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"MEDIZIN-PR
Elsevier ließ Pseudo-Fachblätter von Pharmafirmen bezahlen
Von Konrad Lischka
Peinliche Panne beim renommierten
Wissenschafts-Verlag: Elsevier hat in Australien jahrelang im Auftrag
von Pharma-Konzernen Zeitschriften herausgebracht, die wie unabhängige
Fachtitel aussahen. Einer ist nun Gegenstand in einem
Schadensersatz-Prozess.
Auf den ersten Blick wirkt das "Australasian Journal of Bone and Joint
Medicine" wie ein respektables Fachmagazin. Auf den ersten Seiten wird
das der Zeitschrift angegliederte Expertengremium vorgestellt: Das
"honorary editorial board" habe 14 Mitglieder, darunter viele mit
Professorentitel.
Im Innenteil finden sich Fachaufsätze von Wissenschaftlern aus aller
Welt mit Zusammenfassungen, Tabellen, Diagrammen und
Quellenverzeichnissen. Im Impressum sieht man unter den Abopreisen (250
australische Dollar für sechs Ausgaben) den Namen und das Logo eines
der renommiertesten und größten Wissenschafts-Fachverlage der Welt:
Elsevier.
Ein gravierendes Manko dieses Pseudo-Fachmagazins hat Elsevier nun in einer
Stellungnahme
eingeräumt. "Ich habe vor kurzem erfahren, dass unsere australische
Tochter in den Jahren 2003 bis 2005 eine Reihe von bezahlten
Sammelpublikationen im Auftrag von Pharma-Unternehmen veröffentlicht
hat, die so gestaltet wurden, dass sie wie Fachmagazine wirkten und
keinen entsprechenden Hinweis enthielten", sagte Elsevier-Manager
Michael Hansen.
Es geht dabei um sechs Titel, wie ein Elsevier-Sprecher dem US-Wissenschaftsmagazin
"The Scientist" bestätigte:
"Elsevier erkennt an, dass die betreffenden Publikationen nicht
angemessen gekennzeichnet waren", teilte das Unternehmen SPIEGEL ONLINE
mit. Es wies allerdings darauf hin, dass etwa der Fall des
"Australasian Journal of Bone and Joint Medicine" bereits sechs Jahre
zurückliege und die Protokolle zur Offenlegung der Finanzierung durch
Firmen inzwischen verbessert worden seien. Elseviers Richtlinien
"werden der Strenge und den Anforderungen des heutigen
Publikationsumfelds gerecht", hieß es.
Wer die Titel in Auftrag gegeben hat, wollte Elsevier nicht sagen.
Beim "Journal of Bone & Joint Medicine" ist allerdings bekannt,
dass Merck, Sharp & Dohme Australia (MSDA), eine Tochterfirma des
US-Pharmakonzerns Merck & Co., im Spiel war. Das Unternehmen räumt
dies selbst in einer Stellungnahme auf seiner Firmen-Website ein.
Elsevier produzierte sechs Pseudo-Fachmagazine
Merck erklärt darin, man sei davon ausgegangen, dass Elsevier ein
"kostenloses Magazin herausbringen wollte, dass die immensen Ressourcen
von Elsevier nutzen sollte, zu dem viele herausragende Fachmagazine mit
Peer-Review-Prozess wie Lancet, Bone, Joint Bone Spine und andere
gehören".
Ausführlich argumentiert Merck gegen den Verdacht, die Artikel über
das Schmerzmittel Vioxx in dem Elsevier-Magazin hätten ein
ausschließlich positives Bild gezeichnet. Als Beleg für die
Ausgewogenheit der Beiträge in dem Auftrags-Magazin führt Merck ausgewählte Zitate und Quellenangaben an, die in der Tat nicht werblich wirken.
Für dieses Vorgehen hat Merck einen triftigen Grund: Im Jahr 2004
nahm das Unternehmen das Schmerzmittel Vioxx vom Markt, weil
Wissenschaftler in Studien ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bei längerer Einnahme nachgewiesen hatten.
Zehntausende von Vioxx-Anwendern verklagten das Unternehmen auf
Schadensersatz. Merck musste hohe Summen für Entschädigungs- und
Vergleichszahlungen aufbringen.
Dass Elsevier Pseudo-Fachmagazine im Kundenauftrag produziert hat,
wurde überhaupt erst in einem Vioxx-Prozess bekannt. Vor einem
australischen Bundesgericht verlangt der Vioxx-Patient Graeme Peterson
Schadensersatz, weil er 2003 einen Herzinfarkt hatte. Ende April
berichtete die Zeitung "
The Australian", dass Merck den Ausführungen der Anklage zufolge "komplette Fachmagazine" produziert haben soll.
