Was sind die Ursachen für die Bipolare Erkrankungen?

Die Anlage zur Erkrankung wird zum Teil vererbt. Das bedeutet aber nicht, daß jeder in der Familie die Anlage in sich trägt, oder daß alle Kinder erkranken werden (ähnlich wie bei der Anlage zu Diabetes). Ausserdem ist nicht EIN Gen verantwortlich, sondern das Zusammentreffen verschiedener Erbanlagen. Zusätzlich spielen aber auch nicht genetische Faktoren eine gewisse Rolle. Es gibt viele Theorien und Detailerkenntnisse,aber noch keine harten Fakten. Überdies handelt es sich bei „Bipolar“ nicht etwa um EINE spezifische Erkrankung, sondern vielmehr um eine GRUPPE von Erkrankungen mit teils sehr ähnlichem, teils sehr unterschiedlichem Verlauf. Während manche Betroffene zB vor allem Depressionen haben, haben andere vor allem Manien. Während bei manchen Phasen oft zu bestimmten Jahreszeiten auftreten, gibt es bei anderen diese Abhängigkeit nicht. Dementsprechend geht man heute davon aus, daß es ein ganzes Bündel an Genen gibt, die alle zu Teilaspekten der Erkrankung beitragen. Je nach dem, welche „Auswahl“ von diesen Genen man geerbt hat, sieht dann auch der Verlauf ganz unterschiedlich aus. Werden nur einige wenige Gene vererbt, kann auch das Ausbrechen von Phasen eventuell ganz ausbleiben oder nur in Extremsituationen stattfinden. Es gibt darüberhinaus wahrscheinlich aber auch „Schutzgene“, die dem Ausbruch der Erkrankung entgegenwirken – und daher kompensieren können, obwohl gleichzeitig viele „Bipolar-Gene“ vererbt wurden. Je nach individuellem „Cocktail“ von Bipolar-Genen und Schutzgenen, ist wiederum der Verlauf ganz anders ausgeprägt.

Um einen visuellen Eindruck zu geben, wieviele Gene derzeit mit Bipolaren Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, folgende Graphik. Man sieht auf ihr alle menschlichen Chromosome (Träger der Gene), und jeder rote Punkt bezeichnet einen Genort, der bei bipolaren Patienten im Vergleich zu Nicht-bipolaren überzufällig häufig verändert ist.

 

Die „Cocktailhypothese“

Die „Mischung“ macht es aus, ähnlich wie beim Mischen eines Cocktails. Aus der Ferne gesehen, ergibt sich eine ziemlich einheitliche Färbung. Bei genauerem Hinsehen kann man jedoch viele verschiedene Bestandteile erkennen.

Diese entsprechen verschiedenen Erbanlagen – Genen. Viele davon haben überhaupt nichts mit bipolaren Erkrankungen zu tun, andere lösen Teilaspekte davon aus, andere wiederum schützen:

  • Gene, die nichts mit bipolarer Erkrankung zu tun haben.
  • Gene, die Teilaspekte der bipolaren Erkrankung auslösen
  • Gene, die Teilaspekte der bipolarern Erkrankung verhindern können (schützen)

Wenn nun die „bipolar Gene“ überwiegen, wird der Cocktail überwiegend rot – bipolar. Wenn viele Schutzgene vorhanden sind, geht die Farbe eher ins bläuliche – die Erkrankung bricht nicht aus. Sie kann allerdings weitervererbt werden, denn die „Bipolar-Gene“ sind ja da, wenn auch „versteckt“. Wenn nicht gleichzeitig die Schutzgene mitvererbt werden, können Kinder „nichterkrankter“ Eltern betroffen sein.

Wenn nur ganz wenige Bipolar-Gene vorhanden sind, wird man kaum eine „Rotfärbung“ des Cocktails merken. Allerdings kann es sein, daß einerseits von Vaterseite, andererseits von Mutterseite alle diese wenigen Bipolargene vererbt werden und in den Nachkommen dann wiederum ausreichen, die „kritische Masse“ zu überschreiten.

Komorbidität:

Einige Bipolar-Gene haben unter Umständen auch noch andere Auswirkungen. So werden einige Aspekte schizophrener Erkrankungen wahrscheinlich durch Gene bedingt, die auch eine Rolle bei Bipolaren spielen (siehe auch: Neues aus der Forschung) Ebenso gibt es Hinweise für Überlappungen mit:

  • rezidivierenden Depressionen
  • saisonaler Depression
  • postpartaler Psychose
  • Angst- und Zwangserkrankungen
  • Substanzmißbrauch/Sucht
  • eventuell auch emotional instabiler Persönlichkeit

Daher treten alle diese Erkrankungen ziemlich häufig zusammen mit Bipolaren Erkrankungen beziehungsweise zum Teil auch vermehrt bei Blutsverwandten auf.

 

Epigenetische Faktoren

Weiters gibt es sogenannte epigenetische Faktoren. Das sind Faktoren, die -vereinfacht ausgedrückt – Gene „an- und ausschalten“ können. Dazu können beispielsweise auch alle möglichen Umweltfaktoren zählen, wie Nahrung, Medikamente, Drogen, Schlaf, Biorhythmus, Licht, Infekte, aber auch Psychotherapie und Sozialkontakte. Wenn sich solche epigenetischen Faktoren günstig auswirken, können sie – wieder stark vereinfacht – Bipolar-Gene ausschalten, bzw. in Schach halten und Schutzgene aktivieren. Ungünstige epigenetische Faktoren jedoch können genau das Gegenteil bewirken.

Auszuschließen ist aber, daß BP direkt durch „schlechte Erziehung“ oder traumatische Erlebnisse in der Kindheit entsteht. Im Klartext: wer keine Bipolar-Anlage in sich trägt, den werden solche traumatischen Erlebnisse nicht glücklich machen, aber eben auch keine bipolare Erkrankung auslösen.

Das Vorhandensein epigenetischer Faktoren zeigt auch, daß man seiner Anlage (seinen Genen) nicht zu 100% schicksalhaft ausgeliefert ist. Vielmehr kann man durch gezieltes ausnützen ebendieser Faktoren oft den Verlauf günstig beeinflussen. Dies zeigt, wie wichtig in der Behandlung die Berücksichtigung verschiedener Aspekte ist: medikamentöse Therapie, aber auch Psychotherapie, soziale Kontakte, Ernährung, Biorhyrthmen etc.

Wir bemühen uns, in diesem Forum in Zukunft wichtige neue Erkenntnisse über die Entstehung der Erkrankung, aber auch über neue Behandlungsmöglichkeiten für alle leicht zugänglich online zu stellen.

Einen Überblick über einige Erkenntnisse aus der Forschung gibt es hier

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