Hörfunk-Tipp für Philosophisch-Interessierte: Agnes Heller

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    • Hörfunk-Tipp für Philosophisch-Interessierte: Agnes Heller

      Hi,
      Deutschlandradio Kultur sendet morgen, Samstag, 12. Mai, ab 00.05 bis 03.00 im Rahmen der Sendereihe Lange Nacht ein Programm mit der ungarischen Philosophin Agnes Heller, eine der wenigen verbliebenen Stimmen der Vernunft im gegenwärtigen Ungarn, dessen konservatives Regime kaum noch vom faschistischen Herrschaftstypus zu unterscheiden ist. Folgerichtig wurde und wird Agnes Heller buchstäblich an Leib und Leben bedroht. Im Ankündigungstext heißt es:
      Die Schönheit von guten Menschen

      Eine Lange Nacht mit Ágnes Heller


      Von Jochanan Shelliem

      "Ági, lehn dich nicht aus dem Fenster, der Ruß fliegt dir in die Augen", hatte ihre Mutter oft gesagt. Ágnes Heller hat sich ihr Leben lang exponiert. Um die gelbe Straßenbahnen am Donauufer zu erblicken, die der am 12. Mai 1929 geborenen Philosophin bis heute Heimatgefühle evozieren: Budapest, die Heimatstadt des Vaters, der später deportiert worden war, das Donauufer, wo der Fluss zur Zeit der Pfeilkreuzler blutig rot floss und die erste Lukács-Vorlesung, bei der sie nichts verstand "aber wusste, dass es das Wichtigste war, was ich je hörte."

      Sie wird Georg Lukács' Meisterschülerin und seine Vertraute. Sie erzählt von der Euphorie vor 1956 und vom Nebelkloster, der zur Kadar Zeit bespitzelten und ausgegrenzten Budapester Schule, von Parias und Parvenüs und von der für sie existenziellen Frage, warum die Wahrheit für den Philosophen lebenswichtig ist. Berufsverbot, Bespitzelung, Emigration. 1977 geht Ágnes Heller nach Australien. 1988 übernimmt sie Hannah Arendts Lehrstuhl an der New School in New York.
      Im Gespräch mit Jochanan Shelliem berichtet Ágnes Heller von Begegnungen mit Ernst Bloch und Jürgen Habermas und Millionären wie George Soros. Und von der Schönheit guter Menschen, spricht die Grand Dame der ungarischen Philosophie. "Gute Menschen", so Ágnes Heller im wieder frisch geknebelten Budapest, "sind unsichtbar."

      URL:
      dradio.de/dkultur/sendungen/langenacht/

      Die Sendung ist als Live Stream sowie später als Audio on Demand zu hören und wird gleichfalls morgen ab 23 Uhr vom Deutschlandfunk wiederholt [dradio.de/dlf/programmtipp/langenacht/1714974/]

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Hallo Alexander und Eule,
      danke meinerseits für euer Interesse. Auf deine Frage Eule
      was sagst Du in Bezug auf das Thema Philosophie denn zu der Sloterdijk-Precht- Kontroverse ?
      möchte ich nur kurz eingehen, und zwar aus zwei Gründen:

      Erstens handelt es sich (bisher) nicht um eine philosophische Kontroverse, sondern um zwei verschiedene Stile des öffentlichen Philosophierens, mithin auch um ein Generationenproblem und - womöglich sogar an erster Stelle - um die Konkurrenz um den privilegierten Zugang zu den Medien und die damit verbundenen Gratifikationen. Es geht nämlich darum: Das ZDF hat das von Sloterdijk und Rüdiger Safranski geleitete Philosophische Quartett abgesetzt - die letzte Sendung wird am kommenden Sonntag bzw. Montag gegen Mitternacht ausgestrahlt - und bereitet stattdessen eine neue Sendung mit Richard David Precht vor. Es gehört zu den äußerst abstoßenden Charakterzügen Sloterdijks, sich immer äußerst abfällig über Kollegen zu äußern, die ihm widerstreiten. So sagte er in dem Interview der aktuellen Ausgabe der Zeit
      Precht ist vom Handwerk her Journalist und als solcher Popularisator von Beruf. Ob er wirklich, wie das ZDF annimmt, zu einer Verjüngung des Publikums beitragen wird, bezweifle ich allerdings. Seine Klientel gleicht eher der von André Rieu, den hören auch vor allem Damen über fünfzig in spätidealistischer Stimmung.
      Das ganze Interview ist unter der folgenden URL verfügbar:

      zeit.de/2012/20/Interview-Sloterdijk-Safranski

      Zweitens ist mir des weiteren nichts bekannt von einer 'Kontroverse' zwischen den Beiden. Ich muss zugeben, dass ich Sloterdijk weder als Person noch als Philosphen besonders schätze; am unangenehmsten aber ist er, wenn er kraft seiner Selbststilisierung zum Spiritus Rector der zeigenössischen Philosophie politische Stellungnahmen abgibt, wie z.B. seine absurden Vorschläge zur Reform des Steuersystems, das er zugunsten 'freiwilliger Spenden' der begüterten Bevölkerungsschichten abschaffen will, die dementsprechend auch die Richtlinien der Politik zu bestimmen hätten. Das ist so grotesk, dass einem die Worte fehlen... et patati et patata.

