BP und kognitive Störungen (bestehen intellektuelle Einbussen?)

Ziehen Schizophrenie und manisch-depressive Krankheit dauerhafte Störungen der Wahrnehmung und des Erkenntnisvermögens nach sich?

Kognitive Beeinträchtigung war einmal eine unterbewertete Eigenschaft der Schizophrenie und wurde als Artefakt der Krankheitssymptome, der Aufmerksamkeitsfähigkeit oder der Motivation angesehen, was sich aber als falsch herausstellte. Seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts betrachtet man das Problem als einen Kernpunkt der Krankheit, der verlässlich bei der der Mehrzahl der Kranken auftaucht und von den Positivsymptomen, wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen unabhängig ist. Diese Beeinträchtigung ist ausserdem eine der Ursachen für die schlechte soziale und berufliche Prognose bei dieser Krankheit. Sie kann auch zuverlässig mit der Neurobiologie der Krankheit in Verbindung gebracht werden und ist eher Eigenschaft, als mit dem momentanen Zustand verbunden, und während der gesamten Krankheitsdauer präsent und in ihrer Stärke stabil.

Die Wechselwirkungen zwischen Krankheitssymptomen und kognitiven Defekten sind bei der Schizophrenie nur gering, während sie bei der manisch-depressiven Krankheit sehr stark sind. Bei Schizophrenen reagieren Beinträchtigungen der Gedächtnisfunktion und der Exekutivfunktionen auch kaum auf Rehabiliationsversuche und schliesslich können kognitive Probleme und Krankheitssymptome auch pharmakologisch getrennt werden, während sich die Symptome unter Medikamentenwirkung bessern, bleibt der Grad der kognitiven Beeinträchtigung gleich und deutlich erkennbar.

Kognitive Defekte bei manisch-depressiv Erkrankten finden zunehmende Beachtung. Es ist unzweifelhaft, dass bei einer Minderheit der Patienten solche Defekte auftreten und zu manchen Zeiten die gleiche Schwere wie bei schizophrenen Kranken erreichen. Sie sind aber mehr an den momentanen Zustand des Patienten gebunden und zeigen sich parallel zu den psychischen Symptomen von Dysphorie, Anhedonie und Antriebslosigkeit in der Depression und Ausdehnung, Grandiosität, Überaktivität und Gedankenrasen in der der Manie. Mit anderen Worten, sie steigen und fallen im Gleichklang mit den klinischen Symptomen der manisch-depressiven Krankheit. Wenn sie anwesend sind, tragen sie erheblich zum schlechten Urteilsvermögen bei, dass manchen Patienten zu schaffen macht.

Verändern sich die kognitiven Einschränkungen im Lauf der Zeit? Zumindest bei der Schizophrenie sind sie gleichbleibend und lebenslang. Sie remittieren nicht, auch nicht, wenn die anderen Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen abgeklungen sind. In den meisten Fällen erleiden die Patienten noch vor dem Ausbruch der Krankheit subtile Schwächungen ihrer kognitiven Fähigkeiten, die sich mit dem Einsetzen des Schubes verstärken und dann über viele Jahre gleich bleiben.

Der zeitliche Verlauf kognitiver Defekte bei manisch-depressiv Erkrankten wurde noch nicht ausreichend untersucht. Sicher ist, dass einige Funktionen offensichtlich eng mit der Besserung der klinischen Symptome verbunden sind, insbesondere die Executivfunktionen und die Sprachflüssigkeit. Einige Defizite scheinen beständiger zu sein, obschon unklar ist, ob sie nicht vielleicht einfach nur der Stimmungsstabilisierung nachhängen.

