann schon viel. Einige können nicht mal mehr das. Oft werden ja die kognitiven Einschränkungen der Erkrankung zu geschoben, aber sowohl Studien, als auch meinepersönliche, aber natürlich unrepresentative, Beobachtung ist, dass dies auch mit den Neuroleptika einhergeht. Die Meisten davon haben keine Monotherapie, sondern sind auf verschiedene Substanzen eingestellt, neben denen sie noch Medikamente gegen die Nebenwirkungen nehmen müssen.
      Hallo Heike,

      das ist mir auch aufgefallen, viele, viele Male, auch im privaten Bereich. Bei mir zwängt
      sich der Eindruck auf, der nicht stimmen muß (!), wenn man einmal mit dieser "Medi-
      Ballerei" angefangen hat, kommt man nicht mehr davon los, man bleibt in dieser End-
      losschleife gefangen (?) , im D-Forum wurde sogar von Entzugserscheinungen (?) gesprochen.
      Auch deshalb habe ich vor den NeuroMedis solch einen höllischen Respekt, viel hilf nicht
      immer viel nach der Akutbehandlung. Dazu gibt es viele Dr.'s, die von Hause aus gern da-
      mit ballern, ist mir oft genug beim Erstkontakt passiert, und damit waren sie gleich dis-
      qualifiziert für mich ! Ich bin trotzdem froh, dass es zB. Seroquel/ Quetiapin gibt, welches
      ich im Notfall sicher nutzen würde, eine weitere Major-Manie wird es nicht geben, würde
      ich wohl nicht überleben.

      Allerdings gibt es auch Betroffene, die wirklich hohe Dosen an Kombipräparaten nehmen
      müssen, weil sie ansonsten keinerlei Chance hätten. Jedenfalls habe ich Bipos kennen
      gelernt, die nach einem Tag ohne den Stoff völlig von der Rolle waren, aggressiv wurden,
      tätlich ... usw. Dort wüsste ich auch keine andere Lösung, allerdings waren das jahrelange
      Konsumenten, hat sich das in den Stoffwechsel 'eingebaut' ? Wie sind dort Deine Erfahrungen ?


      Heike schrieb:

      Symptome zu bekämpfen und Rückfälle zu verhindern hat auch seine Berechtigung, vor allem wenn schlimme Krisen verheerende Auswirkungen haben. Allerdings führt die Schonhaltung auch zu einem eher zurückgezogenem Leben und dass sich diese Menschen nichts mehr zutrauen. Selbst Bezugsbetreuer haben Angst vor Risiken, die sich dann auf die betreffenden Personen auswirken. Dadurch wird alles was mit Reflexion zu tun hat, weil dadurch auch negative Gefühle entstehen und die Stabilität natürlich ins wanken geraten könnte, kritisch gesehen.

      Das verhindert nach meiner Meinung aber eher ein Auseinandersetzen mit sich, mit den Gegebenheiten, mit seinen eigenen Ressourcen und Stärken, die für eine Genesung und Recovery erforderlich wären.
      Jawoll, exakt so sehe ich das auch ! Und das war der Hauptgrund, lieber den saulangen Weg
      der Psychoedukation und Psychotherapie zu gehen, obwohl ich manchmal nur noch auf dem
      Zahnfleisch kroch. Der Sieg über mich selbst gab mir neue Kraft, der Mensch kann unglaub-
      lich viel ertragen, allerdings nicht über zu lange Zeit, irgendwann bricht jeder Krug, ist der
      Bogen überspannt.


      Heike schrieb:

      Auseinandersetzen mit sich, mit den Gegebenheiten, mit seinen eigenen Ressourcen und Stärken, die für eine Genesung und Recovery erforderlich wären.
      Da lag meine stationär (4x) erarbeitete Lösung meiner Problematik, ich bin den Ärzten, Psycho-
      logen, Therapeuten, auch Ergo, Kunstwerkstatt, Musik, Bewegung (multimodaler Ansatz) unend-
      lich dankbar, dass sie mich wieder auf den richtigen Weg brachten, mich mir meiner wieder selbst
      bewusst machen halfen !! Aber gehen muß ich diesen Weg allein, da kann mir niemand bei helfen !