      Richard David Precht versucht nach der Abdankung von Jürgen Habermas, des letzten deutschen 'öffentlichen Intellektuellen', der sich aus Altersgründen aus den öffentlichen Debatten weitgehend zurückgezogen hat-, Precht versucht mit gewissem Erfolg, eine Rolle einzunehmen, wie sie in Frankreich von Philosophen seit den Zeiten der Aufklärung, von Voltaire bis Henry Levy, gespielt wird. Prechts Buch zur Geschichte der Philosophie Wer bin ich - und wenn ja, wie viele (genialer Titel, nicht wahr?) ist ein interessanter Versuch, diese Geschichte in Anbetracht der Herausforderungen, welche die Hirnforschung für die traditionellen Philosophie bedeutet, neu und auch für ein breiteres als das philosophische Fach-Publikum zu schreiben. Ich finde die Lektüre sehr empfehlenswert.

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Laci ()

    • Agnes Heller

      Hi,
      sehr, sehr schöne Sendung. Agnes Heller ist großartig, hat Witz und Verstand wie kaum jemand unter den zeitgenössischen Philosophen. Die Sendung wird - wie bereits erwähnt - heute Abend ab 23 Uhr vom Deutschlandfunk wiederholt. Ankündigung und Möglichkeit, das Programm als Live Stream zu hören, unter folgender URL:

      dradio.de/dlf/programmtipp/langenacht/1714974/

      Jó napot kivánok

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Ergänzung

      Hi,
      gerade wurde ich darauf aufmerksam, dass die Frankfurter Rundschau vor einigen Tagen ein Gespräch mit Agnes Heller führte, das den schönen Titel trägt „Philosophen geben uns spirituelle Nahrung“ und unter folgender URL verfügbar ist:

      fr-online.de/kultur/marx-und-d…ng-,1472786,15194294.html

      Es geht in diesem Interview vor allem um die Frage, ob die Marxsche Kapitaltheorie noch eine Erklärungskraft für die gegenwärtige sozialökonomische Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften habe. Auf diesem Gebiet liegt gewiss nicht die wissenschaftliche Stärke der Philosophin, wie ein Kritiker in seinem Kommentar direkt unter dem redaktionellen Beitrag zu Recht anmerkt. Dennoch sehr interessante Überlegungen zu den Zeitläuften, die in der Radiosendung nur en passant zur Sprache kommen.

      Gruß
      Laci
      "Tief im Herzen haß ich den Troß der Despoten und Pfaffen, Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit." (Hölderlin)

      "Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein?" (Aristoteles)
    • Was Sloterdijk und Precht betrifft, sind wir ja absolut derselben Meinung !
      Precht erscheint mir auch viel "unaufgeregter", bei Sloterdijk habe ich immer das Gefühl dass das rote Licht an der TV-Kamera ihn irgendwie "geil" und fast manisch macht... :biggrin:

      lg
      eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin
    • Ernst Bloch war auch kein "Leisetreter" und stets auf maximale Aussenwirkung bedacht...
      Auch ein Mensch mit einigen Irrungen im Leben, was in mir sympathisch macht.
      Noch symphatischer fand ich aber damals seine kettenrauchende Frau Karola... :P
      Ein anderer Philosoph aus dem Stuttgarter Raum scheint leider längst vergessen:
      Ernst Knepper...
      Zu Lebzeiten öfters mal in der Presse "Sokrates vom Lande" genannt, 9 Semester
      Philosophie neben dem Maschinenbaustudium, Lehraufträge an der Kunstakademie Stuttgart
      und der TH Darmstadt.
      Hat der Kunstakademie Stuttgart in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" einen riesigen IBM-
      Computer in das Foyer gestellt, was ziemlichen "Stunk" gegeben hat, da die übrigen
      Lehrkräfte damit nix anfangen konnten...
      Aber das war dem Ernst egal: unter 5 juristischen Prozessen gleichzeitig machte er es eh nicht !
      Und trotzdem war er "nebenbei" noch in der Lage, mit ausgesuchten Maschinenbauprojekten seine
      Familie zu ernähren !
      Ich hatte die Ehre, mit ihm zusammen in Stuttgart-Feuerbach eine 32 Meter lange und 3 Stockwerke
      hohe "Galvanikstrasse" bei der Firma Bosch abzubauen ( der firmeneigene Montagetrupp sah sich dazu ausserstande)
      und per selbstgebauten "Handwägelchen" aus der Halle zu schieben, auch die grosse Chromwanne...
      Die Boschleute guckten uns an wie Ausserirdische, als wir von Hand die grosse ( 3,5 x9 Meter) grosse
      Chromwanne auf 2 selbst zusammengeschweissten kleinen Wägelchen nach draussen vor das nächste
      Werktor schoben, ohne dass es irgendwo eine bauliche Veränderung geben musste...
      Tja - leider hat der Ernst öfters mal beim Autofahren mit seinem uralten DKW-Kombi nicht so richtig aufgepasst und zu oft nach der Ladung geschaut hinten drin....

      lg
      eule4
      "So sehr die Gegenwart sich um den Beweis ihrer Alternativlosigkeit auch bemüht, wird sie dennoch von der Zukunft abgelöst."


      Felix Kriwin