Psychotherapie für Bipolare Erkrankungen

Die folgenden Psychotherapieformen wurden speziell für Bipolare Erkrankungen entwickelt, bzw. deren Wirksamkeit bei diesen Erkrankungen überprüft.
Sie sollten daher, wenn immer möglich, bevorzugt angewendet werden. Allerdings gibt es in Österreich noch ein sehr geringes Angebot dieser speziellen
Therapieformen.

Eine unverzichtbare Voraussetzung von Seiten der Betreuer, Psychotherapeuten und Gruppenleiter selbst ist ein gutes theoretisches Wissen und praktische Erfahrung im Umgang mit bipolaren Erkrankungen!

Interpersonelle Sozialrhythmustherapie

Die Interpersonelle Therapie (IPT) wurde zur Behandlung unipolarer Depressionen entwickelt. Sie setzt sich aus Elementen der tiefenpsychologischen Psychotherapie, kognitiven Verhaltenstherapie und Gesprächspsychotherapie zusammen. Entscheidend in der Behandlung sind psychosoziale und zwischenmenschliche Erfahrungen des Patienten. Die Interpersonelle Sozialrhythmustherapie (IPSRT) stellt eine Erweiterung der IPT für bipolare Patienten dar. Sie fokussiert auf Stabilisierung der zirkadianen sozialen Ablaufe und versucht dabei Schüsselprobleme interpersoneller Konflikte zu losen. Drei Mechanismen werden identifiziert, die Rezidive provozieren: „Life Events“, die Störung zirkadianer Rhytmen und medikamentöse Non-Compliance. In der initialen Phase erhalten die Patienten psychoedukative Therapie und protokollieren täglich ihre Stimmung und den Rhythmus sozialer Aktivitäten (Schlaf-Wachrhythmus, Nahrungsaufnahme, soziale und berufliche Aktivitäten). Es werden potenzielle Störungen des Biorhythmus identifiziert (unregelmäßige Arbeit, Schicht- und Nachtarbeit, Termindruck, etc.) und in der darauffolgenden Stabilisierungsphase Gegenstrategien entwickelt. Sowohl Inaktivität (depressionsfördernd), als auch Überstimulation (maniefördernd) sollen vermieden werden. Darauf folgt eine präventive Phase für etwa zwei Jahre mit monatlichen Kontrollen, die den Behandlungserfolg sichern soll. Zuletzt wurde auch eine Kombination von IPSRT mit Familientherapeutischer Therapie erfolgreich getestet.

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT oder „cognitive behavioral therapy, CBT“)

Kognitiv behaviorale Therapie hilft dem Patienten angelernte, der Erkrankung zugrundeliegende oder sie aufrechterhaltende dysfunktionale Kognitionen und Verhalten zu ändern. Es werden Techniken der Selbstwahrnehmung und zur Modifikation von Denk- und Verhaltensweisen erlernt. Bei Bipolarer Erkrankung unterscheidet sich die Therapie von der traditionellen Vorgehensweise durch mehrere Faktoren. Der Beginn wird eher nicht in der akuten Erkrankungsphase; sondern während einer stabilen, euthymen Phase gesetzt. Meist wird primär eher die Verhaltensebene als die kognitive Ebene thematisiert. Die Befähigungen werden dem Patienten in einer in einer mehr didaktischen Art mit einer reduzierten Anzahl an Verhaltenstechniken vermittelt. Der Fokus liegt neben Psychoedukation in dem Erkennen von Frühwarnzeichen, Erlernen von Anti-Rezidivtechniken, Umgang mit Symptomen, Vulnerabilität und Problemen als Folge der Erkrankung.

Familientherapeutische Ansätze (Family Focused Treatment, FFT)

Konflikte innerhalb einer Partnerschaft und Familie können den Verlauf bipolarer Erkrankungen negativ beeinflussen. Ähnlich wie auch bei Schizophrenie scheint vor allem ausgeprägt kritisches, feindseliges oder aber emotional überengagiertes Verhalten („high expressed emotions, EE“) des sozialen Umfelds ein negativer Einflussfaktor zu sein, der mit mehr Rückfällen assoziiert ist.Schon in den ersten, psychoedukativen Teil werden daher Angehörige des Patienten einbezogen. Danach wird ein umfassendes Kommunikationstraining mit Elementen wie Rollenspielen, aktivem Zuhören und Einüben von positivem und negativen Feed-Back durchgeführt. In einem dritten Modul können dann Problemlösungsstrategien, ausgehend von aktuellen Problemen des Patienten (zum Beispiel Arbeitsplatzwechsel), erarbeitet werden.

Für alle beschriebenen Methoden (Psychoedukation, IPSRT, CBT, FFT) konnte eine positive Wirkung auf den Erkrankungsverlauf belegt werden. Insgesamt tragen sie auch bei, die Gesamtkosten für das Gesundheitssystem zu senken. Der stärkste Therapieeffekt ist eine Verlängerung der Zeit bis zur nächsten Phase, wobei oft manische Rückfälle besser verhindert werden als depressive Rezidive. Diese „Wirkungslücke“ im depressiven Bereich ist als besonders signifikant und folgenreich zu sehen, da sowohl subjektiv, als auch objektiv die Last durch depressive Episoden im Vergleich zu manischen Phasen bei bipolaren Erkrankungen überwiegt und ein wesentlicher Faktor für Non-Compliance ist.. Allerdings scheinen CBT, IPRST und FFT neue depressive Phasen tendenziell besser zu verhindern als reine Psychoedukation. Der beste Zeitpunkt für den Beginn einer CBT ist während einer stabilen, euthymen Phase, für die anderen Methoden die Erholungsphase nach einer akuten Episode. Eine offene Frage ist die Dauer der Wirksamkeit von psychotherapeutischen Interventionen. Die bisherigen Erkenntnisse deuten eher an, dass der Effekt nach Monaten oder Jahren abnimmt. In diesem Zusammenhang könnten „Auffrischungstherapien“ („Booster“) Abhilfe schaffen, deren Einsatz und Effizienz jedoch noch nicht systematisch untersucht wurden. Für psychonalytische bzw. tiefenpsychologische Ansätze existieren keine kontrollierten Daten.

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