Vor Gericht sagte als Zeuge der Anklage der Mediziner George Jelinek
aus, der in Fachgremien für medizinische Fachmagazine tätig ist. Laut
"The Scientist" hat er vier Ausgaben des "Australasian Journal of Bone
& Joint Medicine" studiert und ausgesagt, dass ein
"durchschnittlicher Leser" das Heft leicht mit einem seriösen
medizinischen Fachmagazin verwechseln könne. Er habe nur nach
"eingehender Untersuchung" der Magazine und auf Basis seiner Erfahrung
in dem Bereich feststellen können, dass es sich hierbei nicht um "ein
Fachmagazin mit Peer-Review-Prozess, sondern um eine
Marketing-Veröffentlichung" handelt.
Jelinek zufolge beschäftigten sich in einer von ihm untersuchten
Ausgabe des Pseudo-Fachmagazins vier von 21 Artikeln mit einem Produkt
von Merck, in einer weiteren Ausgabe hatten 21 von 29 Artikel ein
Merck-Produkt zum Thema. Jelinek behauptet, die Artikel würden
überwiegend ein eher positives Bild der Merck-Medikamente zeichnen, was
Merck aber zumindest in Bezug auf Vioxx bestreitet. Ein Bild kann sich
jeder selbst machen - "The Scientist" hat zwei Exemplare des
umstrittenen Magazins zum Download bereitgestellt (Ausgabe 2/2003, Nr. 1 und
Ausgabe 2/2003, Nr. 2).
Peter Laurie, ein von "The Scientist" befragter Experte der
US-Verbraucherinitiative "Public Citizen", spekulierte über die
mögliche Wirkung des Elsevier-Magazins: "Der erfahrene Beobachter
könnte das Heft als das erkennen, was es ist - Marketing. Viele Ärzte
dürften das aber womöglich nicht bemerken und von dem beeinflusst
werden, was sie lesen."
Bislang aber ist völlig unklar, wofür die von Elsevier verlegten
Pseudo-Fachmagazine genutzt und ob sie tatsächlich auch an Ärzte
verteilt wurden. Ohne auf diese Fragen einzugehen, stellt
Elsevier-Manager Michael Hansen in seiner Stellungnahme fest: "Das war
ein nicht akzeptables Vorgehen. Wir bedauern, dass das passiert ist."
"
LG
Eule4
"MEDIZIN-PR
Elsevier ließ Pseudo-Fachblätter von Pharmafirmen bezahlen
Von Konrad Lischka
Peinliche Panne beim renommierten
Wissenschafts-Verlag: Elsevier hat in Australien jahrelang im Auftrag
von Pharma-Konzernen Zeitschriften herausgebracht, die wie unabhängige
Fachtitel aussahen. Einer ist nun Gegenstand in einem
Schadensersatz-Prozess.
Auf den ersten Blick wirkt das "Australasian Journal of Bone and Joint
Medicine" wie ein respektables Fachmagazin. Auf den ersten Seiten wird
das der Zeitschrift angegliederte Expertengremium vorgestellt: Das
"honorary editorial board" habe 14 Mitglieder, darunter viele mit
Professorentitel.
Im Innenteil finden sich Fachaufsätze von Wissenschaftlern aus aller
Welt mit Zusammenfassungen, Tabellen, Diagrammen und
Quellenverzeichnissen. Im Impressum sieht man unter den Abopreisen (250
australische Dollar für sechs Ausgaben) den Namen und das Logo eines
der renommiertesten und größten Wissenschafts-Fachverlage der Welt:
Elsevier.
Ein gravierendes Manko dieses Pseudo-Fachmagazins hat Elsevier nun in einer
Stellungnahme
eingeräumt. "Ich habe vor kurzem erfahren, dass unsere australische
Tochter in den Jahren 2003 bis 2005 eine Reihe von bezahlten
Sammelpublikationen im Auftrag von Pharma-Unternehmen veröffentlicht
hat, die so gestaltet wurden, dass sie wie Fachmagazine wirkten und
keinen entsprechenden Hinweis enthielten", sagte Elsevier-Manager
Michael Hansen.
Es geht dabei um sechs Titel, wie ein Elsevier-Sprecher dem US-Wissenschaftsmagazin
"The Scientist" bestätigte:
- "Australasian Journal of General Practice"
- "Australasian Journal of Neurology"
- "Australasian Journal of Cardiology"
- "Australasian Journal of Clinical Pharmacy"
- "Australasian Journal of Cardiovascular Medicine"
- "Australasian Journal of Bone & Joint Medicine"
"Elsevier erkennt an, dass die betreffenden Publikationen nicht
angemessen gekennzeichnet waren", teilte das Unternehmen SPIEGEL ONLINE
mit. Es wies allerdings darauf hin, dass etwa der Fall des
"Australasian Journal of Bone and Joint Medicine" bereits sechs Jahre
zurückliege und die Protokolle zur Offenlegung der Finanzierung durch
Firmen inzwischen verbessert worden seien. Elseviers Richtlinien
"werden der Strenge und den Anforderungen des heutigen
Publikationsumfelds gerecht", hieß es.
