Hallo Eule,
ich habe deine Beiträge zu Erklärungsmodellen für unsere bipolare Störung verfolgt, stimme dir zu und will mein Wissen darum mal wie folgt kurz zusammenfassen:
Die frühere rein biologistische Sichtweise auf die bipolare Störung und ihre schlichte Ableitung aus Störungen der Gehirnchemie ist inzwischen überwunden (was nicht ausschließt, dass man immer noch auf einzelne Anhänger dieses Modells trifft).
Auch die tradierte pharmakotherapeutische 08/15-Behandlung mit Lithium ist überholt, wie die weltweiten Verordnungs-Statistiken zeigen. Damit soll nicht die Lithium-Behandlung als 'veraltet' abgetan werden, der Trend geht jedoch eindeutig in Richtung individuell ausgerichteter Kombinations-Therapien, wobei moderne Phasenprophylaktika wie Valproat und Lamotrigin immer häufiger zum Einsatz kommen.
Zur aktuellen Sichtweise auf die bipolare Störung zitiere ich mal Thomas Bock etwas 'freihändig': Zu einer genetischen Prädisposition müssen eine Vielzahl bisher noch weitgehend unerforschter sozialer Faktoren hinzutreten, die den 'Ausbruch' der Erkrankung begünstigen. (Anders herum: Bei entspr. sozialem Umfeld gibt es selbst bei einer genetischen Prädisposition die Chance, nicht behandlungsnotwendig zu leben.)
Zur Verdeutlichung dieser heutigen Sichtweise noch eine kurze Passage aus dem jüngsten Buch von Thomas Bock/Andreas Koesler 'Bipolare Störungen - Manie und Depression verstehen und behandeln' (Psychiatrie-Verlag Bonn, November 2005):
'' Bipolare Störungen nicht monokausal erklären!
Monokausale Erklärungen werden eine bipolare Störung nie erklären können. Bei allen Erkenntnissen im Detail ist längst unumstritten, dass Hirnstoffwechsel und psychisches Erleben, Körper und Seele in Wechselbeziehung stehen und diese Wechselwirkung wiederum im sozialen unf kulturellen Kontext. Das Serotonin erklärt die Manie genauso wenig wie das rasende Herz die Verliebtheit. Der Hirnstoffwechsel ist keine unabhängige Variable, die alle anderen bestimmt. Diese Vereinfachung ist nicht (mehr) nötig, inzwischen sogar eher störend.Die Beteiligung somatischer Variablen bei so tiefgreifenden Veränderungen von Antrieb und Stimmung ist gleichwohl so selbstverständlich, dass längst die Wechselwirkungen der verschiedenen Ebenen in den Blick gerückt werden können.''
Wenn du mal ein gutes Buch zu unserer Krankheit mit einem aktuellen schulen-übergreifenden Gesamt-Ansatz lesen willst, kann ich dir das zitierte nur ans Herz legen.
Lieben Gruß
Peter [Blockierte Grafik: http://www.xrtheme.com/content/emoticons/Kids/02.gif]
aka Pierrot le Fou
aka Pedro el Loco
aka Peter the Maniac
PS. psmmg's professionelle Einschätzung hierzu würde mich auch sehr interessieren.
ich habe deine Beiträge zu Erklärungsmodellen für unsere bipolare Störung verfolgt, stimme dir zu und will mein Wissen darum mal wie folgt kurz zusammenfassen:
Die frühere rein biologistische Sichtweise auf die bipolare Störung und ihre schlichte Ableitung aus Störungen der Gehirnchemie ist inzwischen überwunden (was nicht ausschließt, dass man immer noch auf einzelne Anhänger dieses Modells trifft).
Auch die tradierte pharmakotherapeutische 08/15-Behandlung mit Lithium ist überholt, wie die weltweiten Verordnungs-Statistiken zeigen. Damit soll nicht die Lithium-Behandlung als 'veraltet' abgetan werden, der Trend geht jedoch eindeutig in Richtung individuell ausgerichteter Kombinations-Therapien, wobei moderne Phasenprophylaktika wie Valproat und Lamotrigin immer häufiger zum Einsatz kommen.
Zur aktuellen Sichtweise auf die bipolare Störung zitiere ich mal Thomas Bock etwas 'freihändig': Zu einer genetischen Prädisposition müssen eine Vielzahl bisher noch weitgehend unerforschter sozialer Faktoren hinzutreten, die den 'Ausbruch' der Erkrankung begünstigen. (Anders herum: Bei entspr. sozialem Umfeld gibt es selbst bei einer genetischen Prädisposition die Chance, nicht behandlungsnotwendig zu leben.)
Zur Verdeutlichung dieser heutigen Sichtweise noch eine kurze Passage aus dem jüngsten Buch von Thomas Bock/Andreas Koesler 'Bipolare Störungen - Manie und Depression verstehen und behandeln' (Psychiatrie-Verlag Bonn, November 2005):
'' Bipolare Störungen nicht monokausal erklären!
Monokausale Erklärungen werden eine bipolare Störung nie erklären können. Bei allen Erkenntnissen im Detail ist längst unumstritten, dass Hirnstoffwechsel und psychisches Erleben, Körper und Seele in Wechselbeziehung stehen und diese Wechselwirkung wiederum im sozialen unf kulturellen Kontext. Das Serotonin erklärt die Manie genauso wenig wie das rasende Herz die Verliebtheit. Der Hirnstoffwechsel ist keine unabhängige Variable, die alle anderen bestimmt. Diese Vereinfachung ist nicht (mehr) nötig, inzwischen sogar eher störend.Die Beteiligung somatischer Variablen bei so tiefgreifenden Veränderungen von Antrieb und Stimmung ist gleichwohl so selbstverständlich, dass längst die Wechselwirkungen der verschiedenen Ebenen in den Blick gerückt werden können.''
Wenn du mal ein gutes Buch zu unserer Krankheit mit einem aktuellen schulen-übergreifenden Gesamt-Ansatz lesen willst, kann ich dir das zitierte nur ans Herz legen.
Lieben Gruß
Peter [Blockierte Grafik: http://www.xrtheme.com/content/emoticons/Kids/02.gif]
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PS. psmmg's professionelle Einschätzung hierzu würde mich auch sehr interessieren.
You'll never gonna change anything!
(John Rambo in Rambo IV)
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