Die Schizophrenie zeigt ein relatv einförmiges Bild kognitiver Einbussen. Das Arbeitsgedächtnis wird eigentlich für Alles benötigt: sich an eine Telefonnummer erinnern, einen komplexen Satzbau verstehen, ein Gespräch oder die Tagesaktivitäten vorbereiten und neue Wege der Problemlösung finden. In der Schizophrenie ist all das dauerhaft beeinträchtigt. Auch das Langzeitgedächtnis für den Erwerb und Abruf neuer Informationen kann verhältnismässig stark beeinträchtigt sein. Schizophren erkrankte Patienten zeigen auch verminderte Denkgeschwindigkeit und Reaktionszeit. Diese defizitäre Muster deutet auf frontal-temporale Hirnregionen und ihre Kommunikation und Interaktion hin.

Das Arbeitsgedächtnis scheint das Kernproblem der Schizophrenie zu sein, denn es ist immer gegenwärtig, egal ob der IQ betroffen ist oder nicht. Man kann sich das wie eine Tafel vorstellen, auf der Informationen vorübergehend gespeichert und zur Vorbereitung einer Reaktion benutzt werden, die dann gelöscht werden, wenn neuere, relevantere Informationen hinzukommen. Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisses bestehen einfach in der Unfähigkeit, Informationen kurzzeitig zu halten, verminderter geistiger Beweglichkeit, Schwierigkeiten in der Informationsverarbeitung bedeutender Zusammenhänge, sowie Probleme, Informationen angesichts von Störungen zu speichern, insbesondere, wenn mehrere Dinge parallel getan werden.

Hinsichtlich kognitiver Defekte bei der manisch-depressiven Krankheit gibt es verschiedene Ansichten. So wird vermutet, dass Aufgaben, die hohe Leistung oder Geschwindigkeit verlangen, für die Patienten schwierig sind. Andere Untersuchungen deuten auf eine Beteiligung der Hirnrinde der rechten Hemisphäre hin, die sich auf verschiedene Formen visueller Informationsverarbeitung auswirkt, die zur Objekterkennung und räumlichen Orientierung dienen, und ebenso auf laterale neuronale Systeme, die Stimmungen regeln. Allerdings gibt es in diesem Bereich noch keinen echten wissenschaftlichen Nachweis.

Allgemein gesagt ist der Schweregrad kognitiver Defekte bei der Schizophrenie um einiges grösser als bei der manisch-depressiven Krankheit und betrifft auch mehr kognitive Bereiche. Kognitive Defekte in Zusammenhang mit Schizophrenie sind weniger stark an die Schwere der psychischen Symptome gebunden und sind deshalb mehr Eigenschaft als Zustand.

Es ist häufig, aber nicht immer, der Fall, dass Schizophrenie besondere Leistungen in der Wissenschaft, der Kunst und dem Sport ausschliesst. Das ist bei der manisch-depressiven Krankheit nicht so, tatsächlich wird sie aus noch nicht näher bekannten Gründen eher mit besonderer Kreativität in Verbindung gebracht. Einer der Gründe für diesen Unterschied sind die unterschiedlichen Grade der kognitiven Einschränkungen zwischen den beiden Krankheiten, wobei in der Manie ja durchaus sogar auch eine zumindest quantitative Steigerung einiger kognitiver Fähigen erlebt werden kann.

Kognitive Defekte, insbesondere im Sprachgedächtnis und dem Arbeitsgedächtnis, sind wichtige Indikatoren für die den Krankheitsausgang. Unerwarteterweise sind die eher auffälligen Positivsymptome, wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen, nicht so ein guter Indikator. Bei der manisch-depressiven Krankheit ist der Zusammenhang zwischen kognitiven Defekten und dem Krankheitsausgang eher unklar. Ausserdem sind bei den entsprechenden Untersuchungen auch nicht die Stimmungswechsel einbezogen worden, kognitive Unterschiede während der einzelnen Phasen von Manie und Depression, aber auch des normalen euthymen Zustandes, sind nicht Thema gewesen. Hier muss noch weiter geforscht werden.

