Antipsychotika (AP)

Antipsychotika sind eine Gruppe von Medikamenten, die in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Allen ist gemeinsam, daß sie gegen „psychotische Symptome“ (das sind vor allem, aber nicht nur, Wahnvorstellungen und Halluzinationen) wirksamen sind. Im Rahmen der bipolaren Erkrankung werden sie eingesetzt bei

  • akuter Manie
  • Manie mit psychotischen Symptomen
  • einige, vor allem sogenannte „neue“ AP sind wirksam in der Rückfallsprophylaxe
  • und einige haben auch Wirkungen gegen bipolare Depression (v.a. Seroquel, , evtl Zeldox, Zyprexa)

Alle Antipsychotika können Nebenwirkungen haben.
Unter anderem:

Extrapyramidal motorische Störungen (EPS)

Sie entstehen durch die Dopaminblockade im Bereich der Basalganglien (Strukturen im Hirn, die Bewegungen kontrollieren und Dopamin als Botenstoff verwenden) EPS sind häufiger bei sogenannten „alten“ (zB Haldol, Glianimon, Cisordinol) als bei neueren AP (Zyprexa, Seroquel, Risperdal, Zeldox, Abilify) – allerdings sind sie auch bei diesen nicht ausgeschlossen! Nur Leponex (Clozapin) macht gar keine EPS (hat aber dafür andere Nebenwirkungen )

im einzelnen können folgende EPS entstehen

  • Parkinsonoid: motorische Veränderungen, die den Symptomen der Parkinson-Krankheit stark ähneln; u.a. Muskelversteifung (Rigor), Zittern (Tremor), langsame Bewegungen, Unruhe und reduzierte Mimik (stumpfer Gesichtsausdruck); mitunter bleibende motorische Störungen
  • Akathisie: unkontrollierbare Ruhelosigkeit, ständige zwanghafte Bewegungen und manchmal auch ein Herausstrecken der Zunge und Gesichtsgrimassieren v.a. im Anfangsstadium der Behandlung (Frühdyskinesien) . Bei Akathisie helfen auch gut Betablocker (zB Inderal).
  • Spätdyskinesie: ungewollte repetitive Bewegungen des Gesichts, wie Lippenlecken oder Zuckungen, „Zungen-Schlund-Syndrom“ (Schmatz-, Zungen- und Mundbewegungen); bleiben bei einigen Patienten auch nach Absetzen des Medikaments bestehen, v.a. nach chronischer Einnahme von Neuroleptika oder der Einnahme von Depotneuroleptika

Was kann man tun?

  1. ein Gegenmittel geben (zB Akineton – kann intravenös gespritzt oder als Tablette/Saft genommen werden. Achtung: bei ständiger Gabe von Akineton kann dieses abhängig machen)
  2. Umstellen auf eine anderes AP
  3. Verzicht auf ein AP (was allerdings bei Vorliegen von psychotischen Symptomen sehr schwer ist).

Allgemeines zu Antipsychotika

Grundsätzlich ist das Ansprechen auf Antipsychotika von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Auch Ausmaß und Art der Nebenwirkungen können individuell sehr variieren. Wahrscheinlich sind es genetische Faktoren, die sowohl für das unterschiedliche Ansprechen als auch für die Empfindlichkeit bezüglich Nebenwirkungen verantwortlich sind. Die meisten Patienten vertragen insbesondere die Antipsychotika der neuen Generation recht gut und entwickeln kaum Nebenwirkungen. Manchmal kann es aber eine gewisse Zeit dauern, bis Arzt und Patient gemeinsam das Medikament gefunden haben, das individuell am besten vertragen wird. Da antipsychotisch wirksame Medikamente über einen sehr langen Zeitraum genommen werden müssen, ist es von großer Bedeutung, über auftretende Nebenwirkungen offen zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die meisten Psychiater werden versuchen, für ihre Patienten das passendste Medikament zu finden, um zu verhindern, daß aufgrund unerträglicher Nebenwirkungen das Medikament vom Patienten abgesetzt wird, womit ein Rückfall sehr wahrscheinlich wird. Sehr selten müssen Patienten leider gewisse Nebenwirkungen zugunsten von verbesserter Lebensqualität und Symptomfreiheit in Kauf nehmen.

Im folgenden werden die klinisch häufigsten Nebenwirkungen beschrieben, diese Aufzählung erfaßt aber nicht alle möglichen Nebenwirkungen und kann keinesfalls eine detaillierte Aufklärung durch den behandelnden Psychiater ersetzen!

1. Blutdruckabfall:
Tritt häufig am Beginn der Behandlung auf und bildet sich mit zunehmender Gewöhnung an das Medikament zurück. Blutdruckabfall äußert sich in Form eines mehr oder weniger starken Schwindelgefühls oder eines allgemeinen Schwächegefühls.

2.Müdigkeit:
Tritt ebenfalls eher am Beginn einer Behandlung auf und verschwindet meistens innerhalb der ersten 14 Tage.

3. Motorische Nebenwirkungen ( Extrapyramidalsymptomatik,EPS ) :
Darunter versteht man eine Parkinson-ähnliche Symptomatik, die sehr belastend sein kann und wenn, dann fast ausschließlich bei Antipsychotika der ersten Generation auftritt. Symptome sind: Muskelsteifigkeit, besonders im Nacken, den Beinen und in der Rückenmuskulatur. Im schlimmsten Fall kann sich die Nacken -und Rückenmuskulatur so verkrampfen, daß man nicht mehr gerade stehen kann! Zittern, innere Unruhe; Augenmuskelkrämpfe äußern sich in dem Zwang, immer nach oben schauen zu müssen; Zungenschlundkrämpfe äußern sich in einer mehr oder weniger starken Verkrampfung der Schlundmuskulatur mit Schluckstörungen. Bewegungsstörungen in der Kiefermuskulatur und in der Muskulatur rund um den Mund fallen meist der Umgebung als erstes auf.