Wer die Titel in Auftrag gegeben hat, wollte Elsevier nicht sagen.
Beim "Journal of Bone & Joint Medicine" ist allerdings bekannt,
dass Merck, Sharp & Dohme Australia (MSDA), eine Tochterfirma des
US-Pharmakonzerns Merck & Co., im Spiel war. Das Unternehmen räumt
dies selbst in einer Stellungnahme auf seiner Firmen-Website ein.
Elsevier produzierte sechs Pseudo-Fachmagazine
Merck erklärt darin, man sei davon ausgegangen, dass Elsevier ein
"kostenloses Magazin herausbringen wollte, dass die immensen Ressourcen
von Elsevier nutzen sollte, zu dem viele herausragende Fachmagazine mit
Peer-Review-Prozess wie Lancet, Bone, Joint Bone Spine und andere
gehören".
Ausführlich argumentiert Merck gegen den Verdacht, die Artikel über
das Schmerzmittel Vioxx in dem Elsevier-Magazin hätten ein
ausschließlich positives Bild gezeichnet. Als Beleg für die
Ausgewogenheit der Beiträge in dem Auftrags-Magazin führt Merck ausgewählte Zitate und Quellenangaben an, die in der Tat nicht werblich wirken.
Für dieses Vorgehen hat Merck einen triftigen Grund: Im Jahr 2004
nahm das Unternehmen das Schmerzmittel Vioxx vom Markt, weil
Wissenschaftler in Studien ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bei längerer Einnahme nachgewiesen hatten.
Zehntausende von Vioxx-Anwendern verklagten das Unternehmen auf
Schadensersatz. Merck musste hohe Summen für Entschädigungs- und
Vergleichszahlungen aufbringen.
Dass Elsevier Pseudo-Fachmagazine im Kundenauftrag produziert hat,
wurde überhaupt erst in einem Vioxx-Prozess bekannt. Vor einem
australischen Bundesgericht verlangt der Vioxx-Patient Graeme Peterson
Schadensersatz, weil er 2003 einen Herzinfarkt hatte. Ende April
berichtete die Zeitung "
The Australian", dass Merck den Ausführungen der Anklage zufolge "komplette Fachmagazine" produziert haben soll.
Vor Gericht sagte als Zeuge der Anklage der Mediziner George Jelinek
aus, der in Fachgremien für medizinische Fachmagazine tätig ist. Laut
"The Scientist" hat er vier Ausgaben des "Australasian Journal of Bone
& Joint Medicine" studiert und ausgesagt, dass ein
"durchschnittlicher Leser" das Heft leicht mit einem seriösen
medizinischen Fachmagazin verwechseln könne. Er habe nur nach
"eingehender Untersuchung" der Magazine und auf Basis seiner Erfahrung
in dem Bereich feststellen können, dass es sich hierbei nicht um "ein
Fachmagazin mit Peer-Review-Prozess, sondern um eine
Marketing-Veröffentlichung" handelt.
Jelinek zufolge beschäftigten sich in einer von ihm untersuchten
Ausgabe des Pseudo-Fachmagazins vier von 21 Artikeln mit einem Produkt
von Merck, in einer weiteren Ausgabe hatten 21 von 29 Artikel ein
Merck-Produkt zum Thema. Jelinek behauptet, die Artikel würden
überwiegend ein eher positives Bild der Merck-Medikamente zeichnen, was
Merck aber zumindest in Bezug auf Vioxx bestreitet. Ein Bild kann sich
jeder selbst machen - "The Scientist" hat zwei Exemplare des
umstrittenen Magazins zum Download bereitgestellt (Ausgabe 2/2003, Nr. 1 und
Ausgabe 2/2003, Nr. 2).
Peter Laurie, ein von "The Scientist" befragter Experte der
US-Verbraucherinitiative "Public Citizen", spekulierte über die
mögliche Wirkung des Elsevier-Magazins: "Der erfahrene Beobachter
könnte das Heft als das erkennen, was es ist - Marketing. Viele Ärzte
dürften das aber womöglich nicht bemerken und von dem beeinflusst
werden, was sie lesen."
Bislang aber ist völlig unklar, wofür die von Elsevier verlegten
Pseudo-Fachmagazine genutzt und ob sie tatsächlich auch an Ärzte
verteilt wurden. Ohne auf diese Fragen einzugehen, stellt
Elsevier-Manager Michael Hansen in seiner Stellungnahme fest: "Das war
ein nicht akzeptables Vorgehen. Wir bedauern, dass das passiert ist."
"
LG
Eule4
"So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."
Felix Kriwin
Felix Kriwin