Die neueren Antipsychotika, wie Risperidon, Colzapin und Olanzapin scheinen die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern, während traditionelle Mittel, wie Haloperidol und Fluphenazin das nicht tun. Diese Verbesserung spiegelt möglicherweise die Verringerung extrapyramidaler Nebeneffekte wieder, die von den hochpotenten typischen Neuroleptika verursacht werden und durch ihre Wirkung auf das motorische System allgemein dämpfend wirken. Auch die bessere Symptomunterdrückung der Atypika, sowie eine direkte Verbesserung der kognitiven Funktionen durch die Wirkung auf die Neurotransmitter und deren Rezeptoren kann eine Rolle spielen. Es ist wichtig, zu erkennen, dass diese Verbesserung durch die neueren antipsychotischen Medikamente aber nicht bedeutet, dass der Normalzustand erreicht wird, unglücklicherweise kommt es bei vielen Patienten zu dauerhaften Einbussen.

Verursacht Lithium kognitive Defekte bei manisch-depressiv Erkrankten? Es gibt konsistente Forschungsergebnisse, die belegen, das Lithium einen schwachen, aber nachteiligen Effekt auf das Langzeitgedächtnis und die Speicherung neuer Informationen hat. Es ist möglich, dass die neueren Stimmungsstabilisierer (üblicherweise Antikonvulsantien, wie etwa Carbamezepin, Depakote und Neurontin) weniger ausgeprägte Wirkung auf die Kognition haben.

Es ist wichtig, zu wissen, dass viele der kognitiven Defekte bei Schizophrenen, auf Gehirnscans sichtbar werden. Das heisst, sie existieren nicht in einem wissenschaftlichen Vakuum, sondern reflektieren existierende anormale neurophysiologische Prozesse. So haben eine Anzahl von PET und fMRI Untersuchungen des Blutflusses, einem Hilfsindikator für den Hirnstoffwechsel, von schizophrenen Patienten, abhängig von gestellten Aufgaben, Unteraktivität des Frontallappen gezeigt, also ineffiziente physiologische Reaktionen, die dem Mass an Anstrengung bei der Ausführung der Aufgabe nicht angemessen sind. Hinzu kommen Unterschiede in der Dynamik der neuronalen Netze, so dass sich bei den Patienten Überaktivität in einem Bereich und Unteraktivität in anderen Bereichen zeigt. Kognitive Defekte bei Schizophrenen korrelieren auch in hohem Masse mit strukturellen Hirnanomalien. Eine detaillierte Analyse der Neurophysiologie von manisch-depressiv Erkrankten im Zusammenhang mit kognitiven Defekten steht noch aus.

Der direkte Vergleich von schizophrenen Patienten und solchen mit manisch-depressiver Erkrankung deutet darauf hin, dass die ersteren schwerere und weitläufigere Defizite aufweisen. Nichtsdestotrotz hat auch eine Untergruppe institutionalisierter Patienten mit manisch-depressiver Krankheit chronische schwere kognitive Defekte.

Ein wichtiger Faktor, der zwischen schizophrenen und manisch-depressiven Patienten unterscheidet, ist die Intelligenz. Generell zeigen schizophrene Patienten einen 10punktigen Intelligenzverlust bei Krankheitsbeginn. Das heisst, schizophrene Patienten haben vor dem Krankheitsausbruch einen normalen oder annaehernd normalen IQ, zeigen aber in den frühen Phasen der Krankheit eine deutliche Abschwächung der intellektuellen Funktionen. Im Kontrast dazu bewahren manisch-depressive Patienten in der Regel ihren IQ. Das ist klinisch bedeutsam und zeigt an, dass Patienten mit schizophrener Erkrankung weniger aufmerksam und langsamer sind, weniger geistige Präzision bei alltäglichen kognitiven Aufgaben zeigen und vermutlich Schwierigkeiten haben, ihre Wissensbasis bei sozialen Problemen zum Tragen zu bringen. Manisch-depressiv Erkrankte zeigen diese globale Verminderung intellektueller Effizienz hingegen nicht.

Autor: unbekannt
Quelle: http://www.psychlaws.org

zurück

Schreibe einen Kommentar