      Ich wiederhole: Bipo kann sehr, sehr unangenehm sein / werden, es kann mich nach wie vor äusserst
      nerven, aber den unglaublichen Schrecken des Unbekannten, des 'schwarzen Loches', hat es für mich
      verloren, Gott sei Dank ! :biggrin: Ich bin nicht mehr hilflos ausgeliefert, nicht allein mit der Kagge, es
      gibt immer und jederzeit Ansprechpartner, was war ich vorher für ein einsamer Mensch geworden, als
      verheirateter Mann mit 3 Kindern, zurück gezogen in mir selbst, Abwehr und Verteidigungshaltung.
      Was für eine unglaubliche Zeit-und Ressourcenverschwendung, lt. den Sufis die einzige "Todsünde",
      übertragen gesehen kann ich diesen tausend Jahre alten Ideen nur zustimmen. :biggrin:

      "No Pain, No Gain" ; wer Leid um jeden (!) Preis unbedingt vermeiden will, wird es bereuen ... , wir
      wachsen daran, ob wir das einsehen wollen oder auch nicht ...
      Das bedeutet absolut nicht, jeden Schmerz aushalten zu müssen oder wollen, es soll nur heissen, sich
      seiner selbst stellen zu lernen, auch die eigene Fratze auszuhalten, die kann dann durchaus freundlich
      und ganz anders aussehen, wenn man sie denn lässt. :P

      Vielleicht erinnerst Du Dich, dass ich in meiner Anfangsphase möglichst jede Bipo-Erscheinung kennen
      lernen wollte, ich wollte unbedingt mich selbst dort 'einordnen' können. Manche Kontakte, Männlein wie
      Weiblein, hatte die Qualität / Intensität einer 'Verliebtheit', dazu musste es nie körperlich werden,
      manche Bipos kenne ich daher leider nur virtuell, natürliche Distanz machten den Real-Kontakt von schwer
      bis unmöglich.

      Auch das war Recovery, ich verlor dabei etliche Schmerzen des eigenen Selbst im Angesicht böser Qualen
      der Mitmenschen, das nennt man wohl Relativierung.
      1981 habe ich diesen Effekt schon einmal kennen gelernt, als ich manisch (Mischzustand) morgens den
      öff. Dienst kündigte, "ich kann Euch alle nicht mehr ertragen" und dann einfach per Anhalter los ge-
      fahren bin, ziemlich konsequent auch durch Ägypten. Es war ziemlich extreme Gewöhnungssache, Menschen
      vor den Augen hilflos sterben zu sehen, nicht wenig besser in Kairo zu leben, heute für mich unvorstellbar.
      Aber es hat mir Manie und Dysphorien längerfristig genommen, es war tatsächlich Recovery !! Hoffentlich
      konnte ich das verständlich rüber bringen ?

      Last but not least, ich liebe Deine Beiträge und habe grosse Freude an Deiner Entwickelung der letzten
      9 Jahre, Recovery ist möglich, kurzzeitige Rückschläge gehören zu jedem Leben ! Weiter so, Du gibst
      echte Hoffnung auf vielen Ebenen, danke dafür ! Das musst Du wohl jetzt schlucken ..hihi..
      Es gibt nur 2 Menschen aus der Bipo-Szene, mit denen ich längerfristig sporadischen Kontakt habe, das
      bist Du und bibolil, über 8 Jahre mittlerweile.
      Bibo und ich telefonieren fast wöchentlich, sie ist mit über 60 noch Vollzeit berufstätig, perfekt mit Medis
      eingestellt. An ihrem 60. sassen wir, ihr Freund und ich, rechts und links von ihr, mittelalterlich gewandet,
      sie war die Königin mit Krone :P . Sie erklärte ihren Freund und mich als die wichtigsten Männer/ Menschen
      in ihrem Leben, was mir superpeinlich war, weil ihre Kinder/ Enkel auch dort waren. Aber ich kannte auch den
      Kampf in ihrer Familie, das Leid ...

      Letzte Woche hat sie mit über 60 in ihrer alten Heimat erneut geheiratet, diesmal erstmals kirchlich. Wir
      werden das Brautpaar demnächst übers Wochende bewirten, ich freu mich auf die 3 Tage wie Bolle ... :biggrin:

      Unsere Tochter hat den 6 monatigen Semester-Praxisplatz in der Psychiatrie Dresden bekommen, Prof. Bauer
      noch dort ? Ich freu mich :P Nächsten Sommer hat sie den Bachelor, dann soll bald der Psychologie Master
      folgen .. schaun mer ma, sie ist so dünn geworden .. :(


      Genug geschwafelt, alles Liebe von wendelin :P


      Dazu HippieMusik meiner jungen Jahre:





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