Alle diese Nebenwirkungen sind durch die zusätzliche Gabe eines Antiparkinsonmittels gut behandelbar!

4. Brustvergrößerung, Milchfluß:
Antipsychotika der ersten und der zweiten Generation können Nebenwirkungen auf die Hormonproduktion der Hypophyse haben und so zu einer Überproduktion des Hormons Prolactin führen. Dies wiederum kann bei Männern und Frauen zu einer mehr oder weniger starken Brustvergrößerung führen, manchmal kommt es sogar zu Milchfluß. Hier muß ein Wechsel des Antipsychotikums in Betracht gezogen werden!

5. Akathisie:
Dieses Symptom äußert sich in Form eines Unruhegefühls in den Beinen es ist so, als könnte man nicht mehr ruhig sitzen oder stehen, ständig verspürt man den Drang, auf und ab zu gehen oder zu trippeln. Akathisie kann sich auch nur als Verkrampfung der Wadenmuskulatur mit Muskelkater -ähnlichen Schmerzen äußern. Auch dieses Symptom kann medikamentös behandelt werden (Beta Blocker).

6. Spätdyskinesien:
Spätdyskinesien, auch tardive Dyskinesien genannt, treten bei 5 von 100 Patienten im ersten Jahr der Behandlung mit Antipsychotika der ersten Generation auf und sind wesentlich weniger wahrscheinlich unter einer Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation. Spätdyskinesien sind unkontrollierbare Bewegungen im Bereich der Kiefermuskulatur, der Zungenmuskulatur und der Hände. Die Symptome sind meistens mild und können durch eine Dosisanpassung oder einen Wechsel des Medikaments rückgängig gemacht werden. Manchmal können sie aber auch so weit fortschreiten, daß sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Es ist daher sehr wichtig, beim Auftreten von unwillkürlichen Bewegungen, zum Beispiel der Zunge, sofort den Arzt aufzusuchen!

7. Akommodationsstörungen (verschwommenes Sehen):
Darunter versteht man Schwierigkeiten, Vom Fern-auf Nahsehen umzuschalten, zum Beispiel braucht man beim Aufschlagen eines Buches länger, bis sich die Augen auf die kleine Schrift eingestellt haben. Erfahrungsgemäß tritt dieses Symptom am Anfang einer Behandlung manchmal auf, bildet sich jedoch rasch zurück.

8. Gewichtszunahme:
Gewichtszunahme ist eine verständlicherweise gefürchtete Nebenwirkung und tritt verstärkt bei bestimmten Antipsychotika auf. Hier ist es wichtig, sich vor der Einnahme eines Antipsychotikums beim behandelnden Arzt zu erkundigen, ob das Risiko einer Gewichtszunahme besteht. Besteht dieses Risiko, kann man von Anfang an mit Diätmaßnahmen und Sport recht gut gegensteuern, oder aber auf ein anderes Medikament umsteigen.

Risiko zur Gewichtszunahme in absteigender Reihenfolge: Clozapin > Olanzapin > Risperidon, Quetiapin > Ziprasidon, Aripiprazol

9. Sexuelle Störungen:
Bei fast allen Antipsychotika können verschiedenste
Störungen des sexuellen Erlebens auftreten. Auch wenn es manchmal unangenehm
oder peinlich ist, darüber zu reden, ist es sehr wichtig, dies dem behandelnden
Psychiater mitzuteilen. Meistens kann durch Dosisreduktion oder Wechsel des
Medikaments eine Lösung gefunden werden!

10. Herzrhythmusstörungen:
Bei allen Antipsychotika kann es zu Veränderungen der Herzfrequenz kommen, daher muß zur Kontrolle regelmäßig ein EKG geschrieben werden.

11. Diabetesrisiko:
Es ist wissenschaftlich noch nicht völlig geklärt, wie das erhöhte Risiko, einen Diabetes zu entwickeln, unter Therapie mit antipsychotischen Medikamenten entsteht. Auf jeden Fall ist es wichtig, regelmäßig den Blutzucker zu kontrollieren.

Risiko für Diabetes in absteigender Reihenfolge:
Clozapin > Olanzapin > Risperidon, Quetiapin > Ziprasidon, Aripiprazol

12. Fettstoffwechselstörungen, Osteoporose:
Auch hier ist nicht restlos geklärt, wie das erhöhte Risiko, einen Diabetes zu entwickeln, unter Therapie mit antipsychotischen Medikamenten entsteht. Auf jeden Fall ist es wichtig, regelmäßig Blutfette zu kontrollieren und zur Knochendichtemessung zu gehen!

13. Depression:
Besonders bei Antipsychotika der alten Generation können Depressionen als Nebenwirkung auftreten. Da dies aber auch ein Symptom der Grunderkrankung sein kann, ist die Differentialdiagnose oft schwierig.

Handelt es sich um eine Nebenwirkung, kann das Antipsychotikum gewechselt werden, oder aber zusätzlich ein Antidepressivum gegeben werden.

Gerade die neuen AP, vor allem Quetiapin, evtl auch Ziprasidon, weniger Olanzapin scheinen aber bei bipolarer Depression einen günstigen Einfluß zu haben!

14. Obstipation, Mundtrockenheit

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