Bericht von den letzten internationalen Kongressen zB (APA San Diego 2007)
In den letzten Jahren arbeiten einige Forschungs- und Wissenschaftsgruppen an einer Überarbeitung der psychiatrischen Klassifikationsschemata, wie
- ICD-10 (WHO) und
- DSM (amerikanische psychiatrische Gesellschaft). Die neue Ausgabe des DSM (DSM -V) ist für 2012 geplant.
Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahren könnten dazu führen, daß einige „klassische“ psychiatrische Diagnosen fallen – also nicht mehr vorkommen werden bzw. anders benannt werden.
Das könnte sowohl die Schizophrenie, as auch die bipolaren Erkrankungen betreffen.
Erklärung:
Immer mehr Untersuchungen zeigen, daß die „Psychosen“ keine einheitlichen Erkrankungen sind, sondern vielmehr eine Überbezeichung für sehr unterschiedliche Zustände mit sehr unterschiedlichen Ursachen und Verläufen.
Die alte klare entweder- oder Einteilung von Schizophrenie und affektiver („Gemüts“-) Psychose hält vor dem Hintergrund der oft gemeinsamen genetischen Grundlagen und anderen Risiko faktoren nicht mehr.
Dies macht es auch viel besser verständlich, daß nicht wenige Patienten beiderlei Symptome haben, und daß diese auch mit der Zeit sich ändern und ineinander übergehen können.
Das spiegelt sich bei einem Teil der Patienten auch in sich ständigen ändernden Diagnosen – einmal bipolar, dann schizoaffektiv, Jahre darauf vielleicht schizophren.
Die Forschung geht nunmehr in eine Richtung, die vielen genetischen und biologischen Grundlagen, die den „individuellen Cocktail“ eines Patienten ausmachen, genauer zu untersuchen. Manche Veranlagungen scheinen für Halluzinationen – egal im Rahmen welcher Erkrankung – verantwortlich zu sein. Andere hingegen scheinen mehr mit kognitiven Störungen zu tun zu haben, noch andere mit Negativsymptomen und so weiter.
Wie die jeweilige Erkrankung sich dann im Einzelfall manifestiert, hängt eben davon, welche Anlagen jeweils vorhanden sind. Da es sehr viele verschiedene Gene gibt, sind die Kombinationsmöglichkeiten sehr hoch – und damit auch die jeweilige Ausprägung der Erkrankung.
Der nächste Einflußfaktor sind epigenetische Faktoren. Darunter versteht man verschiedene äußere Einflüsse, Umweltfaktoren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einwirken und zur Folge haben können, daß Gene „ein- und ausgeschalten“ werden.
Das können beispielsweise schwere Kindheitstraumata sein, oder auch Vergiftungen, Mangelzustände, Drogen in der Schwangerschaft usw.
All diese „Umweltfaktoren“ haben ein modulierenden Einfluß auf die Genaktivität, der in manchen Fällen sogar entscheidend für das Ausbrechen oder Ausbleiben einer Erkrankung sein kann.
So ist auch besser erklärbar, warum beispielsweise Schizophrenie bei einem eineigen Zwilling ausbrechen kann, beim anderen jedoch nicht.
Wie könnte die neue Klassifikation aussehen?
Neuerdings wird von manchen Wissenschafter vorgeschlagen, die alten Kategorien entweder ganz aufzugeben und vielmehr eine dimensionale Klassifikation psychischer Erkrankungen vorzunehmen, oder beide Systeme – Kategorie und Dimension nebeneinander zu stellen.
Unter „Dimensionen“ versteht man
- Depressivität
- Manie
- Positivsymptome (Halluzinationen und Wahn)
- Negativsymptome
Die neue Namen wären dann
- „Generalisiertes psychotisches Syndrom GPS“ und
- „Generalisiertes affektives Syndrom GAS“
Beide würden mit denselben Dimensionen näher beschrieben, in beiden könnten also Depression, Manie, Negativ- und Positivsymptome vorkommen.